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Führungspositionen

Warum sich der Chief Digital Officer selber abschafft

Mit der digitalen Transformation entstehen auch neue Berufsfelder. Seit einiger Zeit kursiert vor allem die Bezeichnung Chief Digital Officer (CDO). Der CDO soll digitale Strategien entwickeln, die Unternehmensprozesse im Auge behalten und laufend verbessern. In der Praxis ist er allerdings noch nicht so richtig angekommen. Warum das so ist, zeigt dieser Beitrag.

Die Bezeichnung Chief Digital Officer kurz CDO ist eine fast neue Berufsbezeichnung. Seit ein paar Jahren geistert der Begriff durch die Branchen. Dabei sind CDO für Strategien und Digitalisierungsprozesse in den Unternehmen zuständig. Ein CDO kümmert sich also im Unternehmen um diese sagenumwobene digitale Transformation und bemüht sich, dass alle Mitarbeiter mitziehen. Denn: Digitalisierung ist kein Zauberwort, sondern kann schnell Realität werden.

Immerhin beschäftigen gemäss PwC in Europa schon 13 Prozent der Firmen einen Chief Digital Officer. Und laut jener Untersuchung der Strategieberatung liegt Europa damit an der Spitze. Weltweit haben nur sechs Prozent der Firmen einen Digitalvorstand, das erstaunt umso mehr, als dass die Beratungsunternehmung Gartner 2012 einst sagte, dass im Jahr 2015 ungefähr 25 Prozent der Unternehmen die Stelle eines Chief Digital Officer besetzt haben.

Warum niemand den CDO will

Wollen denn die Firmen keine CDO oder ist das Berufsbild verkehrt? Das Problem kann wohl bei beiden Bereichen ausgemacht werden: Erstens, der Chief Digital Officer ist für die komplette Digitalisierung verantwortlich. Wenn er damit Erfolg hat, macht er sich selbst überflüssig, denn die Digitalisierung ist dann in allen Bereichen fest verankert. Es ist also ein Job mit Ablaufdatum – und wer will das schon? Ein anderes Problem besteht wohl darin, dass in bereits teildigitalisierten Unternehmen in der Regel nur geringer Bedarf nach den speziellen Fähigkeiten eines CDO besteht, so sind dort bereits die wichtigsten Funktionen und Unternehmenseinheiten rund um das Thema Digitalisierung platziert und etabliert.

Damit wird die Rolle eines Chief Digital Officers zu dem eines Change Managers, ein Manager also, welcher den Wandel begleitet und Schwachstellen aufdecken muss. Ein Job, mit dem man sich wohl nicht beliebt macht, denn man muss die Punkte verbinden, die Zäune abbauen und dabei stark auf Vernetzen und Optimieren achten – das kann schon einmal gegen aufgebaute Positionen gehen.

Ausserdem, wie eingangs erläutert, erarbeitet ein Chief Digital Officer digitale Strategien, wobei er oder sie immer alle Unternehmensprozesse gleichzeitig im Auge behalten und laufend verbessern muss. Dies könnte zum Beispiel eine Cloud-Plattform für CRM und Kundenservices sein, welche direkt mit einem Messenger-Dienst verbunden ist und im Hintergrund über Analytics ausgewertet wird. Wenn Sie jetzt vielleicht denken, dass der CDO sich nicht gross von einem CIO eines Unternehmens unterscheidet, mögen Sie teilweise Recht haben.

Denn ein CDO übernimmt Aufgaben, welche CIO nicht einfach mal so nebenbei erledigen können. Ein CIO kommt aus der IT und besitzt dabei eine hohe Fachausbildung mit Spezialisierung auf zum Beispiel Netzwerke oder Mobile oder E-Commerce.

Der CDO muss Zukunftsmärkte identifizieren und hilft Unternehmen, auch in kommenden Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben, indem er sich Gedanken macht über das digitale Geschäftsmodell des Unternehmens und dieses auch laufend anpasst. Die Arbeitsgebiete eines CDO umfassen dementsprechend weite Teile des Unternehmens: die technische Infrastruktur, die Organisationsführung, die Unternehmenskultur und natürlich auch wie eben erwähnt: das Change-Management etablieren und erlebbar machen.

Das CDO-Kandidatenprofil

Es gibt wohl keine typischen Chief Digital Officers. Denn der Berufsstand ist learning by doing. Er oder sie muss viel Verschiedenes mitbringen und so einiges tun können. Er kommt zum Beispiel aus der Betriebs- oder Volkswirtschaft, dem Marketing oder aus der IT-Branche. Vor allem Praxiserfahrungen machen eine gute Figur. Einen einheitlichen Karriereweg können die amtierenden CDO gemäss einer Umfrage der Financial Times nicht vorweisen: 34 Prozent kommen laut Studie aus dem Marketing, 17 Prozent aus dem Vertrieb, 14 Prozent aus der Technologieentwicklung und 13 Prozent aus der Beratung.

Was sicher ist: Ein CDO hat zahlreiche, belastbare und langjährige Erfahrungen in der digitalen Welt gesammelt. Viele von ihnen haben zudem auch schon selbst digitale Produkte entwickelt. Ausserdem braucht es Führungsqualitäten und Überzeugungskraft sowie eine gewisse Agilität. Ein flexibler Allrounder mit Erfahrung in E-Commerce und mobilen Umfeldern, welcher zusätzlich IT-Kenntnisse besitzt, hat gute Karrierechancen.

Natürlich gehört zu einem guten CDO auch der ständige Überblick über aktuelle digitale Trends. Somit arbeitet ein CDO vor allem eng mit der Unternehmungsführung zusammen, aber auch mit der Abteilungsleitung hat er viel Kontakt. Kundenkontakt hat ein CDO hingegen fast gar nicht, und das macht die Arbeit eines CDO dann eher zu einem Einzelkämpfer-Job.

In einer Untersuchung der Unternehmensberatung Accenture haben über 100 Unternehmen bestätigt, dass die Digitalisierung disruptive, also einschneidende Auswirkungen auf ihre Branche haben wird. Allerdings verfügten knapp 40 Prozent der Unternehmen über eine übergreifende digitale Strategie und meist konzentrieren sie sich auf Projekte, die interne Abläufe in der Verwaltung oder im Kundenservice verbessern und Kosten senken sollen.

Weniger als 15 Prozent gaben an, dass dabei die Umsetzung neuer digitaler Geschäftsmodelle im Vordergrund steht. Auch im Umgang mit Kundendaten sind die Unternehmen noch zurückhaltend. Denn nur neun Prozent analysieren das Nutzungsverhalten ihrer Dienste in grossem Umfang, der Rest nur teilweise oder gar nicht.

Konsequenzen für Unternehmen

Um digitale Transformation durchführen zu können, braucht es Kompetenz sowie Handlungsspielraum. Jedes Unternehmen, welches sich Wachstum durch digitale Geschäfte erhofft, sollte sich über die Einstellung eines CDO Gedanken machen.

Denn neben dem operativen Geschäft schafft es kaum ein Manager, sich diesen Herausforderungen zusätzlich zu stellen. Ein Chief Digital Officer hilft darum auch mit, die fehlende digitale Kompetenz der Führungskräfte auszugleichen, und sitzt auch in der Geschäftsleitung oder im Stab, um die Vorschläge gut umsetzen zu können und handlungsfähig zu bleiben. Denn oft werden bestehende Strategien überdacht und neue ausprobiert, wofür sich der CDO zum Teil überzeugend einsetzen muss.

Der CDO ist Stratege, Umsetzer und treibt die digitale Transformation voran. Da alle Unternehmensbereiche von der Digitalisierung betroffen sind, muss er alle Mitarbeitenden auf seine digitale Reise mitnehmen und dafür begeistern können, auch wenn das anfangs sicherlich nicht einfach und auch nicht transparent sein kann – denn keiner weiss, wo die genaue Reise hingeht. Zwar hat der CDO quantitative Argumente auf seiner Seite, denn er muss stets durch Datenanalyse in Echtzeit seine Ideen und Visionen stärken und untermauern, aber andererseits spielen doch viele emotionale Widerstände innerhalb der bestehenden Strukturen eine Rolle, welche sich oftmals schwer weg diskutieren lassen.

Was sicher ist: Grundsätzlich muss sich jedes Unternehmen mit der Digitalisierung beschäftigen. Durch neue Produkte und Services können dabei Einnahmequellen für das Unternehmen gesteigert werden. Ein Chief Digital Officer muss also das bestehende Geschäftsmodell um eine digitale Komponente erweitern oder idealerweise sogar neu ausrichten, dann lohnt sich auch deren Engagement – finanziell und langfristig.

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