Strategie & Management

Digitalisierung

Wie reif Schweizer Unternehmen für die Digitalisierung sind

Die Mehrheit der Schweizer Führungskräfte ist sich der Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt, bewusst. Gemäss einer Studie hat der Reifegrad der Digitalisierung insgesamt zwar zugenommen, doch haben die Unternehmen das Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
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Wir leben in einer digitalen Welt, in der die Konsumenten Könige sind und Produkte und Dienstleistungen jederzeit und überall gefunden, bewertet, diskutiert und gekauft werden können. Die ständige technologische Weiterentwicklung treibt den Konsumenten dazu, seinen Hunger nach einer erhöhten digitalen Erfahrung zu stillen. Diese Erfahrung und die Bequemlichkeit, welche digitale Dienstleistungen wie Uber und Airbnb offerieren, werden vermehrt von Konsumenten als Benchmark gesetzt und als Standard für neue Dienstleistungen vorausgesetzt.

Digitalisierung ohne Grenzen

Nun sind wir alle Konsumenten und Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Und somit bringen wir dieses Verlangen in die Arbeitswelt mit und erwarten, dass sich alle Unternehmen der Digital Innovation stellen. Die Grenze zwischen Arbeit und Privatem wird immer mehr verschwinden. Aus diesem Grund müssen sich Unternehmen, ob sie wollen oder nicht, ob sie gross oder klein sind, mit der digitalen Transformation und den Auswirkungen auseinandersetzen. Sie müssen neue Wege einschlagen, um Konsumenten und Arbeitnehmer zu befriedigen, oder als Konsequenz den Verlust von Marktanteilen oder sogar ihren Untergang hinnehmen.

Früher galten Akteure mit günstigeren Angeboten als grösstes Risiko für traditionelle Unternehmen. Heute werden etablierte Unternehmen von eben gegründeten Marktteilnehmern mit neuartigen digitalen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen zunehmend verdrängt. Eine grosse Mehrheit der Führungskräfte ist sich der Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, bewusst und nahezu jedes Unternehmen setzt auf Digitalisierung. Allerdings besteht auch ein Bewusstsein, dass die grössten technologischen Innovationen sich heute nicht über die Tools selbst definieren, sondern darüber, wie gut sie für den einzelnen Menschen gemacht sind. Denn die Technologie soll sich dem Menschen anpassen und nicht der Mensch der Technologie.

Der Digital Index Switzerland

Die Accenture-Studie «Digital Index Switzerland 2017», die den jährlichen Reifegrad der Digitalisierung von 100 Schweizer Unternehmen misst, hat gezeigt, dass die Mehrheit der Unternehmen ihre Innovationsprozesse und somit auch die Monetarisierung digitaler Produkte und Dienstleistungen gegenüber dem Vorjahr verbessern konnte. Diese Unternehmen wurden in drei digitale Profile mit unterschiedlichen Charakteristiken eingestuft: Digital Followers, Digital Maintainers und Digital Trendsetters.

Unternehmen, die bereits ihren digitalen Weg begonnen haben, aber noch nicht vollständig bereit für eine Transformation sind, werden als Digital Followers bezeichnet. Sie haben angefangen, ihre Standardprodukte und -dienstleistungen über digitale Plattformen zu verkaufen. Digital Maintainers wiederum sind Unternehmen, die sich auf die digitale Monetarisierung fokussieren, aber noch keine kontinuierliche Innovations-Pipeline besitzen. Zum dritten Profil, den Digital Trendsetters, gehören Unternehmen, die sich auf digitalgestützte Innovation fokussieren und die Fähigkeit haben, neue Trends, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Gemäss der Top-500-Studie von Accenture sind die heutigen Trendsetter in den letzten Jahren am schnellsten gewachsen. Um diese Zahlen weiter zu verbessern, müssen Unternehmen hinsichtlich der Digitalisierung mutiger werden.

Innovation als treibender Motor

Die Unternehmen in der Schweiz sind unterschiedlich stark digitalisiert. International tätige Grossunternehmen und Konzerne sind meist am weitesten, es gibt aber immer noch viel Potenzial. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (54 %), die 2016 als Digital Followers eingestuft wurden, haben sich mittlerweile zum nächst- höheren Profil, den Digital Maintainers, hochgearbeitet. Allerdings verbleiben 43 Prozent der Digital Followers in ihrer Kategorie. Und fast die Hälfte der Unternehmen (48 %), welche 2016 als digitale Trendsetter eingestuft wurden, musste zu Digital Maintainers zurückgestuft werden. Die Tatsache, dass sich einige Unternehmen in der Schweiz seit 2016 nicht weiterentwickelt haben, deutet auf ein grosses Entwicklungspotenzial hinsichtlich Digitalisierung hin.

Unternehmen können den Reifegrad der Digitalisierung aktiv beeinflussen, indem sie die Mechanismen der digitalen Innovation und digitalen Asset-Monetarisierung besser verstehen lernen. Digitale Innovation basiert auf der Fähigkeit der Unternehmen, kontinuierlich innovative Lösungen für ihre Kunden zu entwickeln. Dies ist wiederum vom Einsatz neuer Technologien und von einer kundenorientierten Service-Design-Philosophie (wie etwa Design Thinking) abhängig. Generell haben die Fortschritte der Innovationsprozesse zu einem höheren digitalen Index und einer entsprechenden Segmentierung geführt. Die DNA der digitalen Reife von Unternehmen ist nun in allen Branchen sichtbar. Wesentliche Einflussfaktoren sind insbesondere ein hohes Engagement der Unternehmensführung sowie eine organisatorische Ausrichtung mit starkem Fokus auf die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen. Unternehmen, ob gross oder klein, müssen deshalb ihre Organisationsstruktur anpassen, um sich für digitale Trends besser zu rüsten.

Eine Chance für Gross und Klein

Ausgangspunkt für Unternehmer ist es, zu erkennen, wie sich ihre Branche zum Thema Digitalisierung positioniert, und die Gründe dafür zu verstehen. Als Nächstes muss die Geschwindigkeit evaluiert werden, in welcher die Industrie jeweils auf neue Digital Trends reagiert. Die Unternehmen müssen bereit sein, sich ständig neu zu erfinden und im technologischen Wandel relevant zu bleiben. Hierzu müssen sie den Kern des Unternehmens verwandeln. Die Kostenstruktur kann durch die Implementierung von Budgetierungskonzepten wie «Zero-Based Budgeting» und Technologien wie softwarebasierte Roboter (Bots), welche die Prozesse automatisieren, reduziert und die Agilität erhöht werden. Durch die Kosteneinsparungen können neue Investitionen in inkrementelles Wachstum des Kerngeschäfts (zum Beispiel digitales Marketing und Analytik für neue Einblicke und verbesserte Web- / mobile Interaktionen) getätigt werden, um neue Nachfrage zu generieren.

Als Nächstes kann dann in neue digitale Produkte und Dienstleistungen, welche komplementär zum Kerngeschäft sind, investiert werden. Die Grundlage hierfür bildet der Aufbau einer Innovationsarchitektur wie zum Beispiel ein Innovationszentrum, ein Labor oder neue Kooperationen mit Universitäten oder Start-ups, welche die Innovation des Unternehmens zusätzlich befruchten soll. Hierdurch werden ständig neue Ideen generiert, welche rasch evaluiert und agil getestet werden können. Nach und nach kann das Unternehmen nun das Kerngeschäft ins digitale Geschäft transformieren. In den kommenden Jahren werden es viele weitere Unternehmen schaffen, neue digitale Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Aber die wirklichen Leader werden diejenigen Unternehmen sein, welche den Mut aufbringen, neue Industrien und Standards zu schaffen.