Strategie & Management

Krisenmanagement II

Wie Unternehmen durch die Corona-Krise kommen können

Ein Virus zwingt die Welt in einen Shutdown, und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Viele Unternehmen befinden sich in der Krise, Pandemie-Erfahrung hat freilich keiner. Auf was kommt es jetzt an, um zu überleben? Und an was muss heute schon für die Zeit nach Corona gedacht werden?
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Ob etabliert oder nicht – die Corona-Krise erfordert für fast alle Unternehmen ein Krisenmanagement. Und zum Krisenmanagement gehört immer ein Krisenstab. Dessen Grösse und Besetzung hängen natürlich vom Unternehmen ab und variieren stark. Wichtig ist, dass der Krisenstab mit allen Positionen beziehungsweise Fachbereichen besetzt ist, die für die Steuerung der internen und ex­ter­nen Prozesse erforderlich sind. Also alle Bereiche, die man während der Krise nicht «ruhen» lassen kann. Neben Vertretern der einzelnen Produktions- beziehungsweise Dienstleistungs-Fachbereiche sollten zum Beispiel Vertreter aus dem Personalmanagement, dem Finanzbereich, der Öffentlichkeitsarbeit, der Compliance-Abteilung, aus der IT und dem Facility Management dem Krisenstab angehören.

Die einzelnen Rollen im Krisenstab müssen sich nicht unbedingt an der «nor­malen» Hierarchie des Unternehmens orientieren. Wenn der stellvertretende Personalleiter etwa seit zehn Jahren Kommandant einer freiwilligen Feuerwehr ist, wäre es grob fahrlässig, seine Kompetenz ausserhalb seines Fachge­bietes nicht zu nutzen. Ergo sollten kla- re Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen definiert werden, die gegebenenfalls über den Handlungsspielraum im Normalbetrieb hinausgehen.

Aufgaben des Krisenstabs

Dass der Krisenstab immer mit allen Beteiligten zusammentritt, ist nicht zwingend. Äusserst wichtig ist jedoch, dass der Leiter des Stabes beziehungsweise die Geschäftsführung alle notwendigen Informationen für die zu treffenden Entscheidungen erhält. Die Dokumentation der Lage sowie der Umfang und Zeitpunkt von eingeleiteten Massnahmen spielen dabei eine grosse Rolle. Mit einem «Lagebuch» und sogenannten «Situation Charts» zur Visualisierung und Nachverfolgung kann die Situation stets vor Augen geführt werden. Zudem dient die Dokumentation dazu, im Nachhinein nachweisfähig zu sein – etwa gegenüber Behörden und Versicherungen.

Darüber hinaus sind Notfallpläne sowie Pläne fürs Business Continuity Management für die Arbeit des Krisenstabes eine grosse Erleichterung – sofern sie vor­handen, aktuell und für das Unternehmen angemessen sind. Im Laufe der Corona-Krise ist denkbar, dass Mitarbeiter verstärkt ausfallen – ebenso wie wichtige Dienstleister und Lieferanten. Dafür sollten Szenarien erarbeitet werden. Auch ist es wichtig, auszuarbeiten, was zu tun ist, wenn die Informations- und Kommunikationstechnik ausfällt. Da ein Grossteil der Mitarbeiter derzeit im Homeoffice arbeitet, muss ein Plan vorhanden sein, wie das Geschäft trotz einer solchen Si­tuation aufrechterhalten werden kann. Noch wichtiger ist die Frage, wie man danach wieder zu einem «normalen» Betrieb zurückkehren will, welche Schritte dafür erforderlich sind und welche Prioritäten und Abhängigkeiten bestehen.

Für den Krisenstab selbst sind ebenfalls bestimmte Regelungen festzulegen. Was, zum Beispiel, geschieht, wenn das Mobilfunknetz ausfällt? Neben regulären Wegen der Alarmierung und der Kommunikation innerhalb des Krisenstabes sollten Alternativen definiert werden – etwa, dass man sich in einem solchen Fall am Standort der Firma trifft.

Gut kommunizieren

Apropos Kommunikation: Eine gute Kommunikation ist nicht nur innerhalb des Krisenstabs, sondern auch nach aussen hin wichtig. Für die Unternehmen kommt es nämlich gerade in der Krise darauf an, sich als verlässlicher Partner gegenüber Kunden und Lieferanten zu präsentieren. In diesem Zusammenhang entscheidend: Wer kommuniziert wann was zu wem? Dies gilt es festzulegen, um Gerüchten möglichst vorzubeugen. Insbesondere ist die Macht der Social Media nicht zu unterschätzen. Ein regelmässiges Monitoring ist wichtig, damit eventuelle Kommentare keinen Shitstorm entfachen.

Vorrang hat für viele Unternehmen in der jetzigen Situation der Corona-Krise jedoch die interne Kommunikation. Die Aufgabe hier: sicherzustellen, dass die Mitarbeiter jederzeit angemessen über die aktuelle Situation zu Covid-19 und zur Lage des Unternehmens informiert sind. Dabei ist wichtig, stets bei der Wahrheit zu bleiben und sich auch nicht an Spekulationen zu beteiligen. Es sollten zuverlässige Quellen genutzt und regelmässig Informationen über interne Kanäle wie Unternehmensnewsletter oder Intranet veröffentlicht werden. Vor allem aber ist in Krisenzeiten die persönliche und direkte Kommunikation förderlich. So können auch Rückmeldungen und Stimmungen der Mitarbeiter aufgenommen werden. Führungskräfte sollten bezüglich der Kommunikation mit ihren Mitarbeitern ausreichend geschult oder zumindest gebrieft werden. Denn eine grosse Rolle spielt, dass sie ihren Mitarbeitern Raum für Fragen geben und auch deren Sorgen und Ängste ernst nehmen. Bezüglich des weiteren Workflows macht es indes Sinn, dass sie sich Anregungen und Vorschläge von den Mitarbeitern holen, wie bestimmte Aufgaben in der Krise bewältigt werden können. Um die Schwarmintelligenz des Unternehmens zu nutzen, ist es beispielsweise möglich, eine Art Ideen-Markt einzurichten. So kann dem Verlauf der Krise mit einem Fluss an Ideen gegengesteuert werden.

Homeoffice-Situation beachten

Nicht vernachlässigt werden dürfen die Mitarbeiter, die im Homeoffice arbeiten – und diese machen in vielen Firmen einen Grossteil der Belegschaft aus. Auch sie sollten Zugriff auf die Informationen haben. Newsletter und kurze tägliche Rundschreiben sind gut geeignet, um die Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten. Doch damit ist es nicht getan: Von grösster Bedeutung ist es, die Gesundheit und Resilienz der Mitarbeiter im Homeoffice im Auge zu behalten: Die Isolation schlägt so manchem Mitarbeiter aufs Gemüt. Hinzu kommen Ängste und Sorgen in der jetzigen Zeit der Corona-Krise, die viele umtreiben. 

Mitunter wirkt sich dies negativ auf Konzentration und Leistung einzelner Mit­arbeiter aus, in manchen Fällen führt die angespannte Situation auch zu Depres­sionen und Arbeitsausfällen. Ergo tun die Unternehmen gut daran, bestehende Ängste angesichts der derzeitigen Situation von den Mitarbeitern zu nehmen. Wer keine externe Mitarbeiterberatung anbietet, sollte zumindest angstbesetzte Themen in internen Medien thematisieren und mit Links zu psychosozialen Beratungsstellen weiterhelfen. 

Ebenfalls zu thematisieren: das Selbstmanagement im Homeoffice. Die meisten Menschen brauchen eine Struktur – etwa die allmorgendliche Fahrt ins Büro, die Mittagszeit in der Kantine mit Kollegen etc. All diese Dinge fallen beim Home­office weg – können aber teilweise auch ein Stück weit aufgefangen werden. So könnten sich Kollegen zum virtuellen Morgen-Kaffee verabreden – um Ideen auszutauschen oder einfach nur um rumzualbern. Für viele Mitarbeiter ist dieses Ritual des Gesprächs am Morgen im Büro verankert, warum sollten sie jetzt darauf verzichten? Wer hier Impulse und die nötigen Frei­heiten schafft, wird auf jeden Fall für eine gesteigerte Motivation sorgen.

Ferner gilt es, den Mitarbeitern über die internen Medien mit Tipps, Ideen und Impulsen zur Seite zu stehen: Empfehlungen für ein gutes Selbstmanagement wären unter anderem, sich Routinen zu schaffen, regelmässig Pausen zu machen und sich zu bewegen. Vor allem: sich morgens so anzuziehen, als wenn man ins Büro fahren würde. Ebenso ist eine Abend­routine hilfreich – etwa, den Rechner herunterfahren und dann erst einmal eine Runde um den Block gehen.

Die richtige Ausstattung 

Das beste Selbstmanagement nützt den Mitarbeitern im Homeoffice freilich nichts, wenn die Technik nicht stimmt. Optimal ist, wenn man seine Mitarbeiter mit firmeneigenen Rechnern, Laptops und Smartphones ausstattet. Das ist freilich nicht jedem Unternehmen für alle Homeoffice-Mitarbeiter möglich. Müssen die Mitarbeiter auf ihren eigenen PC be­ziehungsweise Laptop zurückgreifen, ist zu bedenken, dass die Heimnetzwerke oft nicht so gut abgesichert sind wie Firmennetzwerke. Dann ist sicherzustellen, dass die Hardware im Homeoffice gut geschützt ist: Verschlüsselungen der Laptops und Smartphones der Mitarbeiter müs­-sen sein. Wenn möglich sollten zudem Mechanismen eingerichtet werden, um Mobilgeräte auch aus der Ferne sperren und löschen zu können. Der Zugang zum Firmennetzwerk muss gut abgesichert sein. VPN, also der Aufbau eines virtuellen privaten Netzwerks, und wenn möglich Zwei-Faktor-Authentifizierung sind da beispielsweise Mittel der Wahl. Sowohl für Hardware als auch für Software gilt aus­serdem: Auch wenn ein Tool ein paar Euro teurer ist, wenn es ohne grossen Aufwand gehandhabt und verwaltet werden kann, und wenn es vor allem als sicher gilt, ist das Geld in der Regel gut angelegt. 

Informationssicherheit

Noch wichtiger, als gute Tools zu haben, ist, diese richtig und frühzeitig zu steuern. Heisst: Es reicht nicht, den Mitarbeitern Chats, Videokonferenzsysteme und Möglichkeiten zum Teilen von Dokumenten zur Verfügung zu stellen. Sie brauchen auch Anleitungen für den Umgang mit diesen Tools. Für viele ist die Arbeit von zu Hause ungewohnt und neu – und Neues macht unsicher. Doch eines ist wiederum sicher: Werden sie weitgehend alleine gelassen mit der Technik, werden die Menschen sich Lösungen suchen – etwa in nicht vom Unternehmen genehmigten Chatgruppen auf Smartphones. Solche Schatten-IT-Konstrukte einzu­fangen, wird dann eine schwierige Aufgabe – und womöglich ein Informationssicherheitsvorfall – sein. In Sachen In­formationssicherheit ist ausserdem zu wissen: Cyberkriminelle sind jetzt besonders aktiv, Cyberangriffe nehmen deutlich zu. Daher sollten Unternehmer dringend an ihre Mitarbeiter appellieren, jetzt doppelt wachsam zu sein, und auf verbindliche IT-Sicherheitsregelungen verweisen. 

Survive and Prosper

Ein wichtiger Aspekt, den ich bereits erwähnte, der jedoch häufig in den Planungen zum Krisenmanagement nicht ausreichend bedacht wird, ist die Frage: Wie kommen wir zurück in den «Normalbetrieb»? Gerade in dieser Krise scheint das jedoch ganz besonders wichtig zu sein. 

Denn sicher ist: «Normal» wird anders sein. Sterben ist daher – im metaphorischen Sinn – doch eine Option. Nur so kann auch Neues entstehen. Das können kürzere, nachhaltigere Lieferketten sein oder auf Widerstandsfähigkeit ausgerichtete Geschäftsmodelle. Vielleicht sind wir nach Corona auch näher dran am Verbraucher und trotzdem global eingebunden. Eventuell vernetzen wir digitales und analoges Leben noch enger.

Es kommt jetzt unter anderem darauf an, Verschwendungen an jeder Stelle des Wertschöpfungsprozesses zu eliminieren, zu überlegen, welche Tätigkeiten und Produkte aussortiert werden können. Wer vorher nicht agil gearbeitet hat, sollte spätestens jetzt damit anfangen. Denn nur dynamische, anpassungsfähige Unternehmen sind in der Lage, neue Stabilitätszustände zu erreichen. 

Auch Vernetzung ist wichtig und macht widerstandsfähig. Jetzt ist die Zeit dazu! Vielleicht ergeben sich plötzlich ganz neue Partnerschaften und daraus sogar neue Geschäftsideen. Auch Lieferketten sollten neu gedacht werden. Das Motto dabei: Global denken, aber lokal beschaffen, wo es möglich ist. Zu klären ist zudem, wo es mehrere Lieferanten braucht, um nicht in die Single-Sourcing-Falle zu geraten. Dieses Engagement im Sinne einer neuen Ausrichtung ist das, was ich unter Survive and Prosper verstehe: Überlebensfähig sein und einen neuen Gleichgewichtszustand erreichen.

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