Strategie & Management

Industrie 4.0 (Teil 3 von 3)

Vom Internet of Things zur Industrie 4.0

Digitalisierung und zunehmende Vernetzung sind die Bauteile von Industrie 4.0, Machine-to-Machine (M2M) und dem Internet der Dinge (IoT). Was sich hinter diesen Schlagwörtern verbirgt und welche Chancen sich daraus für Unternehmen ergeben, zeigt dieser Beitrag.
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Industrie 4.0, M2M und das Internet der Dinge (IoT) sind unterschiedliche Themen mit gleichem Hintergrund: Bessere Vernetzung, zunehmende Miniaturisierung und fallende Hardwarekosten bereiten den Boden für sich selbst verwaltende Systeme. Oft spricht man heutzutage von Disruption, im gleichen Atemzug wie man Industrie 4.0 oder IoT erwähnt. Eine disruptive Technologie (engl. disrupt für unterbrechen, zerreissen) ist eine Innovation, welche eine bestehende Technologie, eine bestehende Dienstleistung beziehungsweise ein bestehendes Produkt womöglich vollständig verdrängt.

Neue Geschäftsmodelle

Also gemäss dem Wirtschaftstheoretiker Schumpeter: Zerstörung des Bekannten und Aufbau des Neuen. Für die Schweizer Wirtschaft und ihre Spieler kann das zu folgenden, strategischen Fragen führen: Bleiben Produkte in der «Betreuungshoheit» des Produzenten (wie bei Open-Source-Software und Bitcoin)? Erwerben die Kunden nicht mehr das Produkt, sondern ein Nutzungsrecht (wie bei Spotify und Netflix)? Werden Hersteller zu Dienstleistern (wie Mercedes mit Car2Go)? Welche Bedeutung wird die «Share Economy» bekommen (die Uberisierung des Alltags)? Wer an Disruption denkt, wird vermutlich keinen Stein auf dem anderen lassen wollen. Aber was bedeutet das nun für Firmen, vornehmlich KMU, in der Schweiz? Müssen sie anfangen, alles zu roboterisieren? Nein, auch wenn viele denken, dass eine einfache Roboterisierung genügt und dass ein paar Sensoren der Sache Leben einhauchen. Wie allerdings einführend erwähnt, geht es um Abläufe und Prozesse. Denn die Möglichkeit, Daten, Dienste und entsprechendes Wissen miteinander zu kombinieren, kann zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen führen, die die neuen Kundenbedürfnisse bedienen können. Die Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozessen gewinnt durch Automatisierung sowie Optimierung eine höhere Bedeutung in Industrieunternehmen, ähnlich einer vertikalen Integration in der Wertschöpfung.

Die Wertschöpfungskette einer IoT-Lösung besteht aus fünf Elementen: dem physischen Produkt, Sensoren, Connectivity-Technologien, einem Cloud-Back-end für Analytics und dem digitalen Service. Der Mehrwert für den Kunden wird durch die intelligente Aggregation der Daten erzeugt. Zum Beispiel kann durch die Analyse von Beleuchtungsdaten im Haushalt eine Glühbirne über eine App als Alarmanlage dienen. Um eine werthaltige IoT-Lösung zu entwickeln, müssen alle Ebenen betrachtet werden.

Die Chancen

Daneben bieten sich auch zahlreiche Chancen dank Optimierung und Individualisierung. Durch eine Reduktion der Komplexität kann ein kundenspezifisches, individuelles Produkt geschaffen werden, das identifizierbare Eigenschaften besitzt und die eigene Fertigung unterstützt. Des Weiteren kann eine Echtzeitsteuerung der Produktionsprozesse gezielte Optimierungen der gesamten Wertschöpfungskette ermöglichen, was zu fehler- und ausfallrobusten Systemen führt, die virtuell und ad hoc organisiert werden können. Auch für die Ressourcen­effizienz  gibt es positive Auswirkungen. Die virtuelle Steuerung und Überwachung der Produktionsdaten ermöglicht, den Ressourcenverbrauch zu optimieren und schnell anzupassen. Die Chancen kann man so zusammenfassen:

  1. Wirtschaftliche und flexible Produktion (Adaption)
  2. Steigerung der Maschinenverfügbarkeit (Produktionsmaximierung)
  3. Steigerung der Ressourceneffizienz (Ressourcen sparen)
  4. Effizientere Steuerung von Abläufen (Prozessoptimierung)
  5. Adaptivere Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen (Flexibilität)
  6. Integration von Partnern (Vertikalisierung)
  7. Fehlerursachenanalysen und automatische Korrekturen (Optimierung)
  8. Vernetzung und kontinuierliches Lernen und Verbessern (Intelligenz)
  9. Das Schaffen von neuen Geschäftsmodellen

Doch um das Internet of Things zu erschliessen, ist keineswegs teures und spezielles Equipment nötig. Friedemann Mattern, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, präsentierte auf der vom Münchner Kreis veranstalteten Fachkonferenz «M2M und das Internet der Dinge» ein einfaches, fiktives Projekt anhand von Schweizer Schokolade. Das eigentlich «dumme» Produkt (Schokolade) wird mit Hilfe eines Barcodes (auf der Verpackung) und eines Smartphones zum Leben erweckt. Mit der Verknüpfung zum Internet ergeben sich nun für den Schokoladenhersteller zahlreiche Optionen, das Produkt zu präsentieren und zu bewerben. Zudem liefert der Käufer wertvolle Kundeninformationen, etwa wo er die Schokolade zu welchem Zeitpunkt gekauft hat und wo er sich im Moment befindet.

E-Health

Produkte wie Fitnessarmbänder oder Fitness-Tracker versprechen gesundheitliche Überwachung für jedermann. Die smarten Begleiter am Unterarm nehmen über Sensoren Daten wie Pulsfrequenz, Blutdruck oder Schrittanzahl auf und leiten die erfassten Informationen in der Regel an eine Smartphone-App weiter. Die Applikation generiert daraus anschauliche Diagramme oder ähnliche Grafiken. Manche dieser Wearables funktionieren sogar als Tattoos. Noch wichtiger sind medizinische Geräte wie implantierte und vernetzte Herzschrittmacher, die gefährdete Menschen im Alltag über­wachen. Lebensbedrohliche Situationen werden automatisch Ärzten oder Notdiensten gemeldet.

Smart Home

Das Internet der Dinge hält in immer mehr Wohnungen Einzug. Das beginnt mit schlichter Temperaturmessung und macht vor intelligenten Haushaltsgeräten nicht halt. So ordern leere Kühlschränke selbstständig Lebensmittelnachschub oder Rasierer neue Klingen. Auch beim Smart Home läuft die Steuerung und Datenerfassung nebst Auswertung vielfach über eine App. Darüber lassen sich beispielsweise Heizungen, Rollläden, Beleuchtung, Rauchmelder, und Einbruchsschutz bedienen. Solche Systeme sind auch für Unternehmen nützlich, unter anderem für die Kostenkontrolle und das Energiemanagement (Smart Metering).

Smarte Autos

Das selbstfahrende Auto gehört auch zum Internet der Dinge, wird aber noch einige Zeit bis zum Marktstart brauchen. Doch schon heute lassen sich Wagen ohne Schlüssel per App öffnen und starten, helfen mit Assistenzsystemen beim Einparken, übernehmen in kritischen Situationen das Kommando über die Bremsen, halten sicheren Abstand zum Vordermann und melden zwecks Verkehrssteuerung Staus. Das Ziel sind mehr Komfort und Sicherheit. Ausserdem profitieren Unternehmen bei Geschäfts- und Dienstwagen oder ganzen Flotten von einer zentralisierten Auswertung der Fahrdaten. Denn damit lassen sich Routen optimieren und Einsatzpläne koordinieren sowie steuerlich oder buchhalterisch wichtige Angaben unkompliziert dokumentieren.

Smarte Produktion

Mit dem Internet der Dinge gewinnt auch die Industrie 4.0 an Fahrt. Werkelten früher Maschinen stumpf vor sich hin, so sind heute ganze Werkshallen von vorne bis hinten miteinander vernetzt. Das erleichtert nicht nur die Steuerung und Überwachung ganzer Fertigungsstras­sen. Möglich sind auch, dank flexibler Robotik und 3-D-Druck, schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Produkten, bis hin zu individualisierten Waren in Form von kleinen Serien oder Einzelstücken. Durch Just-in-time-Herstellung schrumpfen Lager. Die smarte Produktion – auch M2M-Kommunikation genannt – unterstützt das komplette Supply-Chain-Management. Und zwar inklusive der Lieferantenauswahl.

Auf dem Weg ins Internet der Dinge wähnt sich auch BMW mit dem Carsharing-Angebot «Drive Now». Zwar schöpft der Service noch nicht die gesamte Bandbreite der neuen technischen Möglichkeiten aus, doch schlägt er immerhin schon eine Brücke von der realen Welt der Autovermietung in die virtuelle Welt, wo Nutzer die verfügbaren Fahrzeuge orten, reservieren sowie buchen können. Der Fachkonferenz des Münchner Kreises galt der Service «Drive Now» unter anderem als ein anschauliches Beispiel für einen IoT-Anwendungsfall.

Die dargestellten Projekte zeigen, dass schon mit den heute verfügbaren Mitteln vieles umsetzbar ist. Die Technik für die Vernetzung von Produkten, von Lieferketten und Lieferanten ist vorhanden. Auf Schwierigkeiten stossen viele Unternehmen aber bei der Neugestaltung der Prozesse, weil die neuen Abläufe häufig auch Abteilungs- und Unternehmensgrenzen überschreiten und unterschiedliche Datenquellen anzapfen. Noch schwieriger wird es, wenn sich unterschiedliche Branchen auf gemeinsame Schnittstellen für den Informationsaustausch einigen müssen. Wie aufwendig ein solches Unterfangen werden kann, zeigen im Moment gerade die Energieversorgungs- und Automobilindustrie. Bislang ist es ihnen noch nicht gelungen, die Elektromobilität und die erneuerbare und dezentrale Energiegewinnung langfristig sowie effizient zusammenzuführen.

Begriffserklärungen

Internet der Dinge – Vernetzen von Geräten und Prozessen im Netz
Internet der Dinge (auch englisch Internet of Things, IoT) beschreibt, dass der Personal Computer zunehmend als Gerät verschwindet und durch «intelligente Gegenstände» ersetzt wird. Statt selbst Gegenstand der menschlichen Aufmerksamkeit zu sein, soll das «Internet der Dinge» den Menschen bei seinen Tätigkeiten unmerklich unterstützen. Die immer kleineren eingebetteten Computer sollen weder ablenken noch auffallen. Es werden miniaturisierte Computer, sogenannte «Wearables», mit unterschiedlichen Sensoren direkt in Kleidungsstücke eingearbeitet.

M2M – die Technik hinter IoTund Industrie 4.0
Der Begriff Machine-to-Machine (M2M) steht für den automatisierten Informationsaustausch zwischen den Endgeräten wie Maschinen, Automaten, Fahrzeugen oder Containern, entweder untereinander oder durch eine zentrale Leitstelle. Dies erfolgt zunehmend unter der Nutzung des Internets und der verschiedenen Zugangsnetze, wie des Mobilfunknetzes. Eine mö­gliche Anwendung ist die Fernüberwachung, -kontrolle und -wartung von Maschinen, Anlagen und Systemen, die traditionell als Telemetrie bezeichnet wird. Die M2M-Technologie verknüpft dabei Informations- und Kommunikationstechnik.

Industrie 4.0 – der industrielle Anwendungsfall von IoT
Industrie 4.0 ist ein Zukunftsprojekt in der Hightech-Strategie der Bundesregierung, mit dem die Informatisierung der klassischen Industrien, wie der Produktionstechnik, vorangetrieben werden soll. Das Ziel ist die intelligente Fabrik (Smart Factory), die sich durch Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz und Ergonomie sowie die Integration von Kunden und Partnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse auszeichnet. Technologische Grundlage sind cyber-physische Systeme und das Internet der Dinge (IoT).

IIoT ist der industrielle Ansatz beim IoT
Industrial Internet of Things (IIoT) repräsentiert das industrielle Konzept eines Internet of Things (IoT), das andere IoT-Konzept ist verbraucherorientiert. Das IIoT-Konzept ist ein Trend, der neben vielen anderen IT-Techniken der Verbesserung der betrieblichen Effektivität dient. Unternehmen können über das IIoT weiteres Unternehmenswachstum generieren und verbesserte Wettbewerbsbedingungen realisieren und damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern.

 

Porträt