Strategie & Management

Nachhaltigkeit

Warum Stakeholder-Dialog eine Notwendigkeit ist

Nachhaltiges Handeln kann Unternehmen einen Reputationsgewinn bringen. Soll nachhaltiges Wirtschaften als Teil einer langfristigen Strategie verstanden werden, ist es sinnvoll zu wissen, was die Anspruchsgruppen erwarten. Für Unternehmen wiederum ergeben sich aus einem Dialog Chancen, Know-how der Stakeholder abzuschöpfen.
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Heute glauben wir nicht mehr blindlings, die Zukunft werde besser. Dieser Zweifel wird unterstützt durch die Medienberichterstattung, die häufig auf das Negative fokussiert. Statistisch gesehen wird jedoch einiges tatsächlich besser: Die globale Armut hat abgenommen; der Anteil hungernder Menschen konnte in den vergangenen 15 Jahren halbiert werden; die Kindersterblichkeit sank seit dem Jahr 2000 um zwei Drittel; 98 Prozent der Ozon abbauenden Stoffe wurden abgeschafft; eine Entkoppelung von Wachstum und Energieverbrauch beginnt in einigen Ländern zu greifen; der weltweite Ressourcenverbrauch bei etlichen Gütern in Industrienationen sinkt. Die Quintessenz aus diesen Entwicklungen ist, dass wir unsere gemeinsame Zukunft denken und gestalten können.

Unternehmen und Gesellschaft

Die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft ist nun aber nicht das primäre Ziel eines Unternehmens, sondern die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens. Heute sind aber Unternehmen und Gesellschaft derart verflochten, dass das eine ohne das andere nicht mehr möglich ist. Gewinner auf Kosten der anderen gibt es im Lotto, aber nicht bei nachhaltigen Unternehmen, deren Lieferanten, Mitarbeiter, Kunden Mitglieder derselben Gesellschaft sind. Zumindest das Gros der Märkte ist auf soziale und ökologische Stabilität angewiesen. In einer Gesellschaft, welche sich im Krieg befindet – was das Gegenteil der nachhaltigen Entwicklung ist, weil sowohl wirtschaftliche als auch soziale und ökologische Wertvernichtung betrieben wird –, in einer solchen Gesellschaft hat es die Wirtschaft bis auf ein paar Nischenunternehmen schwer.

Reputation als Marktwert

Unternehmen haben also durchaus ein vitales Interesse, einen Beitrag an eine nachhaltige Gesellschaft zu leisten. Sie können nebenbei daraus einen Reputationsgewinn erwirtschaften. Allerdings sind die Zeiten des Etikettenschwindels vorbei. Dafür ist heute jede Organisation über das Internet viel zu sehr im Schaufenster der Gesellschaft sowie der Öffentlichkeit über die Medien oder den Aktionärs- und Kundenaktivismus exponiert.

Reputation hat heute einen Marktwert, wenn sie authentisch ist. Anleger reagieren sehr empfindlich auf die geringsten Anzeichen eines sozialen oder ökologischen Problems in einem Unternehmen oder in der Lieferantenkette eines Produkts. Ein Unternehmen, welches ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen werden will, ist deshalb gut beraten, die gesellschaftlichen Ansprüche an seine Unternehmenstätigkeit kennenzulernen und in langfristig strategisches Handeln umzusetzen. Es tut gut daran, ehrlich und transparent mit seinen Anspruchsgruppen zu kommunizieren und derart Vertrauen als Kapital für allenfalls einmal schlechtere Zeiten aufzubauen.


Der Stakeholder-Dialog

Stellt man die Frage nach Anspruchsgruppen, werden meist zuerst Kunden, Aktionäre und vielleicht noch Mitarbeiter genannt. Interessant wird aber der Umgang mit Stakeholdern, wenn dieser Kreis erweitert wird, etwa mit den Familien der Mitarbeitenden, den Endkunden einer Wertschöpfungskette, den Zulieferern der Lieferanten, den Partnern, der Standortgemeinde, den Nichtregierungsorganisationen, den Medien … Diese Erweiterung bringt ein Unternehmen in Kontakt mit Anliegen, an die es nie gedacht hätte, und genau dies kann von eminentem Wert sein.

Zum einen geht es darum, die Meinung vieler unmittelbar oder mittelbar betroffener Akteure zur Unternehmenstätigkeit zu erfahren. Der Dialog kann transparent machen, wo die Anliegen dieser Akteure und die Möglichkeiten ihrer Einflussnahme liegen, wo genau die jetzigen und künftigen Konfliktpo­tenziale liegen oder wo umgekehrt die Chancen liegen, mit einzelnen Stakeholdern projektbezogen zu kooperieren.

Viele Stakeholder haben sich in jahrelanger Arbeit ein beachtliches, oftmals unterschätztes Know-how erworben, das für das Unternehmen nützlich sein kann, im Erkennen von Trends oder in der Identifizierung von künftigen Schlüsselthemen. Wenn Unternehmen andere von der Richtigkeit der eigenen Haltung überzeugen wollen, müssen sie keinen Dialog führen. Wenn sie der Anspruchsgruppe ein fertiges Produkt vorstellen und sie um eine positive Wertschätzung bitten möchten, werden sie enttäuscht sein, weil das nie funktionieren wird. Unsere Erfahrungen zeigen,

  • dass zielgruppenspezifische Dialoge fruchtbarer sind als grosse Konferenzen mit heterogenen Gruppen,
  • dass nicht nur freundlich Gesinnte geladen werden sollen,
  • dass themenzentrierte Dialoge mehr bringen als generelle Bedürfnisabfragen,
  • dass ein häufiger, dafür wenig aufwendiger Dialog mehr Vertrauen aufbaut als alle Jahre ein grosser Anlass,
  • dass die Anwesenheit der obersten Führung ein «must» ist,
  • dass klare Ziele, Spielregeln und externe Moderation grosse Vorteile bergen.

Die allgemeinen Regeln der Kommunikation gelten auch hier, insbesondere für die Teilnehmer des Unternehmens:

  • das Gegenüber ernst nehmen;
  • es durch richtiges und gutes Zuhören versuchen zu verstehen; Wertschätzung sowie Geduld gegenüber Fremdem / Unbekanntem aufzubringen;
  • offen und ehrlich sein;
  • Selbstdarstellung  zurückstellen.

Wenn wir zusätzlich keine falschen Er­wartungen wecken oder Enttäuschungen produzieren mit pseudo partizipativen Übungen, wenn wir die letztendlichen Entscheidungen im Wissen um alle er­hobenen Bedürfnisse beim Unternehmen belassen, dann kann dieser Dialog dem Unternehmen, den Anspruchsgruppen und damit auch der Gesellschaft sehr viel bringen.

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