Strategie & Management

Internationalisierung II

Vermeidbare Fehler bei der Expansion nach Asien

Die Märkte Asiens sind auch für KMU verlockender denn je. Leider erlauben sich Unternehmen bei der Expansion nach Asien Fehler, die vermeidbar wären. In diesem Artikel werden fünf typische Fehler beschrieben, welche in mehr als 50 Gesprächen mit Unternehmern, die bereits in Asien tätig sind, identifiziert wurden.
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Das demografische, wirtschaftliche und geopolitische Gleichgewicht verschiebt sich immer mehr nach Osten. Zwar ist damit zu rechnen, dass sich das Wirtschaftswachstum Asiens etwas verlangsamen wird, doch wird der allgemeine Trend, dass die Zukunftsmärkte in Asien sind, bleiben. Besonders interessant ist das Wachstum der Mittelschicht in Asien. Diese dürfte bis im Jahr 2030 in Asien fünf Mal grösser sein als in Europa, und zehn Mal grösser als in den USA. So ist es nicht überraschend, dass im April 2015 in Zürich ein Aussen­wirtschaftsforum zum Thema «Konsumhunger der wachsenden globalen Mittelschicht» stattfand.

Bei der Expansion nach Asien erlauben sich KMU Fehler, die durchaus vermeidbar wären. Welches sind diese Fehler? Gemäss einem Referenten am Aussenwirtschaftsforum sind es «alle 15 Jahre wieder die gleichen». Ausgehend von über 50 Gesprächen mit Unternehmern, die bereits viel Erfahrung mit der Expansion nach Asien sammeln konnten, wurden fünf typische Fehler identifiziert.

Fünf typische Expansionsfehler

1. Zu schwaches Fundament

Damit eine Expansion nach Asien nachhaltig gelingen kann, muss sie auf einer soliden Grundlage im Stammsitz des Unternehmens aufbauen. Ein erfolgreiches Engagement in Asien braucht aber vor allem Zeit, Geduld und eine gute Portion Hartnäckigkeit.

Eine schwache Grundlage lässt sich wie folgt erkennen:

  • Die Ambition für die Asien-Expansion ist zu klein und damit verbunden auch nicht genügend Herzblut im Projekt.
  • Die Asien-Strategie wird nicht klar mit der Wachstumsstrategie des Unternehmens verbunden. Die Frage «Wie passt die Expansion nach Asien in unsere Gesamtstrategie?» wird nicht deutlich genug beantwortet.
  • Das Budget für das Projekt ist zu klein. Obwohl die Chancen und Risiken gross sind, scheut man sich, Geld für Marktabklärungen und andere vorbereitende Massnahmen in die Hand zu nehmen.
  • Es gibt keinen Projektleiter mit aus­reichend Zeit für das Vorhaben. Der Projektverantwortliche hat das Tagesgeschäft und noch mehrere andere Pro­­jekte, die er parallel betreuen muss.
  • Der Zeithorizont ist zu kurz angelegt und erwartet zu schnelle Ergebnisse. Man ist sich zu wenig bewusst, dass der erfolgreiche Einstieg in einen asiatischen Markt ein Projekt mit einem Zeithorizont von mindestens fünf Jahren sein sollte.

2. Falscher «Mindset» und fehlende Kompetenzen

Jede erfolgreiche Expansion ins Ausland braucht den Zugang zu den notwendigen Kompetenzen. Dabei ist zwischen drei
Arten von Kompetenz zu unterscheiden: Methodische Kompetenz, interkulturelle Kompetenz und spezifische Asien-Erfahrung. Gewisse Kompetenzen können intern aufgebaut, andere punktuell eingekauft werden. Fatal ist es, wenn ein Unternehmer meint, dass das, was in Europa funktioniert hat, auch in Asien zum Erfolg führen wird. Folgende Fehler sind zu vermeiden:

  • Es gibt kein methodisches Vorgehen für das Expansionsprojekt. Zum Beispiel sind die Ziele nicht klar definiert, die Projektphasen und Meilensteine sind nicht formalisiert, es werden zu wenige Varianten geprüft oder es fehlen die
    klaren Kriterien für die Beurteilung der einzelnen Varianten.
  • Es fehlt die interkulturelle Kompetenz. Da geht es zum einen um Sprachkenntnisse, doch auch um das Bewusstsein, dass es anders als bei uns in der Schweiz auch geht, oder dass unsere Ansätze in gewissen Ländern gar nicht funktionieren.
  • Es fehlt an konkreter Asien-Erfahrung im Unternehmen. Es gibt niemandem im Projekt, der schon mal in Asien gearbeitet hat oder gar aus Asien stammt.
  • Im Stammsitz überwiegt der «Mindset», dass man es besser weiss als die Mitarbeitenden im Markt.
  • Die Kompetenzen sind im Haus zwar vorhanden, etwa bei erfahrenen Mitarbeitern oder bei den eigenen Leuten in Asien, doch man hört nicht genügend auf sie. Viele Manager in Asien haben mehr Mühe, mit ihren eigenen Leuten in der Konzernzentrale zu kommunizieren als mit den lokalen Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten. Manager in Konzernzentralen haben oft die Tendenz zu glauben, dass sie es besser wissen als die Verantwortlichen im Markt.
  • Es findet kein Kulturwandel im Unternehmen statt. Eine Firma, die in Asien tätig ist, braucht eine viel agilere und lernfähigere Kultur als eine Firma, die in einem etablierten und bekannten Markt tätig ist.

3. Ungenügende Marktkenntnisse

Wer es nicht selbst erlebt hat, der kann sich gar nicht vorstellen, wie verschieden die Märkte Asiens von denen Europas sind. Ebenso werden die Unterschiede zwischen den asiatischen Märkten untereinander unterschätzt. Das betrifft nicht nur Unterschiede zwischen den Ländern wie etwa in China, Indien oder Vietnam, sondern auch Unterschiede zwischen Provinzen und Städten innerhalb eines Landes. Ganz nach dem Motto «Think Regional, Act Local». Folgende Fehler sind zu vermeiden:

  • Die Dynamik der Märkte wird nicht genügend verstanden oder unterschätzt. Das betrifft das Wettbewerbsumfeld sowie auch das Verhalten der Kunden. Auch werden europäische Unternehmen in Asien mit Wettbewerbern zu tun haben, die nach anderen Regeln spielen, als wir es uns gewohnt sind. Das gilt auch für Kunden und Mitarbeiter.
  • Das Bild, das man sich vom Markt macht, ist veraltet oder zu statisch.
    Die Märkte Asiens verändern sich viel schneller, als wir es uns in Europa gewohnt sind. Was vor einem Jahr galt, ist heute möglicherweise bereits überholt.
  • Der zugängliche Markt wird überschätzt. Oft werden Business Cases auf der Basis völlig illusorischer Marktanteile gemacht. Schätzungen wie «Wenn nur ein Prozent aller Chinesen unser Produkt kauft …» taugen in der Praxis wenig. Was auch immer am Markt da ist, die Chancen sind gross, dass er bereits sehr umkämpft ist und ein kleinerer Teil zugänglich ist, als man meint.
  • Die Produkte sind zu wenig auf den Zielmarkt angepasst. Zu glauben, dass die Merkmale, die ein Produkt in
    Europa erfolgreich gemacht haben, auch die entscheidenden Produkteigenschaften für Asien sind, ist meist falsch. Viele für den europäischen Markt entwickelte Produkte sind für Asien zu kompliziert zu bedienen, zu empfindlich, zu wenig attraktiv im Design oder schlicht zu teuer.
  • Es fehlen die entscheidenden Beziehungen, oder die Bedeutung von diesen wird unterschätzt. Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne Beziehungen geht in Asien gar nichts. Das hat nichts mit Korruption zu tun, sondern einfach damit, dass Beziehungen einen noch grösseren Stellenwert haben als in Europa.

4. Der falsche Partner

Gemäss PwC ist die Wahl des richtigen Partners das Erfolgskriterium Nr. 1 bei der Expansion nach Asien. Unternehmer, die in Asien tätig sind und es mit dem falschen Partner zu tun haben, können ein Lied davon singen. Ohne einen geeigneten Partner ist es schwierig, in Asien Fuss zu fassen, mit dem falschen Partner ist es fast unmöglich. Leider gehen viele Unternehmen bei der Partnerwahl unvorsichtig oder gar naiv vor. Bloss weil man sich auf einer Messe gut verstanden hat, bedeutet das noch lange nicht, dass daraus eine lohnende Geschäftsbeziehung wird. Bei der Partnerwahl sind folgende Fehler zu vermeiden:

  • Die möglichen Interessenkonflikte werden nicht erkannt. Der lokale Partner hat womöglich gar kein Interesse, die Produkte von Schweizer Unternehmen zu vertreiben oder möchte lediglich einen potenziellen Konkurrenten in Schach halten.
  • Die Kompetenzen und Beziehungen des Partners werden überschätzt. Besonders unangenehm kann es werden, wenn man ein Exklusivabkommen mit einem Partner eingegangen ist, der sich als inkompetent herausstellt.
  • Die kulturellen Unterschiede sind zu gross. Man meint, sich zu verstehen, merkt aber später, dass man keine Ahnung hat, wie der Geschäftspartner tickt. Ideal sind Geschäftspartner, welche bereits Erfahrung im Umgang mit Schweizer Unternehmen haben.
  • Der Partner hat gar nicht die Kapazitäten, die man braucht. Bei der Partnerwahl sollte berücksichtigt werden, wie schnell man in einem Markt wachsen will. Ein Partner, der nicht die Kapazität hat, mitzuwachsen, wird schnell zu einem Flaschenhals.

5. Schwache Präsenz und Struktur

Auch wenn alles andere richtig gemacht wurde, kann eine Expansion an zu schwacher Präsenz vor Ort scheitern. Daniel Küng, CEO Switzerland Global Enterprise, ermuntert deshalb Unternehmer, «Mut zur Präsenz» zu haben. Damit sind die Strukturen des Unternehmens gemeint, aber auch wie oft das Top-Management aus Europa sich in Asien zeigt. Folgende Fehler sind oft zu beobachten:

  • Die eigenen Strukturen sind zu schwach. Man leistet sich zu wenig Personal und vertraut zu sehr auf den lokalen Partner.
  • Die Führungskompetenz des lokalen Teams ist zu schwach. Nebst der Führungskompetenz muss auch die fachliche und kommerzielle Kompetenz stimmen. Das lokale Management-Team muss einerseits das Geschäft aufbauen und führen können, aber auch einen guten Draht zum Hauptsitz in der Schweiz haben.
  • Die Governance-Strukturen sind zu schwach. Hier gilt der Grundsatz «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser». Ohne solide Kontrollinstrumente riskiert man Blindflug.
  • Man verlässt sich zu sehr auf das Team vor Ort. Die Geschäftsleitung zeigt sich zu wenig im Markt. Das Asien-Geschäft kann nur gelingen, wenn es zur Chef­sache erklärt wird und sich der Chef auch oft in Asien zeigt.

Fazit

Wachsen in Asien ist möglich und für viele Unternehmen – auch für kleine und mittelgrosse – lohnend. Damit dies gelingt, braucht es nebst einem guten Bauchgefühl auch ein Minimum an methodischem Vorgehen. Die in diesem Beitrag aufgeführten Fehler können als Checkliste verwendet werden, um die häufigsten Fehler zu vermeiden. Eine erfolgreiche Expansion nach Asien kann mit dem Bau einer Brücke verglichen werden. Wie beim Brückenbau müssen die Fun­damente auf jeder Seite solide sein. Jedes Element der Brücke sollte stark genug und gut mit den anderen verbunden sein. Schliesslich ist eine Brücke nur so stark wie das schwächste Element.

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