Strategie & Management

Change Management (Teil 2 von 3)

Veränderungsprozesse führen: Rollen und Aufgaben

Das Führen von Veränderungsprozessen ist eine Kernaufgabe von Führungskräften in Organisationen jeder Art. Mit einer Serie in drei Teilen werden das Vorgehen, Rollen und Instrumente vorgestellt. Im vorliegenden zweiten Teil wird beschrieben, welche Rollen in Veränderungsprozessen beteiligt sein können und welche Aufgaben ihnen zukommen.
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Im ersten Teil dieser Serie («KMU-Magazin», Ausgabe 3 /15) wurde dargelegt, in welchen Schritten umfassende Veränderungsprozesse in Organisationen durchgeführt werden können. Der zweite, vorliegende Teil behandelt die Frage, wer in welcher Rolle im Prozess mitwirkt. Es versteht sich von selbst, dass auch diese Frage von zentraler Bedeutung für das Gelingen des Prozesses ist. Der wichtigste Hinweis zu Beginn: In Veränderungsprozessen reicht die simple Bezeichnung einer Rolle nicht. Es ist zwingend, analog einem Stellenprofil die Aufgaben jeder Rolle zu beschreiben.

Auftraggeber

Die Rolle des Auftraggebers, die selbstverständlich sowohl weiblich als auch männlich besetzt sein kann, ist sehr gut geeignet, um diese Bemerkung zu belegen. Während der eine Auftraggeber seine Rolle lediglich darin sieht, den Auftrag formell zu erteilen und die Ergebnisse vorgestellt zu erhalten, will ein anderer inhaltlich mitwirken. Beide Rollen sind denkbar und können funktionieren – es sind aber Klarheit zu schaffen und Vereinbarungen zu treffen.

Besonders rein intern geführte Projekte sind in diesem Punkt anfällig für Missverständnisse und Probleme, weil sich die Projektorganisation und die Linienorganisation oft nicht entsprechen. Dann gibt es Unklarheiten: Wer trifft Entscheidungen im Projekt, der Auftraggeber oder der direkte Vorgesetzte des Projektleiters? Bei Projekten mit externer Begleitung ergeben sich solche Probleme weniger: Ein professioneller Berater wird die Weisungswege aus Eigeninteresse vertraglich festhalten. Grundsätzlich sollte ein Auftraggeber mit einem minimalen Gestaltungsanspruch mindestens periodisch informiert werden. Es ist ineffizient und für die Unternehmenskultur hoch problematisch, wenn ein Projekt mit viel Engagement Lösungen erarbeitet, ein Auftraggeber dann aber unabhängig davon vollkommen andere Entscheidungen trifft.

Steuerungsgruppe

Bei einem Auftraggeber, welcher seine Rolle passiv definiert, kann eine Steuerungsgruppe einen wichtigen Teil der Auftraggeber-Rolle übernehmen: Den Prozess im bestehenden Machtgefüge der Organisation zu verankern. Entsprechend ihrem Namen muss eine Steuerungsgruppe demzufolge aus Personen bestehen, welche über formelle Entscheidungskompetenz verfügen und damit effektiv steuern können: Eine Steuerungsgruppe ist kein konsultatives Gremium, es muss Zwischenentscheidungen fällen können.

Projektleitung

Die Aufgaben der Projektleitung sind in einem Veränderungsprozess auf dem Papier nicht anders als in anderen Projekten: Sie plant und führt das Projekt, stellt dessen Ausstattung mit Ressourcen sicher und ist für das Erreichen der Projektziele verantwortlich.

Da ein Veränderungsprojekt das Zusammenarbeiten von Menschen, bestehende Stellenprofile und individuelle Karriere-pläne betreffen kann, kommen einige Anforderungen hinzu. Die Projektleitung muss über die Sensibilität verfügen, die versteckten Hindernisse für Veränderungen und die Stellhebel für den Weg in die Zukunft zu erkennen. Anschliessend muss sie über die nötige soziale Kompetenz und Zivilcourage verfügen, diese konstruktiv zu benennen und treffsichere Massnahmen vorzuschlagen. Sie muss ehrlich, glaubwürdig, authentisch und konsequent sein und sowohl über das Vertrauen des Auftraggebers als auch so weit wie möglich über jenes von Mitarbeitenden im Projekt verfügen können. Im Unterschied zu anderen Projekten sind bei Veränderungsprozessen häufig unabhängige Beratende involviert. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen erfordert das Führen eines Veränderungsprojekts mit all seinen Aspekten ein spezifisches Wissen und Erfahrungen, welche nicht in jeder Unternehmung dauernd zur Verfügung stehen. Zum zweiten verfügt eine unabhängige Person über eine Eigenschaft, welche intern nicht vorhanden ist: Sie muss nicht auf die Vergangenheit oder auf die bestehenden Beziehungsgeflechte Rücksicht nehmen. Sie gerät auch nicht in Versuchung, den Veränderungsprozess zur Verbesserung der eigenen Position im Unternehmen zu missbrauchen. Drittens ist es oft schlicht und einfach eine Kapazitätsfrage: Ein Veränderungsprozess bindet zusätzliche Führungsressourcen, welche im Tagesgeschäft fehlen. Aus dieser Optik ist eine externe Beraterin oder ein externer Berater nichts anderes als ein temporärer Mitarbeiter mit einem spezifischen Profil. Bezüglich dem Einbezug von Beratenden bestehen unterschiedliche Modelle. Eine rein interne Projektleitung hat den Vorteil, dass sie die Organisation gut kennt und wenig Einarbeitungsaufwand besteht. Ebenfalls kennt sie betriebsspezifische Sachverhalte gut und verfügt über wichtige Fachkenntnisse. Sie ist intern gut vernetzt und hat Zugang zu den meisten Personen.

Nachteile sind der hohe Kapazitätsbedarf, ein möglicherweise nicht ausreichendes methodisches Wissen sowie zu wenig breite Erfahrungen mit dem Führen von Veränderungsprozessen. Ein gewichtiger Nachteil ist meistens auch, dass die Neutralität und Unabhängigkeit einer internen Projektleitung durch andere Mitarbeitende infrage gestellt werden kann. Eine erste Stufe des Einbezugs externer Expertise besteht darin, dass eine externe Person als Coach des Auftraggebers oder der internen Projektleitung mitwirkt. Die beratende Person kann ihre Hinweise dabei ausschliesslich auf die Sichtweise einer einzigen Person stützen. Dieser sehr eingeschränkte Einblick in die zu verändernde Organisation erschwert es, die richtigen Hinweise zu geben. Ebenfalls sind Hinweise eines Coachs fakultativ und es ist der internen Projektleitung überlassen, ob und wie sie sie übernehmen will – eine direkte Einflussnahme der externen Person ist ausgeschlossen. Die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg des Projekts liegen bei diesem Modell deshalb voll und ganz in den Händen der internen Projektleitung.

Eine externe Projektleitung kann dem gegenüber Experten- und methodisches Wissen aus einer Hand bieten – wenn sie sorgfältig ausgesucht und mit einem präzisen Mandat beauftragt wird. Sie kommt organisationsintern nicht in den Verdacht, Eigeninteressen zu verfolgen. Diesen Vorteilen stehen die Kosten gegenüber. Eine externe Projektleitung ist daneben nicht in der Organisation verankert und verfügt deshalb über einen ungenügenden Zugang zu relevanten Informationen. Es besteht die Gefahr, dass sie zu wenig auf spezifische Ausgangslagen (kulturell, personell, inhaltlich) Rücksicht nimmt und Vorschläge entwickelt, welche für die Auftraggeberin nicht umsetzbar sind. In unserer Praxis bewährt hat sich eine gemischte Projektleitung mit einer internen und einer externen Person. Funktioniert das Team gut, kann sie professionell und unabhängig agieren, Belastungsspitzen brechen und spezifische, passende Massnahmen hervorbringen.

Projektmitarbeit

Die wichtigste Regel in Veränderungsprojekten heisst: Die Betroffenen zu Beteiligten machen. Sie besagt, dass Personen, die von Veränderungen betroffen sind, im Veränderungsprozess mitwirken sollen. Damit werden insbesondere zwei Ziele verfolgt: Einerseits wird die Chance erhöht, dass die entwickelte neue Lösung von den Betroffenen mitgetragen und nicht abgelehnt wird. Andererseits wird eine neue Lösung in den allermeisten Fällen auch besser, wenn das bestehende Know-how und die vorhandenen Ideen einfliessen können. Dies ist jedoch kein Plädoyer für Basisdemokratie. Die Beteiligung funktioniert nur, wenn der Auftraggeber die Projektziele definiert hat und damit die Leitplanken für neue Lösungen klar gesteckt sind. So ist das Zusammenspiel in Veränderungsprojekten zu verstehen: Der Auftraggeber sagt, wohin er will, die Projektleitung und die Projektmitarbeitenden entwickeln Vorschläge, mit welchen dies zu erreichen sein könnte.

Im ersten Teil dieser Serie zum Ablauf von Veränderungsprozessen wurde ein Vergleich mit dem Spiel «Eile mit Weile» gezogen: Wenn Prozessschritte wie eine Ist-Analyse weggelassen werden, müssen sie oft später im Projekt nachgeholt werden. Es heisst dann: «Zurück auf Feld eins.» Mit der Beteiligung Betroffener verhält es sich sehr ähnlich: Veränderungsprozesse, welche im Geheimen ablaufen und deren Resultate anschliessend Mitarbeitenden aufgezwungen werden müssen, laufen nicht schneller ab. Sie haben lediglich eine kürzere Konzeptionsphase, die Umsetzung gegen Widerstände ist anschliessend aber ungleich schwieriger für alle Personen, welche im Veränderungsprozess beteiligt sind – auch für den Auftraggeber. In mittelgrossen Organisationen ist es oft weder möglich noch sinnvoll und notwendig, sämtliche Mitarbeitenden einzubeziehen. Für solche Situationen hat es sich bewährt, ein konsultatives Gremium mit einer Auswahl von Mitarbeitenden einzusetzen. In periodischen Abschnitten kann es Zwischenergebnisse zur Kenntnis nehmen, diskutieren und Rückmeldungen an den Auftraggeber und die Projektleitung geben. Solche konsultativen Gremien werden beispielsweise «Sounding Board» oder «Change Team» genannt. Sie sind besonders wertvoll, wenn bei ihrer Zusammensetzung auf Diversität geachtet wird. Sie sind ein gutes Instrument, um auch die kritischen Stimmen einzubinden: Stösst die Kritik eines Mitglieds in der Gruppe auf Unverständnis, merkt die betroffene Person, dass sie mit ihren Ansichten alleine steht.

Findet eine Kritik hingegen das Gehör der ganzen Gruppe, wird sie weitergeleitet und beinhaltet mit grosser Wahrscheinlichkeit auch ein Körnchen Wahrheit, welches die Projektleitung zur Kenntnis nehmen sollte.

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