Alternativen ausbauen
Anders sieht es aus, wenn man nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen und der Evaluation verschiedener Alternativen auf zusätzliche Ideen stösst, die den eigenen Horizont in Sachen Möglichkeiten und Interessen vergrössern. Im Fall der genannten Firma hatte dies zur Folge, dass nicht nur die Kundennähe, sondern die Bindung der Kunden als wichtig erachtet wurde. Die entwickelten Alternativen zeigten neue Wege auf, wie Begegnungen mit ihren Kunden künftig stattfinden könnten. Prestige und Tradition rückten in den Hintergrund, Kulturelles, Events, Tagungen und kreatives Begegnen in den Vordergrund. Eine Dynamik kam auf, die vor diesem Prozess nicht denkbar gewesen wäre. Der Mietvertrag am ursprünglichen Traumstandort kam zustande, aber in einer anderen, ergänzenden und für alle Parteien attraktiveren Form. In der an den Büros angebauten Liegenschaft befand sich eine Galerie, deren Eigentümer mit dem Gedanken spielte, aufgrund des mangelnden Kundeninteresses seine Ambition, Kunst auszustellen und verkaufen zu können, aufzugeben.
Heute sind Büros und die ehemalige Galerie zusammengeschlossen. Der Vermieter war bereit, bei der Miete Konzessionen einzugehen, und konnte dafür einen langjähren Streit über ein Wegerecht mit dem Nachbarn (Galeristen) beilegen. Für die längst überfällige Fassadenrenovation konnte eine gesamtheitliche Lösung gefunden werden, die das Erscheinungsbild und den Wert der Liegenschaft positiv beeinflussen wird. Die Firma profitiert dank ihrer Verhandlungsposition sowie der Vermittlerrolle von einer günstigeren Miete und übernimmt gewisse Kosten der ehemaligen Galerie und kann sie im Gegenzug für Tagungen, Events und Kreativanlässe nutzen. Die Firma ist heute nicht nur näher bei ihren Kunden, sondern hat ihr Image modernisiert und die Kundenbindung gefestigt. Die Galerie ist zwar keine Galerie mehr im klassischen Sinne, Kunst wird aber immer noch ausgestellt und verkauft. Die gemeinsame Nutzung und die übergreifenden Rahmenbedingungen haben sich auch für den «ehemaligen» Galeristen gelohnt.
Alternativen müssen entwickelt werden, sie liegen in der Regel nicht im Detail ausgearbeitet auf der Strasse. Eine solide, auch wirklich realisierbare Alternative ist mehr als nur eine Fallback-Strategie. Sie liefert neue Sichtweisen, Optionen und Chancen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Verhandlungen haben können. Beim Erforschen der Interessen geht es nicht darum, das Offensichtliche aufzulisten, sondern die tiefer liegenden Motivationen und Interessen zu verstehen, also, wieso man etwas möchte.
Das Ganze auch aus der Sicht der Gegenpartei zu sehen, bietet ebenfalls interessante und wichtige Hinweise. Sich in die Schuhe der anderen Partei zu stellen, generiert Empathie und kann die eigene, subjektive Sicht der Dinge in ein anderes Licht rücken. Die durch Marktabklärungen, Kundengespräche, Online-Research oder Brainstorming-Prozesse gewonnenen Informationen stärken nicht nur die eigene Verhandlungsposition, bei Verhandlungen mit Kunden oder Partnern lassen sich dadurch auch Markttendenzen rascher und klarer erkennen.
Die Alternativen und Interessen sind die Zaubermittel der Vorbereitung. Hierfür braucht man aber nicht auf den nächsten Standortwechsel oder eine strategische Verhandlung mit einem Kunden zu warten, sie lassen sich ebenso erfolgreich bei Mitarbeitergesprächen oder dem Aushandeln neuer Liefertermine einsetzen.