Strategie & Management

Human Resources I

Welche Personaldiagnostiken hilfreich sind

Die Einsatzmöglichkeiten von Personaldiagnostiken in Unternehmen sind vielseitig. Am bekanntesten sind Anwendungen im Einstellungsprozess, um damit die Selektionssicherheit kostengünstig zu erhöhen. Weitere Möglichkeiten dafür sind im Bereich Standortbestimmung sowie für die Personal- und Managemententwicklung zu finden.
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In der Personaldiagnostik wird eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente eingesetzt. Dieser Artikel fokussiert auf den Bereich der psychologischen Tests. Zu den personaldiagnostischen Verfahren zählen weiter: Arbeitsproben, biografische Fragebögen, Bewerbungsinterviews (siehe auch KMU-Magazin 7/8, 2013) und Assessment-Center-Verfahren. Mittels psychologischer Testverfahren werden Verhaltensmerkmale gemessen, aus denen dann persönliche Eigenschaften der betreffenden Person abgeleitet werden können oder auf das Verhalten in anderen Situationen geschlossen werden kann (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008).

Um aus den gemessenen Verhaltensmerkmalen persönliche Eigenschaften herzuleiten, braucht es eine Theorie, mit welcher die Zuordnung von Verhalten und persönlichen Eigenschaften nachgewiesen wurde. Dieser wissenschaftliche Nachweis ist die wichtigste Anforderung für den seriösen Einsatz von Testverfahren in der Personalpsychologie.Wichtige Gütekriterien für Diagnostiken sind Objekti­vität, Reliabilität und Validität. Unter Objektivität wird verstanden, dass das Testergebnis unabhängig von der Person resultiert, die den Test durchführt. Die Reliabilität gibt die Genauigkeit der Messung an, die Validität gibt darüber Auskunft, wie zutreffend der Faktor gemessen wird, welcher gemessen werden soll (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008). Um die Begriffe Reliabilität und Validität etwas fassbarer zu erklären, folgen dazu zwei Beispiele. Soll ein Test die Führungsmotivation messen, sagt die Reliabilität aus, wie genau der Wert für die Ausprägung der Führungsmotivation ist. Die Validität gibt im gleichen Fall an, ob auch wirklich die Führungsmotivation gemessen wird und nicht ein anderer Motivationsfaktor. Generell ist darauf zu achten, dass das Testverfahren auf einer Theorie basiert, damit wissenschaftliche Kriterien erfüllt werden können. Dies ist in einem heiklen Gebiet wie der Personaldiagnostik besonders wichtig. Bei der Auswahl von Personaldiagnostiken sollte auf möglichst gute Werte für die Objektivität, Reliabilität und Validität geachtet werden. Die Angaben dieser Gütekriterien erfolgen als statistische Werte zwischen 0 und 1. Je höher die Werte sind, desto besser sind die Werte für die entsprechende Güte. Wichtig ist auch, dass der Einblick in die Fragen vollumfänglich gewährleistet wird. Damit kann sichergestellt werden, dass jederzeit die Möglichkeit besteht, den Test empirisch zu überprüfen.

Einsatz im Einstellungsprozess

Werden Tests in einem Bewerbungsverfahren eingesetzt, erfolgt der Einsatz zwischen einem erfolgreich verlaufenen Erstgespräch und dem Zweitgespräch. Die Besprechung der Resultate aus dem Test ist dann ein integrierter Bestandteil dieses Zweitgesprächs. Die Besprechung einer Personaldiagnostik ist ein absolutes Muss und darf nur durch eine dafür ausgebildete Person durchgeführt werden. Die Resultate der Diagnostik können ideal ins Zweitgespräch einfliessen und eignen sich im Gespräch dazu, die eine oder andere Aussage mit den Testergebnissen zu vergleichen und durch vertieftes Nachfragen auch gleich zu überprüfen. Erzielte eine Person z. B. eine sehr hohe Ausprägung für die Leistungsmotivation, so kann im Interview nach konkreten Beispielen dafür gefragt werden.

Die Ergebnisse einer Diagnostik geben immer das Selbstbild der Person wieder, welche die Diagnostik bearbeitet hat. Da­durch können zwischen Selbst- und Fremdbild Differenzen auftreten. Beim Ausfüllen der Diagnostik merken die Kandidatinnen oder Kandidaten manchmal, was mit den Fragen herausgefunden werden soll und geben dann «erwünschte» Antworten. Daher müssen die Testergebnisse in einem persönlichen Gespräch überprüft und kritisch hinterfragt werden. Nur so kann festgestellt werden, ob die Messwerte zutreffen. Ein Anstellungsentscheid soll nie allein aufgrund überzeugender Testergebnisse erfolgen, sondern auf der Gesamtkompetenz der Person beruhen.

Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung

Im deutschsprachigen Raum weitverbreitet, wissenschaftlich überprüft und ausschliesslich für die berufsbezogene Anwendung konzipiert ist das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (Hossiep & Paschen, 1998 und 2003), abgekürzt BIP. Mit dem BIP können die folgenden vier Dimensionen geprüft werden: Arbeitsverhalten, berufliche Orientierung, soziale Kompetenzen und psychische Konstitution. Das BIP weist sehr gute Güte­­kriterien auf. In der Auswertung werden zudem die erzielten Resultate der Kandidatinnen und Kandidaten mit der Zielgruppe der Fach- und Führungskräfte verglichen. Die soziale Akzeptanz ist bei den Kandidat(inn)en sehr hoch. Der Einsatz wird für Fach- und Führungskräfte empfohlen.

Intelligenztest

Allgemeine Intelligenz ist für den beruflichen Erfolg ein sehr wichtiger Wert. Das Erfassen der Intelligenz ist mit einem Testverfahren, z. B. mit dem I-S-T 2000 R (Amthauer, Brocke, Liepmann & Beauducel, 2007) einfach möglich. In der Metastudie von Schmidt & Hunter (1998) weist die Intelligenz, knapp hinter einer Arbeitsprobe, die zweithöchste prognostische Validität auf. Unter prognostischer Validität wird die Gültigkeit des Messwertes für die Zukunft verstanden. Damit ist gemeint, dass eine heute intelligente Person auch künftig intelligent bleibt und deshalb auch in Zukunft beruflich erfolgreich sein wird.

Die soziale Akzeptanz eines Intelligenztests ist bei den Kandidatinnen und Kandidaten interessanterweise von der Intelligenz abhängig. Je intelligenter eine Person ist, desto besser ist dieser von ihr akzeptiert (Kersting, 1998). Der Einsatz ist vor allem für anspruchsvolle Positionen ab dem mittleren Kader angebracht.

Sind Sie Unternehmer? Der F-DUPnsagt Ihnen, ob Sie dazu geeignet sind.

Der F-DUPn(Müller, 2010) ist eine spezielle Diagnostik und prüft unternehmerische Potenziale von Personen, die sich selbstständig machen wollen oder ein Unternehmen gründen wollen. Der Test kann aber auch für Führungskräfte im Top-Management wie Leiterinnen oder Leiter einer Business Unit oder eines Profitcenters eingesetzt werden.Testmerkmale sind u. a. Leistungsmotivstärke, Belastbarkeit, Problemlösungs­orientierung, Risikoneigung oder auch Ungewissheitstoleranz. Der Test erfüllt wissenschaftliche Kriterien und kann in Management-Entwicklungsprozessen, bei einer Standortbestimmung oder auch in einem Outplacement eingesetzt werden.

Big Five

Ein oft verwendetes und sehr umfassendes Verfahren ist das NEO-Persönlichkeitsinventar nach Costa und McCrae. Das NEO-Persönlichkeitsinventar ist auch als Fünf-Faktoren-Modell beziehungsweise als «Big Five» bekannt. Fünf-Faktoren-Modell deshalb, weil bei diesem Modell die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit abgebildet werden. Diese Hauptdimensionen sind:Extraversion,Offenheit für Erfahrungen,Verträglichkeit,Gewissenhaftigkeitund emotionale Stabilität (Neurotizismus).

Beim NEO-PI-R werden zu jeder dieser fünf Dimensionen noch sechs Unterdimensionen (Facetten) erfasst, damit ergibt sich dann eine Persönlichkeits­beschreibung mit insgesamt dreissig Facetten.

Der Big Five kann gut für eine Standortbestimmung und für die persönliche Weiterentwicklung verwendet werden. Ein Nachteil dieses Testverfahrens ist, dass vier dieser fünf Dimensionen durch andere Personen relativ gut erkannt werden können und dass sie nur eine mässige prognostische Validität aufweisen. Lediglich die emotionale Stabilität lässt sich nur mangelhaft erkennen; das mag daran liegen, dass sich neurotische Symptome gut kaschieren lassen (Schuler, 2002). Gerade dieser Umstand ist für Einstellungsverantwortliche gut zu wissen, damit sie Kandidatinnen oder Kandidaten, die sich ausgezeichnet präsentieren, auch mal kritisch hinterfragen und sich nicht eine Psychopathin oder einen Psychopathen an Bord holen.

«Schaut man hinter die Kulissen, so bietet sich einem viel zu oft ein Bild des Grauens» (Kanning, 2004, Seite 5). Leider werden in Unternehmen noch zu oft zweifelhafte und völlig ungeeignete Verfahren eingesetzt. Da werden Verfahren aus der Ratgeberliteratur, aus dem Bereich der Physiognomik (Schädeldeuter) oder noch immer grafologische Gutachten eingesetzt.

Grafologie

Gerade für die Grafologie konnte die Metastudie von Schmidt und Hunter (1998) klar nachweisen, dass kein Zusammenhang zwischen einem grafo­logischen Gutachten und dem zu erwar­tenden Erfolg besteht (prognostische Validität = 0.02).

Jung'sche Typologie

Auch sind nach wie vor etliche Verfahren auf dem Markt, die auf der Typologie von Jung basieren. Die Jung’sche Typologie wurde allerdings bisher noch nie wissenschaftlich nachgewiesen.

Unternehmen setzen in der Regel in den Bereichen Forschung und Entwicklung stark auf wissenschaftliche Fachkompetenz. Ausgerechnet im Personalbereich will man sich erstaunlicherweise nicht darauf einlassen, obwohl seit Jahren – auch in diesem Bereich – etablierte Erkenntnisse vorhanden sind (Kanning, 2004). «

 

Literatur

Amthauer R., Brocke B., Liepmann D., Beauducel A.(2007). Intelligenz-Struktur-Test 2000 R (2., erweiterte und überarbeitete Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Ellwart, T.(2010). Eignungs- und Personaldiagnostik, Olten.

Hossiep, R. & Paschen, M. (1998 und 2003). BIP Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (2., vollständig überarbeitete Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Kanning, U. P. (2004). Standards der Personaldiagnostik. Göttingen: Hogrefe.

Kersting, M. (2004). Zur Bedeutung der Validität und der sozialen Akzeptanz in der Berufseignungsdiagnostik. Zeitschrift für Personalpsychologie, 3, 83 – 86.

Müller, G. F. (2010). Fragebogen zur Diagnose unternehmerischer Potenziale (F-DUPn). Koblenz-Landau.

Nerdinger, F. W., Blickle, G., & Schaper, N. (2008). Arbeits- und Organisationspsychologie. Heidelberg: Springer.

Schmidt, F. L. & Hunter, J. E.(1998). Metastudie. Psychological Bulletin, 124, 262 – 274.

Schuler, H.(2002). Das Einstellungsinterview. Göttingen: Hogrefe.

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