Über 220 KMU-VR nahmen am diesjährig erstmals durchgeführten VR-Symposium am 15. September 2017 in Zürich Oerlikon teil. Nach einem Einführungsreferat vom Gastgeber Thomas Züger (OBT AG) zeigte die Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich - Carmen Walker Späh - die Wichtigkeit der KMU auf. Sie erwähnte, dass Trennung der operativen und strategischen Ebene in KMU nicht immer einfach ist und ein externer Verwaltungsrat das Risiko der Betriebsblindheit vermindern kann. Dies mag insbesondere in den heutigen Zeiten, die durch eine hohe Dynamik charakterisiert sind, umso wichtiger sein. Anschliessend stellte Urs Fueglistaller (KMU-HSG) die einzelnen Sessions vor. Die Teilnehmenden konnten zwei der drei Sessions auswählen und besuchen.
Zusammenarbeit mit einem familienexternen Geschäftsführer
In der ersten Session interviewte das VR-Mitglied Peter Andreas Zahn den VRP der Lateltin AG, Berthold Pluznik, und den externen CEO, Sandro Vetterli. Die 1899 gegründete Lateltin AG ist in Winterthur beheimatet und steht für Spirituosen in allen Variationen für Gastronomie, Handel und Industrie. Der VRP und damalige CEO Berthold Pluznik beschloss vor einigen Jahren, einen familienexternen Geschäftsführer anzustellen. Daraufhin wurde der Prozess initiiert und eine Stellenausschreibung ausgeschrieben. Auf diese Ausschreibung bewarben sich über 50 potenzielle Bewerber, wobei schliesslich drei für ein Assessment ausgewählt wurden. Dieses Assessment gab dem VRP und ehemaligen CEO, Herrn Pluznik, Sicherheit, die richtige Person auszuwählen.
Verschieden Motive für den externen Geschäftsführer
Sandro Vetterli, der externe Geschäftsführer, hatte eine Führungsposition in einem Grossunternehmen der Konsumgüterindustrie inne. Trotz dieser guten Position machte er sich Gedanken für eine Veränderung. An der Position des Geschäftsführers der Latetin AG reizten insbesondere die grossen Freiheiten, der Gestaltungsraum und die Möglichkeit, etwas zu verändern und dass eine eigne Produktion vorhanden ist. Seine grössten Zweifel und Unklarheiten betrafen den ehemaligen Geschäftsführer: Wird und kann er wohl wirklich abgeben? Wie es sich herausstellte, konnte er dies wirklich und er konzentrierte sich danach auf das VR-Präsidium. Das Loslassen war einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren in diesem Fall.
Ein enger Zeitplan für die Übergabe der operativen Führung wurde auserkoren und schliesslich auch eingehalten. Sandro Vetterli führte in dieser Zeit intensive Gespräche mit den Kadermitarbeitern über ihr Befinden, ihre Erwartungen und was sie ändern würden. Ihm war wichtig, sie einzubinden und vor allem sie zu halten. Gerade diese Gespräche waren ein wesentlicher Bestandteil dafür, dass sie allesamt blieben. Als Weiteres wurden unter anderen die Innovationspipeline, das Reporting und die Verbesserung der Kundennähe in Angriff genommen. Zudem wurde die Firma neu am Markt positioniert, weg vom Produktions- zum Konsumentendenken.
Als Haupterfolgsfaktoren für die erfolgreiche Nachfolgeregelung sehen sowohl Berthold Pluznik als auch Sandro Vetterli das gegenseitige Vertrauen, eine schnelle Übergabe, um Unsicherheiten der bestehenden Mitarbeiter zu vermeiden und eine offene und transparente Kommunikation zwischen den Beiden.
Suchen und entwickeln des wirksamen VR-Teams
In der zweiten Session wurde diskutiert, wie die Wirkung des VR erhöht werden kann. Der VR kann ein aktiver Gestaltungsrat sein. Esther-Mirjam de Boer und Carla Jane Kaufmann von GetDiversity betonten, dass die Diversität des Verwaltungsrates zentral sei für die erfolgreiche Arbeit des VR. Das durchschnittliche Alter eines Verwaltungsrates sei aktuell 59 Jahre und die Nachfolge werde oft im eigenen Netzwerk gesucht. Frau de Boer und Frau Kaufmann plädieren für eine breitere Suche, um das VR-Team breiter abzustützen. Auch sollte ein geeigneter Kompetenzen-Mix im Verwaltungsrat vertreten sein, um den zukünftigen Rahmenbedingungen des Marktes geschickt zu begegnen. Dabei ist laut den Referentinnen Vielfalt zentral. Diese beinhaltet verschiedene Aspekte wie etwa das Alter, die Persönlichkeit, die Fachkompetenz, Branchenerfahrung, VR-Erfahrung und das Geschlecht.
Die Vielfalt im Aspekt «Persönlichkeit» äussert sich zum Beispiel in Sitzungsführungs- und Analysefähigkeiten und wird mitunter geprägt von der Extro- oder Introvertiertheit einer Person. Eine hohe Diversität erhöht laut den beiden Referentinnen das Konfliktpotenzial und damit die Wahrscheinlichkeit, dass kritische Punkte angesprochen werden. Es wird dadurch weniger wahrscheinlich, dass Anträge vom VR einfach nur ab genickt werden. Die Unabhängigkeit einer Person im Verwaltungsrat ist unabdingbar, nur so werden auch kontroverse Diskussionspunkte erörtert. Es sei wichtig, die Persönlichkeitsprofile des Verwaltungsrates abzubilden und zu verstehen, damit die richtigen und für das Unternehmen wichtigen Kompetenzen abgedeckt sind. Um die Unabhängigkeit im VR zu wahren soll die Suche nach neuen VR-Mitgliedern, wenn möglich nicht durch die gleiche Personalberatungsfirma oder die HR-Abteilung der Firma ausgeführt werden, welche auch die Geschäftsleitung bestellt.
Und wer als potenzieller Verwaltungsrat denkt, dass ein KMU-VR-Mandat finanziell sehr lukrativ ist, analog zu dem was uns die Medien von Grossunternehmen glauben lassen, so entspricht dies nicht der Realität. Die durchschnittlichen VR-Honorare liegen weit unter denjenigen von Grossunternehmen.