Strategie & Management

Kolumne

Zehn Dinge, die es im Vertrieb zu stoppen gilt

Wachstumspotenziale im Vertrieb auszuschöpfen, gelingt häufig nicht durch die Addition von Projekten und Massnahmen, sondern durch ihr Weglassen. Zehn Beispiele.

Viel Zeit und Energie wird in Vertriebsorganisationen investiert, um neue Massnahmen, Instrumente und vieles mehr zu entwickeln und umzusetzen. Auch die Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Verhaltensweisen erfährt in diesem Zusammenhang eine gewisse Aufmerk­samkeit. Ein gemeinsames Charakteristikum vieler Entwicklungsthemen im Vertrieb ist, dass Dinge zum Bestehenden addiert werden. Echtes Wachstumspotenzial ist jedoch auch im häufig unterbelichteten Handlungs­bereich des Weglassens ver­borgen. Wachstum kommt eben auch von Weg­lassen. Der erste Schritt beim Heben dieser Poten­ziale ist die Erkenntnis, dass reines Addieren nicht zwangs­läufig auch zu Wachstum führt, sondern dass vielmehr Weglassen eine wichtige Rolle spielt und die Reflexion des eigenen Tuns vor dem beschriebenen Hintergrund. Nachstehend zehn Punkte, die wir regelhaft in Wachstumsprojekten beobachten (und bearbeiten) und bei denen es sich lohnt, sie infrage zu stellen oder sogar auch zu stoppen:

Überall dort verkaufen, wo Licht brennt

Der grundsätzliche Zusammenhang, der in vielen Unternehmen gelebt wird, klingt trivial und im ersten Schritt sinnvoll: Der Vertrieb wird nach seinem Erfolg gemessen und dieser findet seinen Ausdruck massgeblich im Umsatz. Dies ist jedoch eine aus­gesprochen eindimensionale und risikoreiche Betrachtung. Der erste Punkt, den es hier zu hinterfragen gilt, ist die Fokussierung der Zielgrösse. Umsatz sagt noch nichts über die Profitabilität aus, und es kommt alleine auf profitablen Umsatz an. Und selbst eine Orientierung am Profitabilitätsbeitrag greift zu kurz, denn nicht jeder Kunde und jeder Umsatz liefert einen gleich grossen Wachstums­beitrag – selbst wenn Umsatz und Gewinn beim Einzelgeschäft identisch sind. Für eine strategische Marktbearbeitung gilt vielmehr, den idealen Kunden und den idealen Auftrag zu beschreiben. Kunden und Aufträge sind umso idealer, je besser sie die strategischen Ziele stützen. Damit diese Defi­nition aber auch Wachstumswirkung entfaltet, sollte der Vertrieb sich auch hierauf konzentrieren dürfen. Man kann noch so oft über strategische Ziele sprechen, solange im Monatsgespräch alleine die kumulierten Umsatz- und Deckungsbeitrags­grössen betrachtet werden, wird der Vertrieb kurzfristige Erfolge jagen.

Angebote an jeden stellen

Einen echten Zeit- und Energiefresser im Vertrieb stellt die Arbeit mit Nicht-Entscheidern dar. Natürlich sind Empfehler und Fürsprecher im Unternehmen des Kunden wichtig, ausschlaggebend jedoch ist die Übereinkunft mit dem Entscheider. Es gilt also genau herauszuarbeiten, beziehungsweise herauszufinden, wer der Entscheider überhaupt ist und auf möglichst direktem Wege ins Gespräch mit diesem zu kommen. Als Faustregeln lohnt es sich, die folgenden zu erwägen: Kein Angebot ohne Gespräch mit dem Entscheider. Kein Angebot an Nicht-Entscheider. 

Dem Kunden nach dem Munde reden

Ein Vertrieb, der dem Kunden nach dem Munde redet, wird vielleicht als freundlich wahrgenommen, regt aber nicht zum Denken an und bleibt selten im Gedächtnis. Gelingt es nicht, durch ein angeregtes Gespräch mit dem Kunden gemeinsame Ideen zu entwickeln, die der Kunde in der Form noch nicht hatte, so ist man tendenziell in der Lieferantenrolle und weniger ein Partner auf Augenhöhe. Es lohnt sich, anregende, vielleicht sogar provokante Fragen, Beobachtungen, Thesen zurecht zu legen, anhand derer man gemeinsam den tatsächlichen Bedarf des Kunden ergründet. 

Die Kontrolle über den Vertriebsprozess abgeben

Vielleicht der wichtigste Hebel in puncto Effizienz und Schnelligkeit des Vertriebsprozesses ist es, die Kontrolle zu behalten. Die Voraussetzung ist, dass ein solcher Vertriebsprozess auch definiert und dem Vertrieb gegenwärtig ist. Ganz praktisch bedeutet die Kontrolle zu behalten, in jeder Stufe Verbindlichkeit zu erzeugen (inhaltlich, zeitlich) und möglichst viel der Verantwortung zu übernehmen – denn das eigene Handeln hat man am direktesten unter Kontrolle. Lautet die Vereinbarung mit einem Kunden, dass dieser sich «dann meldet», so hat man die Kontrolle verloren – dieser Zeit- und Energieverlust ist häufig vergleichsweise leicht zu verhindern.

Verkaufen ohne zu verstehen / Sprechen ohne zuzuhören

Ein Kardinalfehler im Vertrieb ist es, sein Programm metaphorisch «abzuspulen». Die Voraussetzung für eine echte Beziehung, Vertrauen und ein präzises Angebot, das den Kunden und den Vertrieb gleichermassen gewinnen lässt, ist jedoch, dass man den Bedarf des Kunden verstanden hat und gemeinsam mit dem Kunden herausgearbeitet hat, was dieser wirklich braucht. Hierfür sind echtes Interesse, intelligente Fragen und gutes Zuhören wichtig. 

Interne Prozesse sinnlos übersteuern

Die beste Vorarbeit für Folgegeschäfte und wirksame Empfehlungen ist eine exzellente Erfüllung der vereinbarten Leistung. Dafür braucht es starke, präzise interne Abläufe und diese setzen voraus, dass Aufträge möglichst sauber verhandelt und in das Unternehmen übergeben werden. Natürlich bedarf es einer gewissen Flexibilität der Organisation, um die Bedürfnisse des Kunden bestmöglich zu erfüllen, das bedeutet aber nicht, allen Anforderungen blind zu folgen. Vielmehr braucht es eine kundige Vermittlung und Klärung zwischen Kunden und der internen Organisation. Diese Balance zu finden und mit Augenmass und kommunikativem Geschick umzusetzen, obliegt dem Vertrieb.

Rechtfertigen und Schuldige suchen

Sucht man eine ergiebige Quelle, um Energie und Zeit zu gewinnen, so findet sie sich in vielen Unternehmen genau an diesem Punkt. Es wird eloquent und mit grossem persönlichen Einsatz versucht aufzuzeigen, warum man selbst und der eigene Bereich alles richtig gemacht, andere Unternehmensteile, der Markt oder der böse Kunde aber nicht mitgespielt haben. Dies ist Makulatur und führt in die Irre. Im Falle von Problemen kommt es allein darauf an, die aktuelle Situation zu lösen, die Ursache zu ergründen und diese systematisch zu beheben.

Leads generieren, ohne den Abschluss zu suchen oder den Abschluss suchen, ohne Leads zu generieren

Die wirkungsvollsten Vertriebsmitarbeiter, die wir kennen, verstehen es meisterhaft, zwei Faktoren zu balancieren: Konsequent den Abschluss zu suchen und die Pipeline stetig zu füllen.

Versprechen brechen

Vertrauen ist einer der entscheidenden Faktoren für gesundes, profitables Wachstum. Die zu berücksichtigende Regel ist denkbar einfach: Jede Zusage – gleich wie klein und scheinbar unbedeutend –, die gemacht wird, ist einzuhalten. Es ist (fast) immer besser, keine Zusage zu machen, als eine Zusage nicht einzuhalten.

Eskimos Kühlschränke verkaufen

Mit dieser Metapher wird mit Augenzwinkern der Vertriebsmitarbeiter gelobt, dem es gelingt, ein Produkt zu verkaufen, dass der Kunde eigentlich nicht braucht. Ein Abschluss, der aber nicht im wirklichen Interesse des Kunden ist, ist ein Pyrrhussieg, weil er um den Preis eines absehbaren Vertrauensverlustes und einer geschwächten Beziehung erkauft wird. Daher gilt es, nicht nur im besten Interesse des Kunden zu argumentieren, sondern auch in seinem
Interesse zu denken und zu handeln.