Strategie & Management

Kolumne

Vertriebler – Umwege erhöhen die Versiertheit

Zeitgemässer Vertrieb ruht auf verschiedenen Säulen, drei wesentliche davon sind die folgenden: strategische Klarheit, Eigenverant­wortung und starke Kundenbeziehungen. Gefestigt werden diese durch Erfolge und Irrtümer gleichermassen.
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Erfahrungen, die sich durch Irrtümer und Fehler manifestieren, sind eine wesentliche Quelle der Weiterentwicklung. Natürlich kommt der Klarheit seitens der Unternehmensführung und der Vertriebsführung im Hinblick auf strategische Ziele und den Rahmen der Vertriebsarbeit eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Vertriebsmannschaft zu. Auch das Lernen am Vorbild, durch die Erzählungen und das Beispiel erfahrener, erfolgreicher Vertriebskollegen ist wichtig. Doch den eigenen Weg zu finden und erfolgreich zu gestalten, gelingt nur durch eigene Erfahrungen und dadurch, aus diesen Erfahrungen aktiv zu lernen. Um hier nicht auf die Fehler anderer zu verweisen, zähle ich beispielhaft gerne eine (kleine) Auswahl meiner Irrtümer der vergangenen Monate auf: Bei einem Klienten, in dem zwei Projekte parallel verliefen, begann ich nach Abschluss von Projekt 1 den Dialog über die Fortsetzung.

Der Klient war gedanklich noch völlig in Projekt 2 eingebunden, konnte die Themen nicht voneinander trennen und fand es viel zu früh. Einen aktiven Klienten fragte ich nach einer Honorarspanne für ein anstehendes Projekt, diese passte nicht zu meinen Überlegungen und schränkte den Handlungsrahmen ein. In einem Angebot zu einem Strategierealisierungsprojekt übersah ich mögliche Ego-Themen, die die Nachfolger im Unternehmen mit einer weiteren Begleitung haben könnten. Die Liste liesse sich fortsetzen. All dies kann passieren und in der Summe waren die letzten Monate hoch erfolgreich. Der Erfolg der kommenden Jahre, davon bin ich überzeugt, speist sich auch massgeblich aus Irrtümern und Fehleinschätzungen, ähnlich zu denen, die ich aufgezählt habe, und den zugehörigen Lernerfolgen. Natürlich muss man nicht jeden Fehler selber machen, erst recht nicht beliebig oft wiederholen, aber dort, wo Menschen sich ernsthaft um Wachstum bemühen, wird es auch immer zu Irrtümern kommen. Fünf Ableitungen möchte ich Ihnen für die Gestaltung Ihres Vertriebes an die Hand geben:

1. Gehen Sie bei der Umsetzung von Massnahmen und Veränderungen im Vertrieb iterativ vor. 

Sorgen Sie für Zielklarheit und eine Roadmap, die den Weg ausreichend gut vorzeichnet. Zugegeben, dies ist eine Aufgabe, die Balance erfordert: Eine zu starke Detaillierung erzeugt Scheinsicherheit, eine zu grobe Planung birgt die Risiken von Willkür und Unsicherheit. Eine Daumenregel, die sich hierzu bewährt hat: Wenn die verbale Antwort derjenigen, die die Massnahme operativ durchführen, plausibel erscheint, in maximal drei Minuten erfolgt und wiedergibt, welche Ziele verfolgt werden und wie man vorgeht, ist die Planung mit hoher Wahrscheinlichkeit hinreichend genau. Und danach geben Sie den Startschuss. Im Vertrieb trifft danach die Planung auf die Realität, hier gilt es zu lernen, anzupassen und so die Basis für Wachstum zu schaffen.

2. Erlauben Sie es, Fehler zu machen und darüber zu sprechen. 

Vertrieb ist eine allzu menschliche Aktivität dafür, dass alles wie bei einem Uhrwerk funktioniert. Nicht alles wirkt bei jedem Kunden, jedem Vertriebler, jeder Konstellation der Umstände gleichermassen. Wenn man auf Eigenverantwortung und passgenaue Lösungen setzt, so sind Fehler Teil des Lernens und des Erfolges. Eigenverantwortung, die zu exzellenten Ergebnissen führt, braucht Urteilsfähigkeit. Diese wiederum wächst und gedeiht auf der Grundlage von Erfahrungen. 

3. Etablieren Sie Lernen aus Erfolgen und Misserfolgen als Teil der Vertriebskultur. 

Sowohl aus Erfolgen («Warum sind wir erfolgreich? Welche Muster lassen sich erkennen? Wie lassen sich diese Muster zukünftig nutzen?») als auch aus Irrtümern lässt sich lernen und dies nicht nur auf individueller Ebene. In vielen Vertriebsprojekten etablieren wir Formate, in denen systematisch Best-(und Bad-)Practices reflektiert werden und in denen Ableitungen auf individueller und Bereichsebene getroffen werden. Wie zu Beginn beschrieben: Nicht jeder muss jeden Fehler und jede Erfahrung selber machen. Voneinander lernen hebt sozusagen das Niveau, auf dem Fehler gemacht werden.

4. Tragen Sie Sorge für strategische Klarheit – gemeinsam und nicht nur zu Beginn. 

Mit strategischer Klarheit steht und fällt der systematische Vertriebserfolg. Häufig jedoch wird hier zu kurz gesprungen. Natürlich ist eine sorgsame, sinnvolle Strategiearbeit auf Ebene der Eigentümer eines Unternehmens (in Bezug auf Unternehmerstrategie und Vision) sowie der obersten Führungsebene des Unternehmens (Unternehmensstrategie, Marktseg­mentstrategie/-n) richtig und wichtig. Hier endet der Strategieprozess aber nicht. Vielmehr gilt es, ein geeignetes Projekt (oder ein anderes systematisches Verfahren) zur Realisierung aufzusetzen.

Zu Beginn steht hierbei das Erläutern und der Dialog mit der zweiten Führungsebene bzw. mit denjenigen, denen massgebliche Verantwortung bei der Umsetzung zukommt. Natürlich ist Strategiearbeit kein basisdemokratischer Prozess, und doch: Die Unternehmensführung sollte beim Rahmen konsequent sein (die wesentlichen Inhalte der Vision zum Beispiel stehen nicht zur Diskussion), aber innerhalb dieses Rahmens sehr wohl den Dialog zulassen und offen für Anpassungen sein. Fragen, Erläuterungen, Anre­gungen, geäus­serte Skepsis, all dies ist fruchtbar. Möglicherweise hat die Unternehmensführung sich ja in Facetten der Strategie geirrt. Der scheinbare Umweg einer Diskussion hilft sehr bei der strategischen Schärfe, der Akzeptanz und dem Umsetzungserfolg. Das Gleiche gilt im gesamten Prozess der Strategierealisierung und auch innerhalb weiterer Zäsuren, zum Update der Strategie. Strategische Klarheit ist kein ewig währender Zustand, sondern es gilt, Fehler zu machen, Erfolge zu erzielen, weiterzudenken und die Strategie stetig und angemessen zu justieren.

5. Nutzen Sie alles, auch Fehler und Irrtümer, für starke Kundenbeziehungen. 

Kaum etwas bietet so viel Potenzial, entweder desaströs für eine Kundenbeziehung zu wirken oder ein echter Turbo für das Vertrauen und das Mit­einander zu sein, wie Irrtümer und Fehler. Das Beschwerde-Paradoxon bezeichnet den Fall, in dem Kunden, deren Beschwerde exzellent behandelt wurde, am Ende des Tages zufriedener sind als solche, deren Erwartungen gleich von Beginn an Erfüllung fanden. Es steckt viel Kraft in diesem Zusammenhang. Wenn ein Fehler so gemacht wurde, dass derjenige, der ihn verursacht hat, im Rahmen seiner Fähigkeiten und Überzeugungen das Beste – auch im Sinne des Kunden – versucht hat, dies jedoch schiefgegangen ist, so sind die Voraussetzungen, gestärkt hieraus hervorzugehen, sehr gut. Man wahrt die Chance am besten, wenn man die eigenen Fehler offen darlegt, sich aufrichtig entschuldigt (wenn dies angebracht ist) und danach in den Lösungsmodus übergeht. Eine echte «magische Frage» in diesem Zusammenhang ist die folgende: «Was würde Sie jetzt glücklich machen?» Jede Frustration ist in enttäuschten Erwartungen begründet. Diese Frage zeigt den eigenen Interessenschwerpunkt, die Themen im Sinne des Kunden wieder ins Lot zu bringen, und zielt unmittelbar auf die Erwartungen des Gegenübers ab. Die Erwartungen können im Anschluss harmonisiert werden.

Fehler und Irrtümer gehören genauso zu Wachstum wie gelungene Pläne und realisierte Erfolge. Ich wünsche viel Erfolg beim Lernen, Erfolge sammeln und Fehler machen.