Jeden Tag fällen wir Entscheidungen. Eine neue Mitarbeiterin wird eingestellt, ein Anforderungsprofil verändert sich aufgrund anderer Kundenbedürfnisse, ein Prozess kann vereinfacht werden. Im Idealfall werden diese täglichen Entscheidungen orchestriert und sind im Einklang mit einer stimmigen, langfristigen Vision.
Um was es geht
Diese Abstimmung von kurz- und langfristig ist allerdings sehr herausfordernd und wird zusätzlich durch externe Faktoren gestört. Wenn Führungskräfte wechseln, Kundenbedürfnisse sich ändern, Mitbewerber neue Angebote lancieren oder sich andere Rahmenbedingungen verändern, kann Bedarf nach einer umfassenden Veränderung entstehen. Eine solche kann die Strategie, die Struktur, das Angebot und dessen Erstellungsprozess, die Aufgabenverteilung oder andere fundamentale Säulen einer Organisation betreffen. Genau solche Veränderungen werden im vorliegenden Text behandelt. Es stellen sich folgende Fragen: Wie gehen wir vor? Wer macht in welcher Rolle mit? Mit welchen Instrumenten arbeiten wir? Im ersten Teil wird auf die erste Frage eingegangen, die zwei anderen Fragen werden in den kommenden Ausgaben behandelt.
Orientierung und Zielfindung
Die wichtigste Botschaft gleich zu Beginn: Ein Veränderungsprojekt beginnt lange vor dem Kick-off. Es beginnt, sobald eine Führungsperson oder ein Führungsgremium einen herrschenden Zustand als veränderungsbedürftig anerkennt und zu der Einschätzung gelangt, dass der Aufwand für einen Veränderungsprozess sich vor dem Hintergrund einer zu erzielenden Verbesserung rechtfertigt. Das ist bereits ein bedeutender Schritt: Mit «Aufwand» ist nicht nur finanzieller Aufwand gemeint, sondern auch Führungs- und emotionaler Aufwand. Solcher entsteht in jedem Fall, wenn Bestehendes hinterfragt wird.
Ist der Entscheid gefällt, einen Veränderungsprozess durchzuführen, beginnen in der Regel unmittelbar Projektarbeiten. Das führt oft zu folgendem Phänomen: Man meint, man stehe bereits mitten im Prozess, muss dann aber wie beim Spiel «Eile mit Weile» wieder zurück auf Feld eins. Dort findet nämlich immer noch der Prozessschritt «Orientierung und Zielfindung» statt: Warum haben wir uns für einen Veränderungsprozess entschieden? Was sind die Ziele des Veränderungsprozesses? Was umfasst der Prozess, was nicht? Erst wenn diese grundsätzlichen Fragen geklärt sind, kann der nächste Schritt angegangen werden. Sobald man sich einig ist, was verändert werden soll und warum, kann man sich über das Vorgehen und die daran Beteiligten Gedanken machen.
Projektstruktur
Dazu sind die bereits bekannten Instrumente des Projektmanagement-Werkzeugkastens nutzbar: Meilensteine, Aktivitäten, Zwischenergebnisse und Projektorganigramm. Bei den Veränderungsprojekten liegt der Teufel allerdings im Detail. Es ist zu empfehlen, die Projektstruktur sehr präzis festzulegen und formell zu beschliessen. Dabei muss auf bestehende Machtverhältnisse Rücksicht genommen werden. Es ist verlockend und nachvollziehbar, kritische Stimmen ausschliessen oder die Analyse abkürzen und rasch Resultate vorlegen zu wollen. Oftmals ist das aber weder der schnellste noch für sämtliche Beteiligten der angenehmste Weg zum Ziel. Es treten Widerstände in verschiedensten Formen auf: Projektleitende werden mit Administration beschäftigt, Termine werden nicht eingehalten, wichtige bestehende Unterlagen gehen bei der Analyse «vergessen», Ressourcen werden entzogen oder die Kompetenz der Projektleitung wird offen oder verdeckt angezweifelt.