Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung V

Von der Wissensvermittlung hin zum Coaching

Die Anforderungen an die Arbeitnehmer in der Baunebenbranche steigen laufend an. Die Suche nach geeigneten Mitarbeitenden wird immer schwieriger. Um marktfähig zu bleiben, müssen Unternehmungen jetzt selber aktiv werden. Ein Beispiel ist die Firma Schlagenhauf mit einer hauseigenen Akademie.
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Die Situation im Baumarkt spitzt sich weiter zu. Insbesondere in den Agglomera­tionen und ländlichen Gebieten nimmt die Neubautätigkeit ab, wie dem aktuellen Baumarktflyer der Wüest & Partner AG aus Zürich zu entnehmen ist. In der Grossregion Zürich steigt das Volumen hingegen weiter an und hat sogar einen neuen Höchststand seit 2008 erreicht. Insbesondere in diesen funktionierenden Regionen kämpfen deshalb kleinere und auch grössere Unternehmungen um die Aufträge. Der Preisdruck steigt.

Vorteile nutzen

Die «grösseren» Betriebe können auf dem Markt nur mithalten, wenn sie sich ihrer Vorteile bewusst sind und diese auch aktiv einsetzen. Dazu gehört die Integration von neuartigen Dienstleistungen in die Angebotspalette, die Weiterentwicklung der firmeninternen Prozesse, aber auch das Weiterbilden der eigenen Mitarbeitenden. Das macht zum Beispiel das Familienunternehmen Schlagenhauf mit der hausinternen «Schlagi-Akademie», wo die Mitarbeitenden angepasst an die aktuelle Marktsituation ausgebildet werden. Die oft gehörte Aussage «heute sollte alles schon gestern erledigt sein» dominiert die Baunebenbranche, zu der auch die Firma Schlagenhauf gehört. Die Kommunikationsmittel haben sich geändert. Anstatt persönliche Treffen auf Baustellen ist heute eine rasche Abwicklung der Aufträge und der Kommuni­kation per E-Mail und Telefon gefragt. Heute erhält man per E-Mail oder SMS Fotos von Baustellen, früher musste man persönlich vorbeischauen. Es bleibt kaum Zeit, die Arbeiten ausreichend zu planen und vorzubereiten. Wird heute ein Auftrag erteilt, folgt teilweise schon zwei Tage später der Ausführungsbeginn.

Trotz der geforderten Schnelligkeit bei der Abwicklung verlangt die heutige Arbeitssituation eine genaue Dokumentation aller Arbeitsschritte – meist am Computer. Nichts wird mehr per Handschlag abgemacht. Kurz gesagt: Stress und Hektik dominieren die tägliche Arbeit in der Baunebenbranche, für die Arbeitstätigen bedeutet es eine enorme Belastung.

Der Fachkräftemangel

Die Anforderungen insbesondere an Projektleiter steigen von Monat zu Monat an. Deshalb wird es immer schwieriger, passend ausgebildete Leute auf dem Markt zu finden. Der perfekte Arbeitnehmer hat mehrere Jahre Erfahrung, verfügt über alle notwendigen Sozial- und Fachkompetenzen, ist flexibel und offen für Veränderungen. Und nicht zu ver­gessen: Er passt zur Unternehmung. Vielfach gleicht eine solche Rekrutierung der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mangels Alternativen werden zahlreiche Arbeitnehmende ins kalte Wasser geworfen, anstatt langsam an die neuen Auf­gaben herangeführt. Es bleibt kaum Zeit, sie ausreichend auszubilden und ihnen Zeit für die Entwicklung zu geben. Nach einigen Wochen oder Monaten zeigt
sich dann, ob die Konstellation erfolgreich ist.   

Interne Weiterbildung

Um der Situation auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, wird bei der Firma Schlagenhauf aus Meilen am Zürichsee der Vorteil der Unternehmensgrösse ausgespielt. In der vor einigen Jahren aufgebauten «Schlagi-Akademie» wird viel Zeit investiert, um motivierten Mitarbeitenden eine für sie passende Weiterbildungsmöglichkeit zu bieten. Davon profitieren nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Unternehmung. Denn die Kurse werden der aktuellen Marktsituation entsprechend organisiert und angeboten.

Bei der mehrtägigen Gruppenleiterausbildung erhalten gelernte Maler, Gipser, Maurer oder Polybauer die ersten wichtigen Bausteine für den weiteren Arbeitsweg. Sie lernen nicht nur die verschiedenen Dienstleistungen des Unternehmens Schlagenhauf besser kennen, sondern lernen vieles über Kommunikation, Verhandlungsgrundlagen, Prozessabwicklung oder auch Mitarbeiterführung. Die meist jungen Berufsleute werden nach der internen Ausbildung langsam an neue Aufgaben herangeführt und können sich nach den ersten Erfolgen bis zum Projektleiter hocharbeiten. Das Ziel ist, einige der Absolventen der Gruppenleiterausbildung als «Springer» einzusetzen. Je nach Bedarf an den verschiedenen Standorten können sie aufgrund des bestehenden breiten Wissens und der erlernten Sozialkompetenzen für verschiedenste Aufgaben eingesetzt werden. Dadurch wird eine hohe, firmeninterne Flexibilität erreicht und auch Fixkosten können gesenkt werden.

Harte und weiche Faktoren

Heute kann man nicht mehr sagen, dass eine Unternehmung funktioniert, sobald abgestimmte Prozesse und ein ausgereiftes Management-Handbuch integriert wurden. Denn Prozesse sind nur so gut, wie jeder einzelne Mensch die Arbeit an den nächsten weitergibt. In den Bauberufen übernehmen immer noch meistens Menschen und keine Maschinen die Arbeit. Insbesondere die Zusammenarbeit unter Arbeitskollegen, aber auch die­jenige mit Kunden und Partnern muss funktionieren. Dafür braucht es in jeder Unternehmung ausgeprägte sogenannte «weiche» Faktoren. So können durch Flexibilität und eine intensive Zusammenarbeit Stresssituationen einfacher gelöst werden.

Mitarbeitermotivation

Durch ausgezeichnete Führungsfähigkeiten werden die Mitarbeitenden motiviert und deren Leistung gesteigert. Durch einen fairen und positiven Umgang miteinander wird die Zusammenarbeit gefördert und die eigenen Bedürfnisse werden erfüllt. Und was schlussendlich am wichtigsten ist: Durch all diese Punkte wird die Produktivität gesteigert und der Erfolg im Markt erhöht. Für einen maximalen Erfolg sollten diese «weichen» Faktoren mit einem ausgeprägten Fachwissen kombiniert werden.

Doch Wissen ist im Zeitalter von Internet und Google nicht mehr ganz so wichtig wie noch vor einigen Jahren. Verfügt man lediglich über grosses Wissen, heisst das zudem noch lange nicht, dass es auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden kann. Prozesse sind also nicht nur Theorie. Da gehören ebenso auch die «weichen» Faktoren dazu. Und diese lernt man leider in keiner klassischen Schule.

Dem Bedarf angepasst

Die Firma Schlagenhauf sucht nicht das fehlende Wissen, sondern das Entwicklungspotenzial ihrer Mitarbeitenden. In der «Schlagi-Akademie» wird nur selten Theorie vermittelt, meist steht die Entwicklung der jeweiligen Persönlichkeit im Zentrum. Externe und auch interne Referenten versuchen, den bereits mit Fachwissen gefüllten Rucksack mit Werkzeugen zu ergänzen, die zu mehr Erfolg im Berufsalltag verhelfen. So wurde der Jahresfokus in der Vergangenheit beispielsweise auf die Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitenden oder auch auf die Prozessabwicklung gelegt. Oft sind es Themen und Inhalte, die eigentlich jedem Mitarbeitenden bewusst sind – in der Umsetzung scheitert es dann jedoch. Deshalb werden die gleichen Themen mehrfach behandelt und ein grosser Schwerpunkt wird auf Praxisbeispiele und Rollenspiele gelegt.

Weit hinaus geplant werden die Kurse der Schlagi-Akademie nicht. Je nach Anforderungen vom aktuellen Markt und der aus Gesprächen hinauskristallisierenden Bedürfnisse, wird das jährliche Kursprogramm geplant und anschliessend umgesetzt. Das Angebot gilt nicht nur fürs Kader, sondern auch für alle Mitarbeitenden, die die Firma Schlagenhauf auf den Baustellen vertreten. Während der Durchführung der Kurse erhalten die Verantwortlichen wichtige Informationen über das aktuelle Klima in den Firmen und potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten und sie entdecken immer wieder Potenzial für mögliche weitere Kurse. Dabei spielt die abschliessende Feedbackrunde jedes Kurses eine wichtige Rolle. Schlagenhauf involviert seine Mitarbeitenden also bewusst in die Themenfindung, was sich bewährt: Die von Mitarbeitenden vorgeschlagenen Kurse werden jeweils von den Teilnehmenden überrannt.

Mitarbeiterbindung

Kleine Kinder rennen von einem Blümchen zum nächsten, bestaunen sie und lernen dadurch. Ähnlich verhält es sich mit Arbeitnehmern. Ist die Arbeit eintönig, werden keine Herausforderungen geboten und gibt es nichts Neues mehr zu lernen, wird oft ein neuer Arbeitgeber gesucht. Um aber jene Mitarbeitenden mit dieser Ent­deckungsfreude sowie einer grossen Motivation herauszufiltern, sind aus­führliche Mitarbeitergespräche und ein aktives Beobachten der Vorgesetzten unabdingbar.

Werden diese Mitarbeiter im richtigen Moment und nach ihren Wünschen gefördert, werden sie eine längere Zeit bei der bestehenden Unternehmung bleiben. Dadurch profitiert insbesondere die Unternehmung. Denn durch auf den Markt angepasste, ausgebildete und motivierte Mitarbeitende, die zudem flexibel eingesetzt werden können, verbessert sich die Chance auf dem momentan schwierigen Arbeitsmarkt.

Porträt