Strategie & Management

Leadership und Globalisierung

Wie Führung über Distanzen gelingt

Je intensiver Unternehmer internationalisieren, desto komplexer gestaltet sich auch die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern. Worauf es bei der Führung von Teams an verschiedenen Standorten ankommt, zeigt dieser Beitrag.
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In dem Masse wie die internationale Zusammenarbeit zunimmt, verändern sich Kommunikation und Entscheidungsfindung. Denn vieles muss über Distanz besprochen und abgestimmt werden, während der persönliche Kontakt zwischen Kollegen und Geschäftspartnern weniger wird. Geschäftsreisen werden immer öfter eingespart, stattdessen gibt es virtuelle Treffen – auch zwischen Vorgesetzten und ihren Teams, die über mehrere Standorte verteilt sind.

Das heisst im Alltag: morgens schnell ein Chat mit dem Kollegen in Shanghai, bevor dieser Feierabend macht. Am Nachmittag die Videokonferenz, wenn die Geschäftspartner in den USA ins Büro kommen. Und zwischendurch telefoniert der Teamleiter mit seinen Mitarbeitern an den europäischen Standorten, um sie für die virtuelle Konferenz zu briefen.

Struktur und Standards

Eine solche Konstellation macht die Führung einerseits aufwendiger, andererseits bietet sie auch Chancen, die in homogenen Präsenzteams nicht denkbar sind. Diese gilt es zu erkennen und zu nutzen, um sich als Führungskraft in solchen komplexen Strukturen der Globalisierung zu behaupten. Das gilt insbesondere in den nachstehenden Bereichen.

In internationalen Unternehmen arbeiten die Abtei­lungen und Bereiche oftmals weltweit zu­sammen, so sind in Technologieunternehmen oft die Entwicklungsaufgaben über verschiedene Länder verteilt. Manche dieser Standorte haben die Tendenz, zu wachsen und möglichst viele Themen und Verantwortung an sich zu ziehen. Dadurch entsteht nicht selten ein Dschungel aus Macht und Wissen, und es braucht eine Instanz, die Struktur und Standards überwacht sowie die einzelnen Entwicklungen und Schnittstellen koordiniert. Da die führende Technolo-gie dabei gerne im Headquarter behalten wird, kommt ihm eine Sonderrolle zu. Dessen Manager sind in der Pflicht, die verschiedenen Interessen im Blick zu behalten, das gesamte Managementteam aller Standorte zu führen sowie sinnvolle, wirtschaftliche Entscheidungen für alle Bereiche zu finden.

Eine zweite Sonderrolle spielt das mittlere Management: Die Führungskräfte auf den mittleren Ebenen haben das Fachwissen, um die Aktivitäten der Standorte zu überblicken. Gleichzeitig sollten sie unabhängig vom Standort oder einzelnen Themen Entscheidungsvorlagen für das Top-Management erstellen und so den Weg für eine einheitliche und effiziente R & D-Landschaft bereiten, mit optimaler Kosteneinsparung und Arbeitsplatzsicherung. Das Gleiche gilt in den anderen Funktionen wie zum Beispiel in der Produktion, der Arbeitsvorbereitung, der Projektierung oder beim Service.

Und die Querschnittsfunktionen, beispielsweise   beim Controlling oder im Personalwesen, beim Einkauf oder der Auftragsbearbeitung? Gerade hier helfen die verbindlichen Standards, um die internationale Zusammenarbeit der Standorte zu erleichtern. Denn diese Funktionen haben meist eine lange und regionale Historie, weswegen sie unabhängig gearbeitet und lokale Besonderheiten ausgebildet haben. Umso schwerer fällt es ihnen in der Regel, die einheitlichen Qualitätskriterien einzuhalten.

Virtuelle Teams

Führungskräfte in geografisch verteilten Teams können es sich leichter machen, indem sie bereits bei der Auswahl auf bestimmte Kompetenzen bei ihren Mitarbeitern achten: eigenständig arbeiten und trotzdem Prozesse einhalten, über Distanz zuverlässig kommunizieren und die Fähigkeit, aus dem eigenen Handeln zu lernen, das sind Erfolgsfaktoren in einem virtuellen Team.

In den häufigeren Fällen ist die Personalauswahl aber nicht mehr zu beeinflussen, die Teams stehen fest. Dann hilft es dem Vorgesetzten, sich zunächst ein klares Bild von den Stärken und Schwächen seiner Mitarbeiter zu verschaffen und sie bei der persönlichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Wichtig ist das insbesondere bei den Fähigkeiten, die für den Erfolg entscheidend sind: zum Beispiel Dokumente strukturiert und verständlich formulieren, Kommunikation in virtuellen Konferenzen.

Kritisch ist die Motivation im virtuellen Team. Da der persönliche Kontakt im Alltag fehlt, fallen die vielen kleinen, aber wichtigen Rückmeldungen weg: das beiläufige Lob zwischen Tür und Angel, der anerkennende Blick im Meeting, das kurze Gespräch in der Kantine. Deshalb ist es noch wichtiger, Zwischenergebnisse zu kommentieren, zum Beispiel im Chat. Mitarbeiter mit grösseren Arbeitspaketen werden am besten regelmässig nach dem Stand gefragt und danach, ob sie Unterstützung brauchen. Ein besonderes Gespür ist vor allem für diejenigen notwendig, die länger nichts von sich hören lassen. Es empfiehlt sich, sie ganz gezielt auf ihre Projekte anzusprechen.

Daneben ist es förderlich, die Zugehörigkeit zum Team erlebbar zu machen, und zwar durch Kontakt der Mitarbeiter untereinander: «Marc, Maria, ich möchte euch miteinander bekannt machen, weil ihr am gleichen Thema arbeitet …» Gemeinsame Erfolge lassen sich auch virtuell feiern: in der Videokonferenz mit einem Glas Sekt, das an jedem Standort dafür vorrätig sein sollte. Und im Intranet wird einerseits der Fortschritt der Themen immer aktuell und gut sichtbar mit allen bereits erreichten Meilensteinen dargestellt sowie auch eine Plattform für persönliche Informationen der Kollegen geboten, für zum Beispiel Fotos aus dem Arbeitskontext oder sogar privaten Informationen wie Hobbys etc. All dies macht die Menschen hinter den E-Mail-Adressen greifbar.

Wissenstransfer

Wie gelingt ein angemessener Transfer von sensiblem Know-how zwischen so unterschiedlichen Standorten wie der Entwicklungszentrale im Headquarter in der Schweiz und auf der anderen Seite ehrgeizigen Standorten in aufstrebenden Ländern wie China oder Indien? Es ist unausweichlich, Wissen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig auch, es vor Missbrauch zu schützen. Häufig wird die Entwicklung an andere Standorte verlegt, um den Fachkräftemangel auszugleichen oder niedrigere Personalkosten im Ausland zu nutzen, manchmal auch einfach, um für lokale Kunden vor Ort zu produzieren. Fast immer schwingt auf der Know-how-Geberseite die Befürchtung mit, Macht und auf lange Sicht den Arbeitsplatz einzubüssen. Dem wirken Führungskräfte mit einem offenen Gespräch über realistische Perspektiven entgegen, und indem sie aufzeigen, wo die Vernetzung zwischen den Standorten allen Beteiligten nützt.

Einem weltweit aktiven Technologieunternehmen ist ein gesunder Wissens­transfer geglückt. In der Slowakei wurde ein neues Entwicklungsteam aufgebaut, mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren waren sie die jüngsten in der Organisation. Die Kollegen in der Schweiz und in Deutschland waren im Schnitt fast 50 Jahre alt. Sie wurden oftmals von den jüngeren Kollegen im neuen Team um Hilfe gebeten und nach allem möglichen Fachwissen gefragt. Davon fühlten sie sich schnell gestört, sie antworteten nur zögerlich auf die Anfragen. Auf beiden Seiten machte sich Unmut breit. Erst als die übergeordnete Führungskraft einen Team-Workshop organisierte und sich die Beteiligten persönlich kennenlernten, brachten sie Verständnis für ihre Kollegen auf. Die jüngeren Slowaken verstanden nun, warum die erfahrenen Kollegen nicht immer sofort reagieren konnten. Die älteren konnten nachvollziehen, warum die jungen Kollegen so wissbegierig waren und auch so schnell an Informationen kommen wollten. Und sie sahen ein, dass auch die jungen Ingenieure sehr interessante und hilfreiche Ideen und Methoden von der Universität mitbrachten. So profitierten alle.

Virtuelle Meetings

Sprachbarrieren, Zeitunterschiede, kein direkter Kontakt: virtuelle Meetings in Form von Video- oder Telefonkonferenzen sind schwieriger zu führen als persönliche Treffen. Voraussetzung ist daher die Technik. Nichts stört mehr als knackende Leitungen oder eingefrorene Bilder, wenn die Verständigung bei den unterschiedlichen Akzenten ohnehin schon höchste Konzentration erfordert. Um die Verständigung zu erleichtern, wird «bad English» als Konferenzsprache gewählt: ein simples Englisch (beziehungsweise eine andere Lingua Franca wie «mal español»). Muttersprachler wie die Briten oder die US-Amerikaner werden im Sprechtempo gebremst. So lässt sich die Sprachbarriere für Teilnehmer mit geringen Sprachkenntnissen so niedrig wie möglich ansetzen. Einzelne Teilnehmer können auch in ihrer Muttersprache sprechen, wenn ein Kollege übersetzt.

Profis in virtuellen Konferenzen schaffen sich ein Team von «local Angels», speziell eingeweihte Führungskräfte an den einzelnen Standorten. Diese wiederum bereiten die Schlüsselpersonen an ihrem Standort auf die Themen der Konferenz vor und debriefen auch im Anschluss, so dass es keine Überraschungen gibt und die wichtigen Punkte deutlich werden. Der local Angel klärt auch, ob die Teil­nehmer die getroffenen Entscheidungen wirklich mittragen. Sichtbare Ergebnisse führen ebenfalls zum besseren Verständnis: über Desktop Sharing während und als Protokoll nach der Besprechung.

Ein weiterer Trick: der Konferenzleiter beobachtet die Teilnehmer und fragt im Einzelchat nach, ob die besprochenen Punkte klar geworden sind. So kann er einzelne Kollegen mit geringen Sprachkenntnissen immer wieder zurück ins Thema holen.

Per Chat können sich Teams auch mit Kollegen über Argumente und Beiträge abstimmen und gemeinsam festlegen, wer welchen Wortbeitrag einbringt. Einzelne Mitarbeitende werden für gute Beiträge und ihre aktive Beteiligung gelobt, direkt während der Besprechung oder danach. Die passiveren Teilnehmer werden ebenfalls im Nachhinein angesprochen und gefragt, ob sie alle ihre Argumente vorbringen konnten.

Fazit

International und virtuell – auch wenn die Führung solcher Teams über verschiedene Standorte immer mehr Aufwand bedeutet und grössere Fallstricke verbirgt, letztlich ist der Grundmechanismus von Führung immer derselbe. Denn immer geht es um den Kontakt zwischen Menschen. Und der erfordert deutlich mehr Einsatz über Entfernungen und Landesgrenzen hinweg.

Porträt