Strategie & Management

Lean Management

Wettbewerbsvorsprung durch effiziente Produkt- und Prozessgestaltung

Lean Management kann Unternehmen dabei unterstützen, Produkte und Dienstleistungen schneller und kostengünstiger auf den Markt zu bringen und den Kundennutzen zu erhöhen. Wie KMU eine lernende Lean-Organisation werden und die dafür erforderliche Kultur im Unternehmen etablieren, skizziert dieser Beitrag.
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Das unternehmerische Umfeld des 21. Jahrhunderts ist durch einen ununterbrochenen Wandel geprägt. Aufgrund der exponentiellen Dynamik der Märkte, der zunehmenden Globalisierung, Verkürzung der Produktlebens- und Technologiezyklen sowie der Entwicklung komplexerer Produkte gelingt es heutzutage nur wenigen Unternehmen, sich mittels innovativer Produkte und effizienter Prozesse von der Konkurrenz abzugrenzen (Cooper 2002). Viele Produkte scheitern am Markt, sind zu teuer oder kommen zu spät. Die Prozessoptimierung, die darauf zielt, die Effizienz bestehender Geschäfts-, Produktions- und Entwicklungsprozesse sowie den Einsatz der hierfür benötigten Ressourcen kontinuierlich zu er­höhen, ist heute unverzichtbarer Bestandteil jeder modernen Betriebsführung.

Werte ohne Verschwendung

So dient das Lean Management als eine permanente, konsequente und integrierte Anwendung mehrerer Methoden, Prinzipien und Massnahmen zur effektiven und effizienten Planung, Gestaltung und Kontrolle der Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Ziel dabei ist es, Verschwendungen zu vermeiden und somit eine schlanke Betriebsführung umzusetzen (Pfeiffer/Weiss 1994). Sowohl in der unternehmerischen Praxis als auch in der wissenschaftlichen Forschung besteht ein grosses interdisziplinäres Interesse, herauszufinden, welche Vorgehensweisen und Methoden den Grundsatz «Werte ohne Verschwendung schaffen» bestimmen. Lassen sich Unternehmensprozesse nach den Lean-Prinzipien ausrichten, so kann Verschwendung vermieden, zugleich Flexibilität erreicht und damit der wirtschaftliche Erfolg nachhaltig gesichert werden. Die Anwendung der Lean-Prinzipien erlaubt der Unternehmung, ihre Produkte und Prozesse erfolgreicher und profitabler zu gestalten, um in Zukunft den Wettbewerbern den entscheidenden Schritt voraus zu sein. Der Schlüssel zum Erfolg ist nicht die einmalige Einführung eines Lean-Konzeptes, sondern die Integration der drei Subsysteme Prozesse, Menschen und Methoden. Nur durch Interaktionen innerhalb und zwischen diesen Subsystemen wird ein direkter Einfluss auf die Zielerreichung jeder Organisation ermöglicht. Anhand von «Best Practices» aus führenden Unternehmen können KMU die eigene Position in punkto Lean Management analysieren und ggf. Massnahmen ergreifen. Auf diese Weise können KMU feststellen, ob sie bereits im Sinne der Lean-Prinzipien handeln, bewusst oder unbewusst.

Auf dem Weg zur Spitze

Der PDCA-Zyklus besteht aus den Phasen Plan-Do-Check-Act und stellt die Stufen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses dar (siehe Abbildung 1). Jede Aktivität wird dabei als ein Prozess betrachtet. Das Ergebnis jedes Prozesses muss sowohl durch geeignete Kennzahlen messbar sein als dann auch tatsächlich gemessen werden. Dabei geht es nicht primär darum, eine bestimmte Anzahl von Kennzahlen und Kennzahlensysteme zu benutzen, sondern die jeweils zweckmässigen Kennzahlen auszuwählen und zu interpretieren. Ziele müssen zuerst nach Inhalt, Zeit und Umfang eindeutig festgelegt werden. Danach müssen die Rahmenbedingungen fixiert werden: Was soll sich verändern? Was soll gleich bleiben?

Der Weg zur Erreichung eines Zielzustandes enthält Hindernisse und wird als Grauzone bezeichnet (Rother 2009). Da der Weg zum Ziel nicht präzise vorhergesagt werden kann, sollten KMU diese Hindernisse schrittweise bewältigen, indem sie Wissen durch Experimentieren erwerben. Jeder Schritt auf dem Weg zum Zielzustand stellt einen eigenen PDCA-Kreis dar. Die Summe aller Zyklen repräsentiert das Lernen, die Verbesserung und die Adaption. Dabei können die Zyklen in die folgenden Teilzyklen unterteilt werden:

  • Plan (Planen): Analyse des aktuellen Zustandes; Identifikation der im Prozessablauf auftretenden Schwächen; Erkennen von Verbesserungspotenzialen; Entwicklung
    eines neuen Konzeptes.
  • Do (Ausführen): Ausführung der geplanten Verbesserungen zunächst auf Test-Ebene (z.B. auf provisorischen Vorrichtungen), ohne den Prozess selbst auf diese Weise zu beeinträchtigen.
  • Check (Überprüfen): Sorgfältige Überprüfung, ob die durchgeführten Massnahmen tatsächlich zur Verbesserung des Prozesses führen; bei Erfolg diese als Standard freigeben.
  • Act (Verbessern): Breite Einführung des neuen Standards; regelmässige Überprüfung.

Bei der Anwendung des PDCA-Zyklus können KMU mit Hilfe der folgenden fünf Punkte eine Routine etablieren, um die Verbesserungskata besser zu erlernen:

  • Was ist der Zielzustand des Prozesses? (= Herausforderung)
  • Wie ist der jetzige Zustand des Prozesses?
  • Welche Hindernisse erschweren zurzeit die Erreichung des Zielzustandes?
  • Welches Hindernis ist als nächstes zu nehmen? Was ist der nächste Schritt? (Start des PDCA-Zyklus)
  • Wann sind die Lerneffekte aus dem letzten Schritt sichtbar?

Zur kontinuierlichen Verbesserung gehört auch die aktive Suche nach Soll-Ist-Abweichungen. Die aktive Suche nach Abweichungen sollte nicht mit der Verfassung von Standardreports verwechselt werden. Die Ver­fassung von Standardreports lenkt die Mitarbeiter von der tatsächlichen aktiven Suche nach Abweichungen ab. Standardreports werden meistens mit dem Status «fertig» vermerkt, obwohl die Ursache der Abweichungen noch nicht vollständig analysiert worden ist. Viel wichtiger als ein freigegebener Standardreport ist es, wenn die Mitarbeiter, die die Ursachen für die Abweichungen gefunden haben, die restlichen Mitarbeiter und die Organisation von den neuen Standards überzeugen können. Hierfür bietet Lean Management Werkzeuge wie die Methode des 5-Mal-Warum-Fragen, Ishikawa- oder Fischgräten-Diagramme, die in Unternehmen zur Ursachenfindung von Problemen herangezogen werden (siehe Abbildung 2).

Alle Mitarbeiter befähigen

Heutzutage sind schlanke Unternehmen in allen Unternehmensbereichen, von der Produktentwicklung über Einkauf und Materiallogistik bis hin zur Fertigung, von der Verbreitung des Lean-Gedankens geprägt. Lean Management bedeutet also nicht nur, schneller und effizienter zu arbeiten, sondern auch das Richtige zu tun. Deshalb legt Lean Management einen besonderen Wert auf die Befähigung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies erfolgt mittels Coachings sowie Mentor-Mentee-Programmen (Rother 2009). In der Praxis tritt häufig das sogenannte Zuständigkeitsproblem auf: Wer ist für die Prozessverbesserung zuständig? Um diesem entgegenzuwirken, hat sich die Coaching Kata zum Ziel gesetzt, allen Beteiligten die Verbesserungskata beizubringen und diese in der Organisation zu verankern. Somit ist es die zentrale Aufgabe von Führungskräften, die Entwicklung der Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter stetig zu fördern und hochzuhalten. Das verlangt von den Führungskräften ein neues Rollenverständnis, denn neben Vorgesetzten sind sie zugleich auch Coaches und Mentoren. Das Entwickeln der Fähigkeiten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findet nicht im Bereich Human Resources, sondern im Arbeitsumfeld statt. Hier können KMU ihre Flexibilitätsvorteile ausnutzen, in dem z.B. Mitarbeiter der Produktion nicht nur Teile herstellen, sondern auch Probleme analysieren.

Das Mentor-Mentee-Programm charakterisiert sich dadurch, dass jeder Mitarbeiter einen Mentor erhält und von ihm gecoacht wird. Es besteht aus drei grundsätzlichen Elementen: Erstens, der Mentee bekommt keine konkreten Anweisungen vom Mentor, sondern lediglich Orientierungshinweise. Daran kann der Mentor erkennen, wie der Mentee denkt und vor allem welche zusätzlichen Informationen er dem Mentee als Nächstes geben soll (taktische Massnahme). Die Vorschläge des Mentees werden im Laufe der Zeit konkreter. Durch die sukzessive Verbesserung der Vorschläge lernt er die notwendige Routine und das innewohnende Denken der Coaching Kata. Zweitens, durch die Überlagerung der Verantwortung wird eine Bindung zwischen Mentor und Mentee geschaffen. Der Mentee ist für das Tun verantwortlich, während der Mentor für die Ergebnisse Verantwortung trägt. Drittens, Mentees lernen nicht nur durch Learning by doing, sondern auch durch kleine Fehler. Der Mentor lässt den Mentee kleine Fehlschritte machen, solange diese keine direkten Auswirkungen auf Kunden verursachen. Durch dieses Mentoren-Mentee-Konzept können KMU sowohl Top-down- als auch Bottom-up-Ansätze miteinander verbinden (siehe Abbildung 3).

Kundenorientierung

Falls Kundenwünsche in den späten Phasen der Produktentwicklung eintreffen, müssen diese schnell in die Produktentwicklung miteinfliessen und nicht jahrelang unbeachtet liegen bleiben, bis die nächste Produktgeneration entworfen wird. Lean Management plädiert für Evolution statt Revolution: Liegt ein besonderer Kundenwunsch vor, so könnte dieser im Laufe der Zeit kontinuierlich eingeführt werden. Bei einer solchen «Schritt für Schritt»- Einführung kann die Qualität erheblich erhöht werden. Für die frühzeitige gezielte Einbeziehung der Kunden in die Produktentwicklung eignet sich der Lead User Ansatz von Eric von Hippel. Dabei wird davon ausgegangen, dass Kunden mit besonderen Fähigkeiten zukünftige Marktentwicklungen besser ermitteln können als die klassische Marktforschung. Dadurch können besondere Kundenbedürfnisse sowie innovative Lösungen identifiziert werden, die den Markttrends voraus sind. Demzufolge haben Unternehmen bei der Einbindung von Lead Usern den Vorteil, ihre Prozesse schneller und kundenorientierter als die Konkurrenz anzupassen.

Fazit

Lean Management erlaubt KMU, die Entwicklungszeit von Produkten und Dienstleistungen zu verkürzen, sie schneller und kostengünstiger auf den Markt zu bringen, den Kundennutzen zu erhöhen und dabei die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern. Um eine lernende Lean-Organisation zu werden, müssen KMU Lean Management und die dazu erforderliche Kultur zuerst in ihren Unternehmen etablieren. Dabei sollten Führungskräfte von KMU die Verbesserungs- und Problemlösungskompetenzen sowie die Motivation ihrer Mitarbeitenden stetig fördern. Ausserdem sollten KMU darauf verzichten, fremde Lean-Konzepte zu kopieren und ihren eigenen Weg finden. Wie bei jeder Betrachtung einer erfolgreichen Praxis muss das Umdenken in den Köpfen sowohl der Mitarbeiter als auch der Führungspersonen gewährleistet werden; ohne dies ist Lean Management von vornherein zum Scheitern verurteilt.