Ganz gleich, in welcher Branche ein Unternehmen tätig ist: Um Erfolg zu haben, muss es das Verhalten von (potenziellen) Kunden beeinflussen können. Zwei Beispiele: Statt dass Kunden das Angebot eines Unternehmens ignorieren (Verhalten A), sollen sie es überzeugend finden (Verhalten B). Oder: Statt dass Kunden nur einmal bei einem Unternehmen einkaufen (Verhalten A), sollen sie es immer wieder tun (Verhalten B).
Kundenverhalten beeinflussen
Doch wie verändern Firmen das Verhalten von Kunden? Wie beeinflussen sie Kaufentscheidungen zu ihren Gunsten? Wer Antworten auf diese Fragen sucht, findet sie in den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics), eines Teilbereichs der Wirtschaftswissenschaften, der schon zwei Nobelpreisträger hervorgebracht hat: Daniel Kahneman (2002) und Richard Thaler (2017).
Die Verhaltensökonomie untersucht, wie Menschen Entscheidungen treffen. Damit liegt die Businessrelevanz der Verhaltensökonomie auf der Hand. Denn ein Unternehmen überlebt nur, wenn sich genug Menschen für seine Produkte und Dienstleistungen entscheiden.
Welche Faktoren beeinflussen das Kundenverhalten – auch unbewusst? Wie entscheiden Kunden in einer bestimmten Produkt- oder Dienstleistungskategorie? Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Verhaltensökonomen, die in vielen angelsächsischen Unternehmen schon seit Jahren fest zum Team gehören – vom einfachen Behavioral Scientist bis zum Chief Behavioral Officer.
Die «Pain of Paying»
Insbesondere im Silicon Valley ist ein Unternehmen ohne verhaltensökonomische Abteilung undenkbar. So setzt zum Beispiel Uber konsequent auf «Behavioral Insights». Und das erfolgreich. Zur Erinnerung: Vor Uber war das gewöhnliche Taxi die perfekte Lösung für ein dringendes Problem: Wie komme ich schnell, bequem und sicher von A nach B? Seit Uber ist das gewöhnliche Taxi nicht mehr die Lösung für dieses Problem, sondern selbst das Problem. Nehmen wir nur einmal den Taxameter. Die Tatsache, dass der Zähler ständig steigt, lässt uns das erfahren, was Verhaltensökonomen «Pain of Paying» nennen. Tatsächlich zeigen Brain-Scans, dass die Schmerzzentren in unserem Hirn aktiviert werden, wenn wir ans Geldausgeben denken müssen.
Die Verhaltensökonomen in den sogenannten «Uber Labs» haben diesen «Schmerzpunkt» erkannt. Und dafür gesorgt, dass die App von vornherein klarmacht, wie teuer die Fahrt werden wird. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Taxis lässt uns Uber auch nicht im Unklaren, wann der Fahrer kommt, ob er überhaupt kommt und wie lang die Fahrt dauern wird.
Verhaltensanalysen
Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomen beruhen dabei auf einer Vielzahl von Methoden – von akademischen über quantitative bis qualitative. So durchforsten sie zum Beispiel die einschlägige verhaltensökonomische Fachliteratur, analysieren Daten, sprechen ausführlich mit Kunden und Nichtkunden, setzen eigens entwickelte Workshop-Formate ein et cetera.
Die grundlegende Prämisse der Verhaltensökonomie ist dabei immer gleich: Jedes menschliche Verhalten ist das Produkt von förderndem Druck (Gründe, etwas zu tun) und hemmendem Druck (Gründe, etwas nicht zu tun).
Zu Beginn jeder erfolgreichen verhaltensökonomischen Intervention steht darum ein sogenannter «Behavioral Audit». Dieser zeigt sämtliche Faktoren auf, die das Kundenverhalten beeinflussen – ob positiv oder negativ.
Ein Beispiel: Eine amerikanische FastFood-Kette wollte den Verkauf von Milkshakes erhöhen. Zunächst kamen die bewährten Marketingmassnahmen zum Zug: neue Geschmacksrichtungen, tiefere Preise, Werbung. Doch der Absatz stagnierte weiterhin.
Also engagierte das Unternehmen ein Team von Verhaltensökonomen. Diese fanden heraus, dass die meisten Milkshakes von Berufstätigen gekauft werden, die mit dem Auto zur Arbeit fahren. Dabei konnten die Verhaltensökonomen folgende «Aufgaben» identifizieren, welche die Milkshakes aus Sicht der Berufspendler erfüllen mussten:
- Die Milkshakes sollten als flüssiges Frühstück dienen.
- Die Milkshakes sollten die Berufspendler während der langweiligen Autofahrt «unterhalten».
Nachdem die Verhaltensökonomen diese «Aufgaben» der Milkshakes erkannt hatten, empfahlen sie der Fast-Food-Kette, den Shakes mehr Frucht- und andere feste Bestandteile hinzuzufügen, damit sie möglichst gut als flüssiges Frühstück dienten. Eine weitere Empfehlung war es, die Öffnung der Trinkhalme zu verkleinern, denn so sorgten die Milkshakes während der langweiligen Autofahrt länger für «Unterhaltung». Der Effekt dieser Massnahmen: Die Verkaufszahlen der Shakes erhöhten sich markant.