Strategie & Management

Innovationsmanagement

Wie Unternehmen ihre Innovationskraft erhöhen

Innovationen sind der Schlüssel zum langfristigen Erfolg von Unternehmen – diese Aussage hört man oft. Doch was ist überhaupt Innovation, und wann ist ein Manager zugleich ein «Innovator» und «Entrepreneur»? Und wie können Organisationen ihre Innovationskraft und -geschwindigkeit erhöhen? Antworten in diesem Beitrag.
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Glaubt man den Hochglanzbroschüren der Unternehmen, dann sind sie fast alle innovativ. Dasselbe gilt auch für die vielseits gestellte Forderung, bereit zu sein, neue Wege zu gehen. Sie gehört zum festen Rederepertoire aller Unternehmensführer. Und blickt man in die Stellenanzeigen der Unternehmen? Dann stellt man fest: «Kreativ und flexibel sein», so lautet eine Standardanforderung an ihre Mitarbeitenden.

Doch sind die Unternehmen so innovativ, wie sie sich gern präsentieren? Manche Klein- und Mittelunternehmen ja. Bei Grossunternehmen stellt man aber oft fest: Die sogenannte Innovation beschränkt sich weitgehend auf ein Optimieren des Bestehenden. Doch ist das überhaupt innovativ?

Was ist Innovation?

Kreativität versus Innovation

Kreativität bezeichnet die geistige Fähigkeit, neue Ideen und Designs zu entwerfen, Innovation hingegen meint einen Schaffensprozess, bei dem aus neuen Ideen brauchbare Lösungen entwickelt werden. Kreativität kann zielorientiert sein, Innovation hingegen ist es stets. Das bedeutet, Innovation zielt darauf ab, definierte Ziele zu erreichen, und hieran wird auch die Qualität der Ideen und Problemlösungen gemessen.

Dieses Denken hatten (fast) alle grossen Erfinder verinnerlicht. So lautete zum Beispiel eine Maxime von Thomas Edison, der unter anderem die Glühbirne erfand: «Was sich nicht verkaufen lässt, das will ich nicht erfinden.»

Verbesserung versus Quantensprung

In der (betrieblichen) Alltagssprache wird oft jede Verbesserung im Rahmen des Bestehenden und bisher Gedachten als Innovation bezeichnet. Bei «echten» Innovationen werden Aufgaben oder Probleme jedoch ganz anders als bisher gelöst. Es wird ein sogenannter Musterwechsel vollzogen, der statt einer partiellen Verbesserung wieder einen Quantensprung ermöglicht.

Ein solcher Musterwechsel war beim Skispringen der Wechsel vom Parallelstil zum V-Stil ab 1986. Er ermöglichte es den Skispringern, viel grössere Weiten zu erzielen. Dasselbe gilt für den Wechsel vom Straddle zum Fosburyflop beim Hochspringen. Im wirtschaftlichen Kontext stellte zum Beispiel der Vertrieb von Büchern oder Schuhen via Internet einen Musterwechsel dar. Dasselbe gilt für das Fernablesen von Stromzählerdaten.

Trend versus Paradigmenwechsel

Die Basis für «echte Innovationen» sind keine (vorübergehenden) Moden und Trends. Ihre Basis sind meist Technologieschübe, die so fundamental sind, dass sich die Paradigmen wirtschaftlichen (und gesellschaftlichen) Lebens radikal ändern.

Ein solcher Paradigmenwechsel war der Siegeszug der Informationstechnologie. Er ermöglichte wiederum Folgetechnologien wie den PC, den Mobilfunk, das Internet sowie die Social Media, die heute das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben revolutionieren beziehungsweise bereits revolutioniert haben.

Was Innovation lähmt

Angst, Angst und nochmals Angst – dabei gilt es zwischen

  • psychologischen, mentalen Barrieren
  • organisationalen Hindernissen / Barrieren sowie
  • kulturellen, gesellschaftlichen Barrieren zu unterscheiden.

1. Psychologische, mentale Barrieren Angst zu versagen:

Wer Neues wagt und scheitert, wird in unserer Gesellschaft und in den Unternehmen schnell als Fantast, Pleitier oder sogar Cash Burner gebrandmarkt. Gerade das hält viele Menschen – aber auch Organisationen – davon ab, radikal Neues zu denken und mit diesen Ideen neue Wege zu beschreiten.

Angst vor Kontroll- und Effizienzverlust: Innovationsprozesse lassen sich (von oben) nicht so leicht steuern wie etablierte Geschäftsprozesse. Sie sind stets mit Unwägbarkeiten verknüpft. Hinzu kommt: Bei jedem Innovationsprozess muss auch das «Tal der Tränen» durchschritten werden. Zudem sinkt der Output zwischenzeitlich. Das veranlasst viele Personen und Organisationen, lieber das Bestehende zu optimieren, weil sie diese Prozesse beherrschen und unter Kontrolle haben.

Angst vor Macht- und Kompetenzverlust: Innovation bedeutet auch, Neuland zu betreten. Das heisst: Denk- und Verhaltensmuster müssen hinterfragt und teilweise über Bord geworfen werden. Das bedeutet auch: Denk- und Verhaltensroutinen, die Sicherheit vermitteln, werden obsolet. Und das Erfahrungswissen, auf das die alten Hasen (auch in der Unternehmensführung) stolz sind, verliert an Wert. Das macht vielen Mitarbeitenden, aber auch Führungskräften Angst.

2. Organisationale Barrieren

Organisationale Hindernisse sind Materialisierungen der genannten psychologischen Barrieren. Sie dokumentieren sich in Unternehmen z. B. in komplexen Freigabe- und Genehmigungsverfahren (Angst vor Kontrollverlust); des Weiteren in rigiden Plan- und Budgetvorgaben (Angst vor Versagen). Auch das Kompetenzgerangel, das oft in Zusammenhang mit Innovationsprozessen entsteht, ist Ausdruck einer psychologischen Barriere, nämlich der Angst vor Macht- / Einflussverlust.

Aus Angst versuchen Unternehmen Innovation oft in ähnlich starr definierte Prozesse zu giessen wie das Tagesgeschäft. Gewünscht wird sozusagen «Innovation mit Kasko-Schutz». Statt Experimente zu wagen, die die Gefahr des Scheiterns beinhalten, versuchen Unternehmen, Innovation mit Zahlen (Studien, Marktanalysen usw.) abzusichern. Das geht nur bedingt, denn Innovation bedeutet Neuland betreten. Und: Zahlen spiegeln nur die Vergangenheit wider.

3. Kulturelle, gesellschaftliche Barrieren

Eine Voraussetzung für Innovation ist eine Kultur / Denkstruktur, die ein Scheitern und Fehlversuche erlaubt. In der Organisation muss ein Geist herrschen, wie er sich in folgender Anekdote über Edison manifestiert, der fast 9000 Versuche unternahm, bis die Glühbirne marktreif war. Als ein Mitarbeiter nach dem 1000-sten Versuch zu Edison sagte «Wir sind gescheitert», erwiderte er: «Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühbirne baut.»

Mit schwerfälligen Innovationsprozessen – mit definierten Abläufen, Schnittstellen und klaren Regeln – lassen sich nur Verbesserungen erzielen. Echte Innovationen erfordern andere Managementkonzepte.

Innovator und Entrepreneur

Ein Entrepreneur, also Innovator an der Unternehmensspitze zu sein, bedeutet mehr, als ein Unternehmen zu managen und die Ressourcen effektiv zu nutzen. Es schliesst auch solche kreativen Elemente ein wie

  • das Identifizieren von (Markt-)Chancen,
  • das Finden neuer (Geschäfts-)Ideen und
  • deren Umsetzung in Form neuer Geschäftsmodelle.

Das setzt bei Entrepreneuren, die stets zugleich Innovatoren sind, gewisse persönliche Eigenschaften voraus.

Neugierig sein

Entrepreneure hinterfragen scheinbar selbstverständliche Dinge und wollen diese verstehen. Sie stellen Fragen, die andere nicht stellen – z. B.: Warum muss ein Auto ein Lenkrad haben? Warum stapeln sich in meiner Schublade die Gebrauchsanleitungen und Fernbedienungen? Muss ein Unternehmen eine Zentrale haben?

Innere Unruhe

Entrepreneure geben sich mit den bestehenden Lösungen nicht zufrieden. Sie beobachten zum Beispiel ein Phänomen wie, dass es in fast jedem Haushalt eine Bohrmaschine gibt, die maximal ein, zwei Mal pro Jahr genutzt wird. Dann fragen sie sich: Warum ist das so und kommen zum Ergebnis:

  • «Leute kaufen Bohrmaschinen, weil sie Löcher brauchen.»
  • «Sie brauchen Löcher, um etwas zu befestigen.»
  • «Löcher sind lästig. Wie könnte man Dinge anders befestigen?»

Und danach begeben sie sich auf die Suche nach neuen Problemlösungen (… um letztlich zu ganz neuen Produkten zu gelangen, die man verkaufen kann).

Imagination

Entrepreneure verfügen über die Fähigkeit, sich Dinge anders vorzustellen, als sie gerade sind. Sie sehen beim Betreten einer leeren Wohnung nicht die kahlen, kalten Räume – also die Realität. Sie sehen vor ihrem geistigen Auge vielmehr, wie die eingerichtete Wohnung künftig aussehen könnte. Sie sehen also die Möglichkeiten, Potenziale und Chancen.

Ausdauer und Beharrlichkeit

Entrepreneure zeichnen sich durch eine gewisse Starrköpfigkeit aus. Sie glauben auch noch an eine mögliche Lösung, wenn die ersten Versuche gescheitert sind und fast alle im Umfeld sagen «Das klappt nie». Zugleich bewahren sie jedoch den erforderlichen Realitätsbezug, ohne den sie Fantasten wären.

Unternehmer- statt Manager- / Verwaltergeist

Entrepreneure sind Macher und Erfinder zugleich. Das heisst, sie verfügen wie Edison über einen gesunden Pragmatismus.

Die Innovationskraft stärken

Innovation setzt neben einer bestimmten Unternehmenskultur eine zukunftsorientierte Managementkultur voraus. Das Top-Management muss es als seine Kern­aufgabe begreifen, Innovationen in der Organisation voranzutreiben, um den langfristigen Erfolg zu sichern. Deshalb sollten Unternehmensführer das operative Geschäft, soweit möglich, an die nächste Ebene abgeben, damit sie mehr Zeit für diese Unternehmeraufgabe haben.

Mit folgenden Massnahmen können Sie als Top-Manager die Innovationskraft Ihrer Organisation puschen.

Die Mitarbeiter mit der Marktrealität konfrontieren

Bringen Sie Ihre Mitarbeiter in Situationen, in denen sie erleben, was in den Märkten «abgeht» – zum Beispiel

  • in den Schwellenländern,
  • bei den Technologieführern,
  • in verwandten Branchen sowie
  • bei Unternehmen, die die Marktentwicklung verschlafen haben.

Setzen Sie (insbesondere) Ihre Führungskräfte diesen Realitäten aus, denn Menschen ruhen sich gerne auf Erfolgen aus.

Querdenker einstellen und fördern

Belohnen Sie Quer- und Vordenker – selbst wenn ihre Ideen nicht umsetz­bar sind. Ihre Mitarbeiter inklusive Führungskräfte müssen spüren: Das Suchen nach neuen Lösungen und Wegen ist von unseren Chefs erwünscht.

Den Mitarbeitern erlauben, Regel zu brechen

Regeln, Strukturen, definierte Prozesse sind kein Selbstzweck. Sie haben nur so lange einen Wert, wie sie dem Erreichen der Ziele dienen. Sie dürfen /müssen regelmässig hinterfragt werden. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern dieses Denken.

Den Mitarbeitern ein Scheitern und Fehlversuche gestatten

Loben (und belohnen) Sie Mitarbeiter, die Neues wagen und kalkulierte Risiken eingehen – selbst wenn ihre Versuche nicht erfolgreich sind. Denn wenn Ihre Mitarbeiter Angst haben «Wenn es nicht klappt, werde ich vom Chef sanktioniert», beschreiten sie keine neuen Wege.

«Kreativ-Inseln» in der Organisation schaffen

Richten Sie in Ihrer Organisation «Inseln» ein, wo sich zum Beispiel Ihre Nachwuchskräfte oder Experten aus verschiedenen Bereichen als «Unternehmer» betätigen können. Solche «Start-ups» oder «Creativ-Labs» im eigenen Unternehmen generieren oft grossartige Ideen und Businessmodelle.

Das Management zur Innovation puschen

In vielen Unternehmen wird in Meetings nur die Agenda mit den dringlichen Dingen abgearbeitet. In ihnen besteht weder Raum noch Zeit für Zukunftsfragen. Sprechen Sie in Meetings gezielt auch Fragen an wie:

  • Welche neuen (technologischen) Entwicklungen gibt es, könnte es in naher Zukunft geben?
  • Was bedeuten diese für uns?
  • Wie könnten sie weiter gehen?
  • Welche Chancen /Gefährdungen ergeben sich hieraus für uns?

Denn nur, wenn Sie Ihr Management zwingen, sich mit solchen Zukunftsfragen zu befassen und ihm signalisieren «Ich erwarte das von euch», tun dies die Macher in der Regel auch. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass sie im Alltagsgeschäft versinken und sich mit ihren Teams rein auf das Optimieren des Bestehenden beschränken – auch weil dies kurzfristig meist mehr Rendite bringt. Das heisst: Der kurz- und eventuell mittelfristige Erfolg Ihres Unternehmens ist zwar gesichert, anders sieht es aber bezüglich des langfristigen Erfolgs im Markt aus. Denn dieser verändert sich in immer kürzeren Zyklen radikal.

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