Strategie & Management

Zielgruppen

Wie Ü35-Führungskräfte ihren Nachwuchs entwickeln

Die Generationen Y und Z, oder auch Generation Young, ticken deutlich anders als die noch vor dem Jahr 1981 Geborenen. Der Beitrag beschreibt die Stärken und Schwächen dieser Zielgruppen und skizziert, wie Führungskräfte am besten darauf eingehen.
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Generation Y und Z – das klingt nach Buchstabensalat und fremdartigen Wesen. Die jungen Menschen haben heute andere Werte, Bedürfnisse und Forderungen an ihren Job und ihre Vorgesetzten. Kein Wunder, dass sie auf viele Ältere wie Aliens wirken. Doch das sind sie nicht. Sie sind lediglich von einer völlig anderen Umwelt geprägt als die aktuellen Führungskräfte.

Gleichzeitig bringt die Generation Young vor allem eins mit: unverzichtbare Ressourcen für jedes Unternehmen, das die disruptiven Zeiten überleben will. Um das Potenzial der Generation Young zu heben, müssen Babyboomer-Chefs sie allerdings zuerst verstehen. Deshalb hier ein Überblick zum Wesen und Umgang mit den Y/Z-Säulen der Arbeitswelt von morgen.

Die Generation Y

Zur Generation Y, den Digital Natives, zählen alle Jahrgänge, die zwischen 1981 bis circa 1997 auf die Welt kamen. Diese Millennials kennen die digitalen Medien seit ihrer Jugend, heiraten aktuell, bekommen Kinder und machen Karriere. Y heissen sie, weil Ypsilon im Englischen wie «Why» ausgesprochen wird – und weil sie alles hinterfragen. Ausserdem sind sie es gewohnt, immer und überall mitzubestimmen. Ein typisches Gespräch in der Kindheit eines Gen Ylers könnte wie folgt verlaufen sein: «Du magst nicht wandern gehen? Gut, dann fahren wir in den Sommer­ferien wieder ans Meer.» Sie standen immer im Zentrum der Aufmerksamkeit und ihre Eltern wussten sie zu fördern und zu bejubeln: «Ach super! Der kleine Liebling hat ja aufgegessen.» Reiten, Ballett, Klavierunterricht – die Option auf Selbstverwirklichung wurde dieser Generation quasi in die Wiege gelegt.

Die Generation Z

Ganz nach ihrem Motto «YOLO» (You only live once) strebt die Gen Z (1998 bis 2018) nach Freizeit, Freiraum und Spass. In der Welt der Smartphones und Tablets sind sie zu Hause. Inzwischen haben die ersten angefangen zu studieren, machen eine Ausbildung oder schnuppern in einem Nebenjob zum ersten Mal Arbeitsluft. Auch sie standen ständig im Mittelpunkt. Ihre Eltern haben sie miteinbezogen, motiviert, gelobt und ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Das merkt man. Sie äussern ihre Meinung sowie Kritik freiheraus. Dass Feedback jedoch auch negativ sein kann, ist ihnen neu und kommt meist nicht gut an. Kein Wunder: Heute sind Eltern cool und beste Freunde. Und Kumpanen erziehen auf Augenhöhe. Auch Lehrer scheuen sich oft, das Verhalten der Zler zu korrigieren, denn sonst stehen am nächsten Tag verärgerte Helikoptereltern auf der Matte.

Die Unterschiede

Doch was wollen Gen Y und Z? Ihre Forderungen stimmen im Wesentlichen mit den gesellschaftlichen Entwicklungen überein. Fünfsternehotel für 300 Franken die Woche, schlank ohne Mühe, alles wollen, und zwar jetzt – willkommen in der Wohlstandsgesellschaft. Hier ist prinzipiell alles möglich, auch scheinbar gegensätzliche Forderungen. Kein Wunder, dass sich diese Ambivalenz auch in den beruflichen Wünschen ausdrückt: pünktlich Feierabend machen, Zeit für Freunde, Bestätigung und maximale Freiheit. Work-Life-Balance eben. On top kommt der Wunsch, Sinn im Beruf und der Ausbildung zu finden, auch bei Studiengängen wie BWL. Insgesamt ist die Gen Z noch
anspruchsvoller als ihre Vorgänger. Die Millennials streben dafür stärker nach Selbstverwirklichung im Job und sind durchaus bereit, überdurchschnittliche Leistung zu bringen. Vorausgesetzt, sie erkennen Sinn in einer Aufgabe. Die Gen Z hingegen ist weniger karriere- und leistungsorientiert. Sie suchen zwar auch nach Sinn, lehnen Überstunden und Work-Life-Blending aber viel vehementer ab. 

Während die Millennials fragen: «Wie verwirkliche ich mich selbst?», lautet die zentrale Frage der Gen Z: «Wo finde ich Sicherheit und Stabilität?» Und so liegt die Arbeit im öffentlichen Dienst plötzlich wieder voll im Trend. Was früher die Bank war, sind heute Polizei, Finanzamt oder der Zoll. Was Vernünftiges eben. Doch jetzt wird’s tricky: Der Traumjob soll nicht nur sicher, sondern auch top bezahlt sein. Schliesslich steht die Gehaltsfrage bei Gen Zlern verglichen zu Gen Ylern weiter oben auf der Prioritätenliste.

Eine Gemeinsamkeit beider Generationen ist, dass ihre Forderungen mit etablierten Unternehmensstrukturen und Regeln zusammenprallen. Mit seiner Feed­backsucht oder seinem Wunsch nach flachen Hier­archien treibt so mancher Youngster den Führungskräften 35+ die Schweissperlen auf die Stirn. Verständlich. Hier kollidieren Wertewelten.

Erkenntnisse für die Führung 

Vorbildfunktion schaffen

Junge Generationen haben die Qual der Wahl: Studium oder lieber Ausbildung? Auch bei der Arbeitsplatzwahl haben sie mehr Möglichkeiten – Fachkräftemangel sei Dank. Wo der Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt wird, fällt der Jobwechsel leicht. Chefs, die das wissen, können Massnahmen ergreifen, um junge Mitarbeiter zu binden und langfristig zu begeistern. Eine davon ist Anleitung und Orientierung. Denn eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten macht orientierungslos. Und auch wenn junge Kollegen nach aussen hin vor Selbstbewusstsein strotzen, sieht es innen oft anders aus: Da toben Unsicherheit und Überforderung auf einer Spielwiese der Ängste. Kein Wunder: Junge Menschen purzeln meist erst Mitte bis Ende 20 auf den Arbeitsmarkt. Dabei fallen sie tief aus einem hohen Turm, gemauert aus grossen Erwartungen an sich selbst und Illusionen über die Arbeitswelt. Hier sind Chefs gefordert, die Gen Young aufzufangen. Sonst nimmt diese gern den nächsten Exit. Das beginnt schon beim Bewerbungsgespräch. Wer hier das Blaue vom Himmel erzählt, statt zu skizzieren, was potenzielle Mitarbeiter erwartet und was von ihnen gefordert wird, der bekommt die Quittung der enttäuschten Hoffnungen. Und die heisst Kündigung. 

Chefs aber, die der Gen Young Struktur und klare Ziele geben und sie in ihren übertriebenen Erwartungen an sich und die Arbeit bremsen, können zum Vorbild für sie werden. Etwas, das diese durchaus brauchen. 

Alternative Motivation herstellen

Die Methode «Rein ins kalte Wasser» funktioniert heute nicht mehr. Statt junge Generationen zu motivieren, fühlen sie sich überfordert. Gen Y und Z sind verschulte Systeme gewöhnt – mit klaren Handlungsanweisungen. Führungskräfte sind daher gut damit beraten, wenn sie ihre jungen Mitarbeiter stattdessen klug fördern und fordern. Das spornt die Jungen an und entfacht bei so manchem plötzlichen Feuereifer. 

Höchste Vorsicht ist bei Sätzen wie «Mir ist langweilig» oder «Was macht daran Spass?» geboten. Ohne Bezug können sich Chefs schnell von den spassorientierten, jungen Kollegen verabschieden. Deshalb sollten Führungskräfte lieber für regel­mässige Abwechslung sorgen. Motivation durch Status oder Geld klappt hingegen nicht. Urlaubsgeld oder Firmen­wagen zahlen weniger auf das junge Motivationskonto ein. Grund dafür: Viele mate­rielle Wünsche sind bereits erfüllt. Sei es durch die Einliegerwohnung im Haus der Eltern oder den alten VW Golf von Papa. Zeit für eine neue Form des Motivations-Boost: Work-Life-Balance. Erfahrungsgemäss mo­tivieren flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, die Option eines Sabbatjahres oder Teilzeitmodelle wie Sechs-Stunden-Tage die Jugend viel stärker.

Zielgruppengerecht kommunizieren

Ein mächtiges Schmiermittel, um junge Menschen zu motivieren, heisst Kommunikation. Wertschätzung treibt die Gen Young zu Höchstleistungen an. Deshalb sollten Chefs Erfolge nicht stillschweigend zur Kenntnis nehmen, sondern lieber durch Lob anerkennen. Generell ist regelmässiges Feedback wichtig. Am besten mehrmals pro Woche kurze und einmal im Monat intensive Gespräche führen. Die Jugend ist feedbacksüchtig. Verständlich, ihre Eltern haben sie für jedes Wasserfarbenbild bejubelt. Facebook-Daumen und Instagram-Herzchen taten ihr Übriges. Doch Vorsicht: Kritische Rückmeldung kennen die jungen Jahrgänge nicht. Plötzlich fällt ihre schwächer ausgeprägte Resilienz auf. Führungskräfte über 35 Jahren wissen, dass nicht jedes Projekt ein Erfolg wird. Die Jungen aber nicht.

Oft ist auch das Thema Respekt eine Herausforderung. Die Mitglieder von Gen Y und Gen Z respektieren Chefs nicht mehr automatisch oder glauben alles, was sie sagen, nur weil sie älter sind. Deshalb sind Eins-zu-eins-Gespräche nötig. Anweisungen à la «Bitte den Stapel Kontakte in die Datenbank einpflegen» wecken selten die Leidenschaft der Gen Young. Daher ist es oft nötig, den Sinn eines Arbeitsauftrags zu verdeutlichen, indem Führungskräfte eine Aufgabe in den grösseren Kontext stellen und erklären, inwiefern ein Youngster damit zum Gesamterfolg beiträgt. Gelingt das Sinn-Schaffen, können Chefs den Eifer ihrer jungen Kollegen ernten.

Die Selbstverwirklichung

Stichwort Selbstverwirklichung – das hat vor allem für die Gen Y Priorität. Entwicklungsmöglichkeiten wie Fortbildungen zu schaffen, ist ein kluger Schachzug und motiviert die jungen Leute ungemein. Ausserdem sehnen sich junge Kollegen nach Möglichkeiten, neue Erfahrungen zu sammeln. Wie wär’s mit neuen Aufgaben? Der Trend geht sowieso weg von klassischen Führungskarrieren. Mehr-Arbeit für die Karriere? Das passt nicht mehr zum Wertesystem der Youngsters. Stattdessen wünschen sie sich Vertriebs-, Fach- oder Projektkarrieren. Wenn Unternehmen dann noch den leichten Wechsel zwischen den Abteilungen ermöglichen, haben sie eine Chance, junge Menschen länger zu binden. Ständig sich über die Jugend zu beschweren, bringt nichts. Dass verschiedene Generationen andere Werte vertreten, ist normal. Und da schon heute bis zu drei Generationen in einem Betrieb arbeiten, lernen wir besser jetzt, miteinander zu arbeiten. Schliesslich bringt die Gen Young auch frischen Wind, innovative Ideen und ein umfassendes digitales Verständnis mit. Chefs, die sich all dessen bewusst sind, kennen nur eine Richtung: vorwärts. Sie gehen mutig voran und werden zu Vorbildern für und Brückenbauern zwischen Jung und Alt.

Porträt