Strategie & Management

Due Diligence

Wie der Wert eines Unternehmens zu ermitteln ist

Welchen Wert hat ein Unternehmen, und welcher Preis ist hierfür angemessen? Beim Beantworten dieser Frage sind sowohl die Verkäufer als auch die Käufer bei geplanten Unternehmenstransaktionen oftmals unsicher – unter anderem, weil diese beiden Grössen vom jeweils aktuellen Marktumfeld beeinflusst werden.
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Bei jeder M & A-Transaktion – also beim Kauf und Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen – ist der Preis und Wert der Anteile der zentrale Faktor. Preis und Wert korrespondieren in vielen Fällen jedoch nicht, und bei 50 Prozent aller Unternehmenstransaktionen werden die vom Käufer oder Verkäufer antizipierten Werte nicht erreicht. Die Ursache hierfür liegt nicht zwingend in falschen Unternehmensbewertungen oder mangelnden Verhandlungserfolgen, sondern

  • auf der Käuferseite oft in schlecht geplanten oder durchgeführten Prozessen zum Beispiel bei der Wertgenerierung (also beispielsweise bei der Post Merger Integration) und
  • auf der Verkäuferseite im Unvermö­gen, einen kompetitiven Prozess zu generieren oder passende Investoren an den Tisch zu bringen.

Herzstück jeder Transaktion

Trotzdem ist und bleibt das korrekte Ermitteln des Wertes der Unternehmung das Herzstück jeder Transaktion, in der Firmen oder Firmenteile den Besitzer wechseln. Dabei gilt jedoch: Den einen korrekten Unternehmenswert gibt es nicht. Firmenwerte sind stets subjektive Wertspannen. Das heisst, sie sind abhängig von den Ansichten des Verkäufers und den strategischen oder synergistischen Erwartungen eines potenziellen Käufers, und diese werden stets auch vom aktuellen Marktumfeld geprägt.

Die Ansichten der Käufer und Verkäu­fer können sich zudem im Verlauf des Transaktionsprozesses ändern. So weichen zum Beispiel die Wertvorstellungen vor Beginn der Due-Diligence-Prüfung (der Abschnitt des Verkaufsprozesses, in dem die Details und Dokumente akribisch durchforstet werden, Interviews mit dem Management stattfinden und die Räumlichkeiten oder gegebenenfalls Produktionsanlagen besichtigt werden) häufig stark vom finalen Angebot nach deren Durchführung ab.

Bewertungsverfahren

Worin sind nun aber die Unterschiede der Bewertungen begründet und wie ermittelt man diese Werte?

1. Vergleichswert-Verfahren: Wertschätzung mit Multiples

Einfach und schnell kann man den Wert seines Unternehmens mittels sogenannter Multiples schätzen. Diese Methode ist jedoch sehr fehleranfällig, denn sie arbeitet mit Mittelwerten.

Die Frage, ob der Wert des jeweiligen Unternehmens, dem des in einer Stichprobe erhobenen (Vergleichs-)Unternehmen nahekommt, ob es aufgrund seines Geschäftsbetriebs (weniger) werthaltiger als der Durchschnitt ist, bleibt hierbei offen. Dennoch geben Multiple-Verfahren eine gute erste Indikation über den ungefähren Wert.

Ermittelt werden bei sogenannten Deal Multiples die Verkaufspreise in Relation zum Umsatz, dem Ebit (Earnings Before Interest and Taxes) oder dem Ebitda (Earnings Before Interest, Taxes and Depriciation and Amortization). Investoren sprechen daher zum Beispiel von einem Unternehmenswert von zweimal Umsatz oder achtmal Ebit.

Oft sind Unternehmer der Meinung, ihr über viele Jahre aufgebautes Geschäft sei viel mehr wert. Letztendlich gilt bei einem Verkaufsprozess jedoch stets: Ein Unternehmen ist nur so viel wert, wie ein unabhängiger Dritter dafür bereit ist zu bezahlen. Die Kunst ist folglich, den unabhängigen Dritten zu finden, der einen überdurchschnittlich hohen Preis bezahlen kann, weil er mit dem Kauf grössere Synergien als ein Mitbewerber freisetzen kann oder eine strategische Lücke schlies­sen möchte. Dies schafft ein guter M & A-Berater, indem er sich viel Zeit nimmt für die spezifische Suche nach genau den Investoren, die an dem Unternehmen ein spezifisches Interesse haben und hohe Multiples zu zahlen bereit sind.

Deal Multiples: Marktpreise in speziellen Sektoren.

Deal Multiples entsprechen aktuellen Marktpreisen für gehandelte Unternehmen in spezifischen Sektoren, denn wichtig ist die Vergleichbarkeit. So werden aktuell (Stand von Oktober 2017) Unternehmen mit unter 50 Millionen Euro Umsatz in der Bauindustrie beziehungsweise im Handwerk mit circa fünfmal Ebit gehandelt; Pharmaunternehmen hingegen der gleichen Grös­senordnung gehen im Schnitt zu achtmal Ebit über den Tisch.

Alle grösseren und kleineren M & A-Transaktionen werden in Datenbanken erfasst und von Finanzdienstleistern wie Mergermarket oder Reuters zum Kauf angeboten. Man findet jedoch auch frei zugängliche Angaben im Internet oder kann bei M & A-Beratern aktuelle Bewertungen erfragen. Börsen-Multiples für grosse, notierte Unternehmen können stark von denen für kleine (Small Caps) und mit­telgrosse (Mid Caps) Unternehmen abweichen. Sie sollten nicht als Referenzwerte für kleinere Transaktionen herangezogen werden. Dies weil bei den kleinen Unternehmen die Geschäftsrisiken – auch aufgrund einer geringeren Transparenz – höher bewertet werden. Ein weiteres Manko sind fehlende Skaleneffekte.

Wenn Sie nun also den Wert Ihres Unternehmens schätzen möchten, nehmen Sie den um Sondereffekte bereinigten durchschnittlichen Umsatz der letzten drei Jahre beziehungsweise den Durchschnitt des Ebits der letzten drei Jahre und multiplizieren Sie diesen mit den jeweiligen aktuellen Deal Multiples für Umsatz beziehungsweise Ebit. Dann liegt Ihr geschätzter Unternehmenswert innerhalb dieser sich ergebenden Preisspannen.

Bewertung mittels Trading Multiples.

Die Deal Multiples gehören zu den vergleichswertorientierten Bewertungsverfahren – im M & A-Jargon «Comps» (von Englisch: Comparable Analysis) genannt. Ebenfalls zu dieser Kategorie zählen die sogenannten Trading Multiples. Hierfür werden öffentliche Finanzkennzahlen von möglichst ähnlichen börsennotierten Unternehmen im selben Sektor und mit möglichst ähnlicher Finanzstruktur verglichen, um den Mittelwert einer Bezugsgrösse zu bestimmen. Mit diesem Mittelwert, zum Beispiel der Ebit-Marge, kann man dann aufgrund des Börsenwertes (der Multiplikator entspricht dann dem Unternehmenswert an der Börse dividiert durch die Bezugsgrösse) Rückschlüsse auf den Wert einer nichtbörsen-notierten Gesellschaft ziehen. Werden an der Börse beispielsweise Textil-Unternehmen mit einem durchschnittlichen Ebit Multiple von achtmal gehandelt, dann kann man diese Zahl auch für die Bewertung eines grossen, nichtbörsennotierten Textil-Unternehmens heranziehen, das verkauft werden soll.

Wenn diese Annäherungen aufgrund von Marktwerten nicht ausreichen sollten, kann der Wert des Unternehmens auch über andere Bewertungsverfahren ermittelt werden.

2. Einzelwert-Verfahren: Bewertung des vorhandenen Vermögens

Die Einzelwertverfahren beispielsweise gehen von der Auflösung eines Unternehmens aus (Liquidationswert) und bewerten alle vorhandenen Vermögensgegenstände. Sie beantworten die Frage: Was bekomme ich in der Summe für die einzelnen «Assets» des Inventars (zum Beispiel für die gebrauchten Maschinen, für die Grundstücke, die Gebäude und so weiter) meines Unternehmens, wenn ich diese veräussere?

Darüber hinaus können auch Marken oder Kundenlisten verkauft werden und dazugezählt werden. Bei dieser Betrachtung sind davon allerdings die jeweiligen Ablösungsbeträge für vorhandene Verbindlichkeiten sowie die Liquidations-
kosten abzuziehen. Eine solche Berechnung ist einfach nachvollziehbar und kann selbst gemacht werden, weil man realistische Verkaufswerte für das Inventar ermitteln kann.

Oft werden beim Einzelwertverfahren Liquidationsbetrachtungen gemacht, um entscheiden zu können, ob der oder die Eigner das Gesamtunternehmen zu einem gebotenen Preis verkaufen sollten oder sogar einen höheren Gewinn erzielen könnten, wenn sie das Unternehmen selbst zerschlagen.

Wiederbeschaffungsrechnung als Entscheidungshilfe.

Auch Wiederbeschaffungsrechnungen (zum Beispiel das Errichten einer Produktionsanlage auf der grünen Wiese) werden oft zu Vergleichszwecken und als Entscheidungshilfe bei «Make or Buy»-Investitionen herangezogen. Oft hinken diese Vergleiche jedoch, da gewisse «Gegenstände» nur schwer monetär zu schätzen sind – so zum Beispiel das Erreichen der behördlichen Genehmigungen, die Dauer der Er- und Einrichtung der Produktion oder immaterielle Vermögensgegenstände. Daher sollten solche Berechnungen eher für das Ermitteln von Preisgrenzen angewandt werden als zum Ermitteln von Unternehmenswerten.

Wesentlich wichtiger sind in der Praxis der Bewertung die Gesamtwertverfahren und hier insbesondere das DCF-Verfahren. Für einen Grossteil aller Unternehmenskäufe und -verkäufe dürfte die DCF-Bewertung die geeignetste Methode sein, um eine detaillierte Annäherung für die Preis- beziehungsweise die Wertspanne zu berechnen.

3. Gesamtwert-Verfahren: DCF berücksichtigt künftigen Cash-Flow

DCF steht für Discounted Cash-Flow, also für die künftigen Zahlungsströme (Free Cash-Flows), die anhand spezifisch ermittelter, gewichteter Kapitalkosten abgezinst (diskontiert) werden. Der Free Cash-Flow entspricht den freien Zahlungsströmen des Unternehmens, der allen Kapitalgebern zusteht. Um den dem Anteilseigner zustehenden Unternehmenswert zu berechnen, werden hiervon die Finanzverbindlichkeiten abgezogen.

Für das Modellieren der DCF wird ein Business-Plan entwickelt – es werden also für eine Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren die Umsätze und Kosten geplant und die jährlichen Ergebnisse (Ebit) ermittelt. Für die Cash-Flows werden schliesslich vom Ebit die Unternehmenssteuern, Investitionen in Sachanlagen (Capex), Erhöhungen des Umlaufvermögens (Working Capital) abgezogen sowie die Abschreibungen und Minderungen des Umlaufvermögens hinzuaddiert.

Auch für die Periode nach der Planung (also zum Beispiel zehn Jahre) wird ein Wert bestimmt, denn man geht bei DCF-Verfahren von einer Unternehmensfortführung aus. Der Fortführungswert (Terminal-Value) macht oft einen hohen Anteil des ermittelten Gesamtwertes aus: Über 50 Prozent sind keine Seltenheit.

Den Terminal Value, Fortführungswert, ermitteln.

Es gibt mehrere Methoden, den Terminal Value zu bestimmen. Zum Beispiel über die sogenannten Exit Multiples (Ebit oder Ebitda Multiples bei Annahme eines Verkaufs des Unternehmens nach der Planungsperiode, siehe den Abschnitt Deal Multiples) oder über eine konstante Wachstumsformel. Letztlich werden die Cash-Flows und der Terminal Value mit dem ermittelten Diskontierungssatz – den durchschnittlichen, gewichteten Kapitalkosten, auch WACC (Weighted Average Cost of Capital) genannt – auf den aktuellen Bewertungsstichtag abgezinst.

Die Modellierung von umfassenden DCFs kann sehr komplex werden (und eine detaillierte Ausführung würde den Rahmen eines Artikels sprengen). Deshalb solle man sich an DCF-Berechnungen nicht mal so eben selbst versuchen: Entweder man hat die nötigen Vorkenntnisse und ausreichend Erfahrung oder man lässt die DCFs von einem Spezialisten erstellen. Er wird zuerst das Bewertungsobjekt abgrenzen, die Vergangenheit und aktuelle Lage analysieren sowie die Entwicklung des Unternehmens und des Marktumfeldes prognostizieren, um schliesslich die Cash-Flows zu entwickeln und mittels der geschätzten Faktoren (z. B. des WACC) eine Wertspanne ermitteln. DCF-Berechnungen liegen Annahmen zugrunde; und deshalb sind Erfahrung, Objektivität sowie Kenntnis nicht nur des M & A-Marktes für eine valide Bewertungsermittlung unerlässlich.

Ertragswertverfahren: primär in Deutschland üblich.

Auch das Ertragswertverfahren berücksichtigt künftige Zahlungsströme bzw. den Barwert der künftig den Investoren zufliessenden Auszahlungen (Überschüsse, die beim Fortführen des Unternehmens und beim Veräussern des nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden).

Hierbei wird für die Modellierung angenommen: Das Unternehmen durchläuft keine strategischen Änderungen und eine Vollausschüttung findet statt. Das Ertragswertverfahren basiert auf einem Standard des Institutes der Wirtschaftsprüfer (IDW) und findet heute noch immer bei Verschmelzungen Anwendung anhand der von Wirtschaftsprüfern angefertigten Prüfberichte. Es wird primär in Deutschland angewandt; im internationalen Umfeld wird die DCF-Analyse bevorzugt. Gemäss einer Erhebung im Jahr 2012 werden in Deutschland und Österreich knapp 40 Prozent aller Bewertungen mittels DCF-Analyse durchgeführt, gefolgt von circa 30 Prozent mit dem Ertragswertverfahren und circa 14 Prozent Vergleichswertverfahren. Der Rest entfällt auf Mischverfahren und Substanzwertverfahren.

Mehrere Verfahren nutzen

In der M&A-Praxis haben sich weitgehend das DCF-Verfahren und Multiple-Bewertungen durchgesetzt. Idealerweise kommt bei einer Unternehmenstransaktion jedoch nicht nur ein Bewertungsverfahren zur Anwendung. Es macht Sinn, sich dem objektiven Wert mittels Wertspannen, die aus unterschiedlichen Bewertungsmethoden gewonnen wurden, anzunähern. Im Investment-Banking üblich ist daher auch der Einsatz eines sogenannten Football-Fields (in Anlehnung an die Yards-Linien des American Football-Spielfelds), das die verschiedenen Wertspannen zeigt.

Fazit

Um Ihr Unternehmen zu bewerten, können Sie eine erste, eigene Wertschätzung mittels Markt-Multiplikatoren vornehmen. Diese finden Sie im Internet und in kommerziellen Datenbanken; Sie können auch die Unternehmenswertrechner auf den Webseiten mancher M & A-Berater und Finanzmagazine hierfür nutzen. Um jedoch auch die Besonderheiten Ihres Unternehmens in die Bewertung einfliessen zu lassen, sind eine gründliche Geschäftsplanung und das Anwenden des DCF-Modells nötig. Hierbei ist die Unterstützung von Experten ratsam.

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