Braucht jedes Krisenunternehmen zwingend eine neue Strategie? Die Antwort lautet: meistens ja, aber nicht immer.
Im vorliegenden Beitrag ist eine strategische Neuorientierung notwendig, weil das Unternehmen schleichend an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat und in die Krise gerutscht ist. Es gibt auch den Fall, bei dem das Krisenunternehmen im Kern gesund ist, aber aufgrund eines Ereignisses (zum Beispiel Cyberangriff, dolose Handlung) oder eines existenzgefährdenden Fehlers (zum Beispiel Fehlinvestition, missglückte M&A-Transaktion) in Schwierigkeiten geraten ist. Ein solcher Fall wird als «Special Situation» bezeichnet. Eine Lösung bedingt neben einer Finanzspritze Anpassungen in der Corporate Governance und beim Risikomanagement. Diese Aspekte werden eingehender in der nächsten Ausgabe (11–12/2025) thematisiert.
Lebenszyklen als Massstab
Bei einer Unternehmung, die schleichend in die Krise gerutscht ist, bietet sich ein Blick auf relevante Lebenszyklen an. Dazu gehören selbstredend Lebenszyklen von Produkten und Dienstleistungen, Absatzmärkten, neuen Kundenbedürfnissen oder Technologien.
Klassische Lebenszyklus-Modelle verlaufen in den Phasen Einführung, Wachstum, Reife/Sättigung und Rückgang. Bei Produkten oder Innovationszyklen ist dieser Verlauf weitgehend erfassbar und anhand der Marktvolumen und Marktanteile zu einem gewissen Grad sogar messbar. Viele Unternehmen in einer Ertragskrise und später in einer existenzbedrohenden Krise haben mit Bezug auf Produkt-Relaunches oder Neuentwicklungen Fehleinschätzungen in der Zyklusplanung gemacht.
Aus Sicht der Prüfung der Sanierungswürdigkeit lohnt sich ein Blick auf den Lebenszyklus von Management und der Eigentümer. Die aktuelle Geschäftsleitung mag die vorhergehende, ursprünglich erfolgreiche Phase begründet und geführt haben. Es ist aber genau hinzuschauen, ob das Management auch über das notwendige Wissen (Digitalisierung, KI-Zeitalter) und die Motivation verfügt, um eine strategische Neuorientierung erfolgreich durchzuziehen. Mit dem ist auch angesprochen, dass erfolgreiche strategische Neuausrichtungen neben neuen Ideen auch frisches Blut, neue Vorbilder und motivierende Führungsdynamiken brauchen.
In Bezug auf die Eigentümerschaft können latente Nachfolgeproblematiken behindernd auf die Strategieentwicklung wirken; dies generell und speziell bei einem Turnaround. Wird die strategische Neuorientierung mit «bewährtem» Führungspersonal gemacht, ist ein fundamentales Neudenken der strategischen Ausrichtung von Beginn weg eingeschränkt.
Es bleibt jedoch anzumerken, dass Gründer, Geschäftsführer und Eigentümerschaft in vielen Fällen identitätsstiftend sind und gerade im KMU-Umfeld nicht einfach ersetzt werden können.
Ziele als Leitplanken
Ziel der Strategieentwicklung ist es, einen «Fit» zwischen (zukünftigen) Marktbedürfnissen, bestehenden und aufzubauenden Kompetenzen und den Rentabilitätsansprüchen der Kapitalgeber herzustellen. Die Strategie muss aber nicht nur stimmig sein. Sie muss vor allem geradlinig sein, damit sie im schwierigen Umfeld eines Turnarounds umsetzbar ist.
Eine Strategie ist somit nie Selbstzweck. Sie zeigt die Stossrichtung, wie die verfügbaren Ressourcen einzusetzen sind, um ein vorgegebenes Unternehmensziel zu erreichen. Im Fall des Turnarounds präsentiert sich die Aufgabenstellung beispielhaft so: aktuell wird ein EBIT von minus 5 Prozent erzielt; der branchenübliche EBIT liegt bei 10 bis 15 Prozent. Wie kann die Rentabilitätslücke von 15 bis 20 Prozent geschafft werden? Oder anders gefragt: in welche Richtung müssen die verfügbaren Ressourcen ausgerichtet werden, damit das geforderte EBIT-Ziel erreicht und nachhaltig gehalten werden kann?
An diesem vereinfachten Beispiel zeigt sich die spezielle Situation des Unternehmens im Turnaround: es ist keine freiwillige Neuorientierung, sondern der Zwang, sich mit wenigen Ressourcen auf die überlebensnotwendigen Ziele zu fokussieren. Im vorliegenden Beispiel gilt es, mithilfe von Restrukturierungsmassnahmen (vor allem Kostensenkungen) und der strategischen Neuorientierung die branchenadäquate Rentabilität zu erreichen. Nur wenn beides machbar erscheint, werden Eigen- wie Fremdkapitalgeber weiterhin bereit sein, Kapital zur Verfügung zu stellen. Kein seriöser Investor und schon gar nicht die Banken oder Lieferanten werden weiteres Geld in ein Krisenunternehmen stecken, welches nicht klar aufzeigen kann, wie es Minimalziele erreichen kann.
Abbildung 1 zeigt, wie wichtig die fokussierte Ausrichtung aller Ressourcen auf ein Ziel ist. Ein solches Bild wirkt auch in der Kommunikation. Für die Führung ist es ebenfalls relevant, denn sobald der Fokuspunkt definiert ist, lassen sich die verschiedenen Teilstrategien für Marketing, Produktion, Personal et cetera ableiten und begründen.



