Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Unternehmensnachfolge: Ein zu frühes Kümmern ist unmöglich

Was hat das Thema «Unternehmensnachfolge» in einer Wachstumskolumne zu suchen? Allerlei, denn losgelöst von der Person der Unternehmerin oder des Unternehmers soll das Unternehmen ja nach dem Übergang weiter wachsen.
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Viel zu häufig bleiben Unternehmen unter ihren (gesunden) Wachstumsmöglichkeiten, weil die Nachfolge nicht geregelt ist oder zu schleppend verläuft. In unserer Beratungspraxis sprechen wir mit Unternehmerinnen und Unternehmern immer wieder auch darüber, welchen Weg das Unternehmen «später» gehen soll. Unserem Dafürhalten zufolge kann dieses «Später», der Gedanke über die Regelung der Nachfolge, nicht zu früh gedacht werden. Je eher sich eine klare Linie abzeichnet, desto besser. Wir führen solche Gespräche auch mit Menschen, die noch längst keine fünfzig Jahre alt sind, auch wenn der Exit-Zeitpunkt noch etwas entfernt ist. Man kann sich nicht früh genug mit diesem Szenario auseinandersetzen. Für uns als Externe ist dies natürlich immer einfacher als für die Betroffenen, ist der Ausstieg doch mit Emotionen verbunden. Aber eine Strukturierung der Optionen hilft bereits, denn die Liste der Handlungsszenarien ist äusserst übersichtlich:

1. Schliessung des Unternehmens

Auch wenn dies nicht attraktiv erscheint, kann es eine Option sein, das Unternehmen zu schliessen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Unternehmen zu stark auf die Eigentümer zugeschnitten ist, ohne die Eigentümer nicht in vernünftiger Zeit funktioniert – sprich: rentabel ist beziehungsweise bleibt – und sich die Unternehmensmarke schwächer darstellt als die «Personenmarke». Dieses Szenario ist vermeidbar, wenn rechtzeitig erkannt wird, dass die Abhängigkeit des Unternehmens von den Eigentümern ein Risiko darstellt und zweierlei in Angriff genommen wird: Erstens der Aufbau einer Unternehmensmarke, verbunden mit der Sicherheit, dass das Unternehmen auch einen Wertgegenstand darstellt, wenn die Eigentümer nicht mehr aktiv mitwirken, und zweitens der systematisch geregelte, prozessuale Übergang des Know-hows der Eigentümer auf Leistungsträger im Unternehmen. Schliessung ist Wertvernichtung und – ein rentables Unternehmen vorausgesetzt – unbedingt zu vermeiden.

2. Nachfolge durch Familienmitglieder

Die familieninterne Nachfolge ist stets ein heikles Thema, insbesondere wenn mehrere Familienstämme am Unternehmen beteiligt sind. Aber auch bei nur einer Familie sind drei Fragen zu beantworten, die bedauerlicherweise nicht immer vollständig und vor allem leider nicht in der richtigen Reihenfolge gestellt werden. Erstens: Welche Kriterien muss der potenzielle Nachfolger grundsätzlich erfüllen? Zweitens: Welches Familienmitglied eignet sich grundsätzlich und ist damit der ideale Kandidat? Drittens: Welches Familienmitglied «brennt» für das Unternehmen und hat bereits angezeigt, dass es Interesse hat?

Viel zu oft werden diese Fragen ignoriert, und es tritt der Wunsch der Eigentümer nach bestimmten Familienmitgliedern als Nachfolger in den Vordergrund. Werden diese mit jenem Wunsch konfrontiert, kann dies eine Last bedeuten, die dem Unternehmen letztlich nicht guttut. Viele Unternehmen hätten besser nicht in Familienhand bleiben sollen, weil weder die Eignung noch das Interesse vorlag. Es gilt, keinen Zwang auszuüben. Druck erzeugt Gegendruck.

3. Nachfolge durch Mitarbeiter

Nicht selten finden sich in Unternehmen leistungsfähige Mitarbeiter, die grundsätzlich für eine Nachfolge infrage kommen. Auch hier ist aber eine Ent-Emotionalisierung erforderlich, denn sympathische, verdiente Mitarbeiter müssen nicht zwingend auch gute Unternehmer sein. Ich hatte vor Kurzem einen Unternehmer und dessen Prokuristen bei uns zu einem Strategietreffen zu Gast, und der Prokurist machte – glücklicherweise – bereits in der ersten halben Stunde deutlich, dass er seinen Job gerne verrichte, dass er aber auch froh sei, wenn er die Bürotür hinter sich geschlossen und daheim seine Ruhe hätte und dass er sich keinesfalls vorstellen könne, irgendwann einmal Unternehmer zu werden. Staunen auf dem Gesicht des Unternehmers, aber damit war Klarheit geschaffen. Weder eignet sich der Prokurist als Nachfolger noch als Mitgesellschafter. Ein klares «Nein» eröffnet neue Perspektiven.

Bei der unternehmensinternen Nachfolge sind die gleichen Fragen zu stellen wie bei der familieninternen Nachfolge. Findet sich kein idealer Kandidat, ist eine andere Option zu wählen. Sind aber Kandidaten vorhanden, sollte das Gespräch gesucht werden. Wissen muss der Unternehmer dabei, dass der Verkaufspreis, der erzielt werden kann, beim Verkauf des Unternehmens an Mitarbeiter in der Regel geringer ist als bei einem Verkauf an Externe. Für den Übergang an Mitarbeiter ist ein Zeitraum von mindestens zwei Jahren, ein strukturiertes Projekt vorausgesetzt, einzurechnen.

4. Verkauf an Externe

Der Verkauf an Externe, seien es Privatpersonen, die auf der Suche nach einer unternehmerischen Betätigung sind, strategische Investoren, die ihr Betätigungsfeld um das des in Rede stehenden Unternehmens anreichern wollen oder institutionelle Investoren, die eine sinnvolle, rentierliche Anlagemöglichkeit suchen, muss von langer Hand geplant werden. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags ist so viel Geld am Markt verfügbar, wie vermutlich noch niemals zuvor. In unserem direkten Umfeld sind mehrere institutionelle Verkäufe von Private-Equity-Investoren und ein Börsengang geplant, Gespräche mit mittelständischen Investoren zeigen, dass ein hohes Interesse besteht, Geld anzulegen und dass Private-Equity-Gesellschaften händeringend nach guten Unternehmen suchen. Aber auch Unternehmen suchen nach sinnvollen Anlagemöglichkeiten für ihr Vermögen, denn viele Unternehmen, die wir betreuen, schreiben exzellente Ergebnisse.

Kern des Verkaufs an einen Externen ist, dass das zu veräussernde Unternehmen hinsichtlich seiner Marke, seiner Leistungen und auch organi­satorisch bestens aufgestellt ist. Ein «Aufhübschen», um den Kaufpreis zu erhöhen, geht stets nach hinten los. Wichtig ist, dass die Leistungsträger im Unternehmen diesem noch eine möglichst lange Zeit erhalten bleiben, denn sie bilden in den meisten Fällen einen wesentlichen Wertbestandteil. Überdies ist für den Noch-Eigentümer geboten, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was er möchte: Will er nach dem Verkauf noch für das Unternehmen arbeiten? Wenn ja, in welcher Position? Als angestellter Geschäftsführer? Im Führungsgremium des übernehmenden Unternehmens? Als Berater? Oder soll ein klarer Schnitt vollzogen werden? Nicht jeder ist geeignet, Angestellter in seinem Ex-Unternehmen zu sein.Wir könnten an dieser Stelle auch noch über den Übergang in eine Stiftung sprechen, und es gibt noch weitere Optionen, die auszuführen sich lohnen würden, aber Kern aller Nachfolgegedanken muss sein, sie so früh wie möglich zu beginnen, um nicht unter Druck zu geraten und um mental vorbereitet zu sein. Schliesslich soll das Aufgebaute auch später weiter wachsen.

Professor Dr. Guido Quelle ist geschäftsführender Gesellschafter der Mandat Managementberatung. www.mandat.de, guido.quelle@mandat.de

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