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Was die Old Economy von den Millennials lernen kann

Die junge Generation der Millennials und ihre Start-up-Gründer haben einen Vorsprung. Sie sind in die Welt der Digitalisierung hineingeboren und setzen ihr Wissen und ihre Talente auf eine Weise ein, die der Old Economy zum Teil noch verschlossen ist. Etablierte Unternehmen können daher viel von ihnen lernen – und gemeinsam mit ihnen erfolgreich sein.
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Mit digitaler Kernkompetenz, einem hohen Tempo und einem Riecher für Innovationen treiben Millennials neue Geschäfts-, Vertriebs-, Marketing-, Organisations-, Finanzierungs-, Kommunikations- und Kaufmodelle voran. Sie leben anders, sie arbeiten anders, sie lernen anders. So haben sie, von tradierten Methoden entkoppelt, längst eine Parallelwelt erschaffen, die sich der Old Economy, wenn überhaupt, nur ansatzweise erschliesst. Zunehmend definiert die junge Generation unsere Zukunft – und auch den Handlungsspielraum, den etablierte Anbieter darin haben.

Talente der Jungen nutzen

Wer die Zukunft erreichen will, muss fit und attraktiv sein für die Lebenswelt dieser Generation. Denn es ist deren Welt, in die wir uns hineinbewegen. Anstatt also über das Jungvolk zu schimpfen, es sich gefügig zu machen oder Generationenkonflikte heraufzubeschwören, sollte die Wirtschaft besser ihre Chance darin erkennen. Die Digitalisierung schaltet gerade den Turbo ein. Wie Unternehmen den grossen Umbruch schaffen? Indem sie die Talente derjenigen nutzen, denen die Zukunft gehört: Millennials, die ins Internetzeitalter hineingeborenen Digital Natives.

Dass in dieser neuen, rasanten Businesswelt Veränderungen notwendig sind, ist längst jedem klar. Doch leider wird bei der omnipräsenten Diskussion um Digitales gerne vergessen: Jeder Transformationsprozess ist immer zugleich auch eine unternehmenskulturelle Herausforderung. Das Heil ist nicht nur in Technologien zu finden. Wem es nicht gelingt, die Menschen mitzunehmen, wird scheitern. Das Digitale macht vielleicht 20 Prozent aus, 80 Prozent ist Transformation. Zwingend betrifft der Veränderungsdruck auch die Organisationsstrukturen und Führungsprozesse.

Hier tritt die Millennial-Generation auf den Plan. Sie ist die bestausgebildetste und zugleich kreativste Generation, die es je gab. Sie will nicht herrschen, sondern gestalten. Der Wandel, den sie technologisch und kulturell bereits in Gang gesetzt hat, wird als der grösste aller Zeiten gelten. Sie wird futuristisches Neuland besiedeln und Science-Fiction vor unseren Augen wahr werden lassen.

Basis für Zukunftsfähigkeit

Als digital fitte, vielseitig interessierte und global geprägte Generation erkennen Millennials Potenziale blitzschnell, können Marktdifferenzen identifizieren und Lösungen ganz neu kombinieren. Mit ständiger Veränderung umzugehen, darin sind sie erprobt. Komplexität meistern sie bestens. Sie besitzen eine ausgeprägte emotionale Intelligenz – und haben im Dschungel der Optionen immer einen Plan B. Sie sind Teamplayer, dialogbereit und bestens vernetzt. Kurzum: Sie sind das Fundament für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.

Millennials lehnen sich, und das ist der wohl grösste Unterschied zur Transformationsgeneration der 1968er, nicht gegen Altes auf. Sie machen ihre Sache – ganz unaufgeregt – einfach neu. Digitale Transformation? Da reiben sie sich verwundert die Augen. Was sollen sie da transformieren? In einem digital transformierten Kosmos leben sie längst. Und wenn sie Arbeitswelten schaffen, dann sind diese daran adaptiert.

Domänen, in die sich tradierte Unternehmen erst noch mühsam hineindenken müssen, sind für sie seit Langem vertrautes Terrain. Ihre Grundversorgung heisst Essen, Trinken, Schlafen, Wi-Fi. Und sie bewegen sich ständig in Schwärmen, die in den Weiten des Web ihre Heimat haben. Das für sich zu nutzen, sich von den jungen Gedanken und frischen Ideen inspirieren zu lassen, genau das macht den Unterschied zwischen den zukünftigen Überfliegern der Wirtschaft und dem übrigen Rest.

Natürlich ist auch die Erfahrung älterer Semester nach wie vor wertvoll. Und zweifellos können und wollen die Juniors vom Wissen der Seniors profitieren. Doch wirklich vorankommen wird ein etabliertes Unternehmen in Zukunft nur dann, wenn es

  • erstens von der Arbeitsweise der Jungunternehmer sowie von den Start-ups, der Treiber des ökonomischen Wandels, lernen will,
  • und zweitens die jungen Menschen, die im eigenen Unternehmen angestellt sind, aktiv in strategische und operative Entscheidungen einbezieht.

Mehr als jemals zuvor kann die junge Generation den etablierten Marktplayern helfen, sich auf die immer schnelleren Zyklen der Zukunft vorzubereiten, also: agiler zu werden, digitaler zu denken, kollaborativer zu handeln und Disruptives zu wagen. Genau das werden die Erfolgsparameter der Next Economy sein.

Was man lernen kann

Die Kultur innovativer Start-ups basiert auf ständiger Weiterentwicklung und auf Kundenzentrierung. Eine der wesentlichen Start-up-Devisen lautet: «Liefern ist besser als Perfektion.» Die Führungskräfte zeichnet häufig Demut und Willenskraft aus. Sie wissen, dass schlechte Führung ein zentraler Grund für das Ausscheiden von High Potentials ist. Zudem schaffen sie ein Lernumfeld, in dem Mentoring, konstruktives Feedback und eine ausgeprägte Fehlerkultur etabliert sind. Versuch und Irrtum führen zu permanenten Verbesserungen. Neupositionierungen erfolgen, wenn nötig, sehr zügig.

Innovative Start-ups haben selbstreflektierte Teams. Sie praktizieren ununterbrochen Benchmarking, um sich ständig verbessern zu können und nie den Anschluss zu verpassen. Letzteres kann in unserer digitalen Welt sehr schnell passieren. Beweglichkeit, Kundenzentrierung und das Freisetzen der Mitarbeiterpotenziale sind heute entscheidend für das Überleben am Markt. Im ersten Schritt gilt es, eine Aussensicht einzunehmen. Kundenbedürfnisse, Mitarbeitererwartungen und der Wettbewerb stehen dabei im Fokus. Beweglichkeit bedeutet, zügig auf Veränderungen innerhalb dieser Gruppen eingehen zu können.

Untersuchungen fanden einen direkten Zusammenhang zwischen leistungsstarken Unternehmen – den sogenannten «digitalen Gewinnern» – und ihrer Fähigkeit, in Echtzeit auf Veränderungen zu reagieren. Bei Start-ups gehört dies zur DNA. Deshalb, und natürlich wegen ihrer Digitalkompetenz, sind sie geradezu perfekte Helfershelfer auf dem Weg in die Zukunft. Was klassische Unternehmen speziell von der Lean-Start-up-Methodik lernen können:

Pivotieren

Ursprünglich geplante Vorgehensweisen werden sofort über Bord geworfen, wenn sie sich als nicht markttauglich erweisen. Unverzügliche Kurswechsel werden in Angriff genommen, wenn der Wind plötzlich anders weht. In tradierten Unternehmen hingegen hält man an laufenden Projekten oder an einer Jahresplanung auch dann immer noch fest, wenn Nichtmachbarkeit bereits absehbar ist. Zögerliches Abwarten und Bewahrenwollen sind dort die Norm.

Verschwendung vermeiden

Dies ist ein Grundprinzip in Start-ups, denn Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Mitarbeitern sind ständig knapp. Aufwendige Reportings, unnötige Meetings und die gesamte Selbstbeschäftigungsbürokratie klassischer Organisationen sind dort deswegen tabu.

Validiertes Lernen

Die Geschäftsidee an sich sowie alle Entwicklungsschritte werden iterativ mithilfe von Kundenmeinungen optimiert. Die besten Ideen kommen dabei oft von draussen. Ständige Feedbackschleifen von testen – lernen – verbessern – testen – lernen – verbessern ermöglichen rapide Kurskorrekturen. Hierzu werden nutzbare, minimal funktionsfähige Produkte (Minimal Viable Products, MVP) schnell auf den Markt gebracht und sukzessive durch User in deren realem Umfeld getestet. So wird laufend verbessert. Überflüssiges kommt sofort weg.

Vom Kunden her denken

Raus auf die Strasse, Nutzer beim Anwenden beobachten und mit (potenziellen) Kunden reden ist eine Basisdevise im Lean-Start-up-System. In traditionellen Unternehmen hingegen wird eine nach Meinung der Ingenieure und Entwickler perfekte Lösung in den Markt geworfen und in einer Rückschau durch aufwendige Kundenzufriedenheitsuntersuchungen anhand vorformulierter Fragen validiert. Repräsentativität sei aber doch wichtig? Unsinn! Wenn 20 von 20 Testern ein Leistungsmerkmal unerträglich finden, ist das ziemlich aussagekräftig.

Porträt