Strategie & Management

Globale Nachhaltigkeit

Welche Ziele die Agenda 2030 verfolgt

Die Globalen Nachhaltigkeitsziele der Uno-2030-Agenda sollen die Welt gerechter und friedlicher machen. Ende September wurde diese verabschiedet. Worum es konkret geht und wie sich die Schweizer Sicht darstellt, zeigt dieser Beitrag.
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Am 2. August 2015 haben sich die 193 Mitgliedstaaten der UNO auf die 2030-Agen­da für nachhaltige Entwicklung, vorher Post-2015 Agenda genannt, geeinigt. Anlässlich eines Gipfeltreffens vom 25. bis 27. September 2015 in New York wurde die neue Agenda von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet. Es wurden sogenannte «Sustainable Development Goals», kurz SDG genannt, festgesetzt, die man bis 2030 erreichen will (siehe Seiten 3 und 4).

Die Schweizer Position wurde im Juni 2014 vom Bundesrat gutgeheissen und bildete die Grundlage für das Verhandlungsmandat für die Schweizer Delegation anlässlich der zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Agenda 2030. Als referendumspflichtig wird die Vereinbarung deshalb nicht betrachtet, weil den einzelnen Ländern keine Rechtssetzung vorgeschrieben wird.

Ein altes Prinzip

Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde 1713 formuliert von Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen). Auch andere Förster haben sich später mit der Idee befasst, zum Beispiel Georg Ludwig Hartig. Sein Nachhaltigkeitsbegriff entsprach etwa dem heutigen Verständnis: «Jede weise Forstdirection muss daher die Waldungen des Staates ... so zu benutzen suchen, dass die Nachkommenschaft wenigstens ebenso viel Vortheil ­daraus ziehen kann, als sich die jetzt lebende Generation zueignet.»

Beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Jahre 2002 in Johannesburg (Rio+10) wurde die Johannesburg-Deklaration über nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Diese nennt die drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung (auch Drei-Dimensionen-Modell genannt): Die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung sowie der Umweltschutz. Die Bundesverfassung der Schweiz fordert im Artikel 54 das Engagement der Schweiz für «Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen». Der Artikel 74 bildet die Grundlage für das Umweltrecht.

Die Ziele

Vor drei Jahren wurde auf der Rio+20-Konferenz die Grundlage für die an­gestrebte Agenda 2030 gelegt: Eine Arbeitsgruppe aus 30 Personen wurde mit der Erarbeitung der SDGs beauftragt. Im Juli 2014 stellten sie ihre Vorschläge für 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung mit universeller Anwendbarkeit auf alle Länder vor. Bis 2015 wollte man die sogenannten Millenniumsentwicklungsziele errechen, welche unter anderem die ex­treme Armut halbieren sollten. Seit 2010 geht die Einkommensarmut in allen Ent­wicklungs­regionen zurück.

Die Zahl der Men­schen, die gemessen am Einkommen in extremer Armut leben (weniger als 1,25 USD/Tag), sank zwischen 1990 und 2010 von über 2 Milliarden (47%) auf weniger als 1,2 Milliarden (22 %). Der Aufschwung in China dürfte statistisch sehr ins Gewicht fallen. Die Ziele für einen Zugang zu sau­berem Trinkwasser wurden erreicht, weswegen rund 200 Millionen Slumbewohner heute unter besseren Bedingungen leben können. Bei anderen Zielen, zum Beispiel in Bezug auf die Müttersterblichkeit oder die Biodiversität, besteht nach wie vor ein sehr gros­ser Rückstand.

Industrieländer finanzieren

Die Vereinten Nationen (UN) hatten sich schon 1970 das Ziel gesetzt, dass die Industrieländer 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit einsetzen sollen (Official Development Assistance - ODA-Quote). In der Schweiz hat man das Ziel, bis 2015 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die offizielle Entwicklungszusammenarbeit gemäss Definition der OECD, das heisst inklusive der öffentlichen Mittel für internationale Klimaanpassungsmassnahmen, aufzuwenden.

Gleichzeitig anerkennt man in der Schweiz das UNO-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die offizielle Entwicklungszusammenarbeit. Ein wesentlicher Teil des finanziellen Entwicklungsengagements der Schweiz soll in den am wenigsten entwickelten Ländern investiert werden. Zudem soll die offizielle Entwicklungszusammenarbeit vermehrt zur Mobilisierung interner Ressourcen oder zusätzlicher Ressourcen des Privatsektors beitragen, insbesondere in Ländern mittleren Einkommens.

Auch die Europäische Kommission unterstützt die Forderung nachdrücklich, dass alle Industrieländer 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes zur Verfügung stellen und sich auf konkrete Zeitpläne für die Erfüllung der ODA-Verpflichtungen einigen sollten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten stellen mehr als 50 Prozent der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe bereit und wollen weiterhin an einer umfangreichen kollektiven Verpflichtung festhalten.

Die grosse Transformation

Im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielen ist die Idee der grossen Transformation zu beachten. Dabei geht es um eine «Transformation von Gesellschaften in Richtung einer klimaverträglichen Wirtschaftsweise», wie es im Bericht vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Bundesregierung Globale Umweltver­änderungen (WBGU) unter dem Titel «Gesellschaftsvertrag für eine Grosse Transformation» heisst, der 2011 publiziert wurde. «Die finanziellen Herausforderungen der Transformation sind signifikant, aber beherrschbar», behauptet der Bericht. Der globale, zusätzliche Investitionsbedarf für eine Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft im Vergleich zum «Weiter-so» dürfte sich bis 2030 etwa in einer Grössenordnung von 200 bis etwa 1000 Milliarden US-Dollar pro Jahr bewegen, im Zeitraum 2030 bis 2050 noch deutlich darüber.

Natürlich hat der Bericht auch einen Trost bei der Hand: «Diesen Investitionen stehen zeitversetzt Einsparungen in ähn­licher Grössenordnung sowie die Ver­meidung der immensen Kosten eines gefährlichen Klimawandels gegenüber. Mit innovativen Geschäftsmodellen und Finanzierungskonzepten lassen sich die-se Aufgaben sehr wohl lösen.» Nur sind die Folgekosten einer allfälligen Klimaveränderung genauso wenig vorherzu­sehen wie diese selber. «Die neue globa­le Partnerschaft muss zu einem neuen transformativen Elan der Solidarität und Zusammenarbeit führen. Nationale Eigenverantwortung und Führungsstärke, gestützt durch politisches Engagement auf höchster Ebene, sind von zentraler Bedeutung.» Dies heisst es in der Mitteilung der Europäischen Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen.

Global Monitoring

Die Schweiz legt Wert darauf, die Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda ­2030, sowie die Erfolgsfaktoren und die Schwierigkeiten qualitativ zu überprüfen. Auf globaler Ebene sollte dafür ein Mechanismus geschaffen werden. Datenschutz und Wahrung der Privatspäre sind offensichtlich kein Thema. Aus Schweizer Sicht sind dabei folgende Grundlagen zu berücksichtigen:

  • Verhältnisse in den einzelnen Ländern sowie nationale Eigenverantwortung
  • Die Partizipation, die Integration und die Transparenz sowie die Ergebnisorientierung
  • Die mittel- und langfristige Perspektive
  • Die Anreize, die Regelmässigkeit, die Wirksamkeit und die Effizienz.

Ziele für 2030 und die Schweizer Standpunkte


Überwindung extremer Armut
Noch immer müssen rund 1,2 Milliarden Menschen in extremer Armut leben, wovon ungefähr 70 Prozent Frauen sind. Diese Zustände will man bis 2030 überwinden. Unter Armut versteht man nicht nur ein mangelndes Einkommen, sondern unter an­derem auch Behinderungen, Geschlechterungleichheiten, der mangelnde Zugang zu Bildung, Gesundheit, Infrastruktur sowie anderen staatlichen Basisdienstleistungen, der erschwerte oder mangelhafte Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten und die ökonomischen sowie natürlichen Ressourcen und so weiter.

Ernährungssicherheit und -qualität für alle durch nachhaltige Agrar- und Nahrungsmittelsysteme
Zwischen 2010 bis 2012 litten 870 Mil­lionen Menschen unter Hunger und mehr als 2 Milliarden Menschen unter Man­gelernährung. Man muss den Zugang zu adä­quater und nahrhafter Ernährung und deren Verfügbarkeit verbessern. Voraussichtlich muss die weltweite Lebensmittelproduktion bis 2050 durchschnittlich um 50 Prozent gesteigert werden.

Wassersicherheit für alle
Darunter versteht man nicht nur den Zugang zum Trinkwasser. Die Schweiz fördert auch die sanitären Grundeinrichtungen, die Hy­giene und sauberes Trinkwasser für alle, eine nachhaltige Bewirtschaftung des Grund- und Ober­flächenwassers, der Abwasserreinigung und der Wiederverwertung sowie die Vorsorge gegen wasserbezogene Katastrophen mit besonderer Fokussierung auf die Bedürfnisse der armen Bevölkerungsgruppen.

Allgemeiner Zugang zu einer nachhaltigen Energieversorgung
Dies bedeutet, der Zugang zu modernen Energiedienstleistungen. Den Anteil der erneuer­baren Energien will man von heute rund 15 auf 30 Prozent verdoppeln, ebenso die Wachstumsrate der Energieeffizienz auf 2,4 Prozent (1970 bis 2008: 1,2 Prozent). Die Schweiz regte an, die nationale Energiepolitik zu stärken.
 
Die Gewährleistung einer chancengerechten, inklusiven und qualitativ guten Bildung und einem lebenslangen Lernen für alle
Jeder Mensch in jedem Alter hat das Recht auf Zugang zu qualitativ guter Bildung, die seinen Bedürfnissen entspricht. Qualitativ gute Grundbildung sollte als öffentliches Gut obligatorisch und kostenlos für alle zugänglich sein.

Gesundheit für alle in jedem Alter
Die Schweiz befürwortet ein eigenständiges Gesundheitsziel, nämlich eine flächendeckende Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage). Zusätzlich unterstützt man in der Schweiz Massnahmen, um die Müttergesundheit zu verbessern, die Kindersterblichkeit signifikant zu reduzieren und die Verbreitung von Krankheiten weiter einzudämmen. Alle Menschen sollen ohne gravierende finanzielle Belastung Zugang zu qualitativ guter medizinischer Versorgung erhalten.

Menschenwürdige Arbeit für alle
Weltweit sind über 200 Millionen Menschen erwerbslos, darunter besonders junge Menschen. Ausserdem gehen weniger als 50 Prozent aller Frauen einer bezahlten Arbeit nach. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass dies geändert wird. Sie unterstützt eine produktive Vollbeschäftigung und eine menschenwürdige Arbeit. Dies möglichst in Kombination mit nachhaltigem Wachstum und einer grünen Wirtschaft.

Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion und Abfallmanagement
Dazu muss man die Effizienz erhöhen, die Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung und Produktionsprozesse müssen sichergestellt sein. Die Zerstörung von Ressourcen, die Verschmutzung der Umwelt und die Abfälle müssen reduziert werden.

Gouvernanz – Für offenere, allen zugängliche und rechenschaftspflichtige Institutionen
Gouvernanz umfasst die Mechanismen, Prozesse und Institutionen, durch welche die Menschen ihre Interessen artikulieren, ihre Rechte wahrnehmen, ihre Pflichten erfüllen und ihre Streitigkeiten beilegen. Dabei sind Grundsätze wie Rechtsstaatlichkeit, Transparenz, Gleichberechtigung, Bürgernähe anzuwenden. Grundlegend sind die Rechte auf die politische Mitwirkung, die Meinungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Zugang zur Justiz.

Gleichstellung der Geschlechter, Rechte der Frauen
Die Schweiz fordert die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen im Zugang zu menschenwürdiger Arbeit, natürlichen Ressourcen und Produktionsmitteln, die soziale Sicherung auch für Hausfrauen, die Elimi­nierung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, inklusive der Früh- und Zwangsverheiratungen und anderer schädlicher Praktiken sowie Gleichberechtigung bei den sozialen, ökonomischen und politischen Mechanismen zur Entscheidungsfindung.

Nachhaltiger Frieden
Die Schweiz setzt sich dafür ein, die Ursachen von Konflikten zu bekämpfen, sowie für persönliche Sicherheit, Zugang zur Justiz, Konfliktbearbeitung und Stärkung der Krisenresistenz gegenüber internen und externen Spannungen.

Verringerung des Katastrophenrisikos
Die Verringerung des Katastrophenrisikos (Disaster Risk Reduction DRR) befasst sich mit der Verringerung von Risiken sowie mit der Vorbereitung auf bisher unbekannte Belastungen und Extremereignisse. Investitionen zahlen sich auf allen Ebenen aus. Die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung zu erhöhen, ist das beste Rezept, um mit extremen Naturereignissen, zum Beispiel Erdbeben, Dürren oder Fluten, umzugehen.

Bevölkerungsdynamik/Migration und Entwicklung
Die Schweiz schlug drei Leitziele vor: Gewährleistung einer sicheren und regulären Migration, Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Migration, zum Beispiel durch die Anerkennung von Qualifikationen und die Begrenzung indirekter Abgaben und Beiträge von Migranten zur nachhaltigen Entwicklung.

Biodiversität und Erhaltung des Waldes
Die Ursachen für den Biodiversitäts- und Waldverlust sind zu bekämpfen und die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung zu fördern sowie den gerechteren Zugang zu genetischen Ressourcen und der Ressource Wald. Biodiversität und Erhaltung des Waldes sollen als eigenständige Ziele formuliert werden.

Nachhaltige Städte und Infrastruktur
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in urbanen Gebieten. Städte nehmen drei Prozent der Weltoberfläche ein, verbrauchen drei Viertel der globalen Ressourcen und sind für 75 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Wichtige Ziele sind deswegen unter anderem die Bereiche Städte- und Infrastrukturplanung, Administration von Städten und nachhaltige Infrastrukturfinanzierung.

Klimawandel
Die Schweiz setzte sich dafür ein, dass das Klima als Querschnittsthema in verschiedenen Zielen der Post-2015-Agenda angemessen berücksichtigt wurde. Zum Beispiel bei der Reduktion von Treibhausgasemi­s­sionen sowie der Anpassung an den Klimawandel. Die Formulierung eines eigenständigen Klimaziels lehnt die Schweiz aber ab, wobei zu bemerken ist, dass die CO2-Gesetzgebung der Schweiz schon ziemlich streng ist.

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