Strategie & Management

Internationalisierung

Risiken und Chancen bei steigendem Wettbewerbsdruck

Eine Vielzahl der KMU stellt sich dem internationalen Wettbewerb. Aber auch die Betriebe, die vorwiegend für den Binnenmarkt produzieren, sind mit ausländischen Anbietern konfrontiert. Welches sind die Herausforderungen? Wo bestehen die Risiken, und welches sind die Erfolgsfaktoren? Gibt es gar Patentrezepte, welche eine breite Gültigkeit haben?
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Kunden von Schweizer Produzenten haben einen überdurchschnittlichen Qualitätsanspruch. Auch wenn hier nicht die Luxusgüterbranche im Fokus steht, ist auch beim Export von Industrieprodukten kaum mit austauschbaren Commodity-Produkten zu punkten.

Die Positionierung im Markt und der Entscheid, welche Segmente bedient werden, ist ein wichtiger strategischer Punkt. Die Wahl eines kleineren Segmentes, eines Nischenmarkts ist eine der Optionen. «Überall, wo technische Kompetenz gefragt ist und das Know-how langjähriger Erfahrungen zum Tragen kommt, kann ein klarer Vorteil gegenüber den internationalen Mitbewerbern vermittelt werden», sagt Hans-Jörg Sidler, CEO von Sistag, einem weltweit tätigen Anbieter von Absperrtechnik.

Ebenfalls in den Nischenmärkten bewegt sich die Firma Motorex aus Langenthal, die feinstes Motorenöl und Schmiermittel rund um den Globus vermarktet. Manuel Gerber, der Marketingleiter, ergänzt: «Nischenmärkte, welche die Global Play-er als zu klein oder unbedeutend erachten, bieten durchaus Chancen.»

Trotz der Konzentration auf Spezialitäten sitzt der Schock der Finanzkrise und der danach folgenden Schwächung der europäischen Währung tief. Zuerst behalf man sich mit temporären Währungsrabatten, stellte aber bald fest, dass langfristige Lösungen nötig würden. Aufgrund des hohen Leidensdrucks wurden kurzfristig Produktionsprozesse hinterfragt und optimiert, um die Herstellkosten zu senken.

Kooperationen mit Lieferanten

Zukünftig sind aber technische Innovationen in besonderem Masse gefragt, die oftmals in enger Kooperation mit Lieferanten realisiert werden. Marco Sieber, Verwaltungsrat von Siga, eine in der Entwicklung und Produktion von luft- und winddichten Gebäudehüllen führende Spezialistin, sieht gerade in der schnellen Innovationsfähigkeit der Betriebe in der Schweiz einen grossen Vorteil.

Dies bestätigt auch Stefan Lütolf, COO von Thermoplan, die weltweit vollautomatische Kaffeemaschinen für die pro-fessionelle Gastronomie verkauft. Er ist zudem überzeugt, dass eine partnerschaftliche Beziehung zu den Lieferanten eminent wichtig ist. Besonders die pragmatische Unterstützung bei Entwicklungsleistungen sei sehr hilfreich.

Die Frage der passenden Produktionstiefe ist von ganz entscheidender Bedeutung. Ob Komponenten oder Baugruppen im eigenen Betrieb oder bei externen Partnern beschafft werden, muss professionell kalkuliert und beurteilt sein.

Sprung ins Ausland

Komplex wird es, wenn als Alternative eine eigene Auslandfertigung in Betracht gezogen wird. Hier winkt die grosse Chance, die Herstellkosten massiv zu senken. Die Umsetzung ist jedoch mit einem hohen Risiko verbunden. Ein Faktor, der gegen die Fertigung im Ausland spricht, ist die womöglich nicht in gleichem Masse zu erreichende Konstanz der Produktqualität, insbesondere in den sogenannten Billiglohnländern.

Es kann zwar durchaus auch eine hohe Qualität produziert werden, das Problem sind aber die Schwankungen in der Qualität. Und bei der Weiterverarbeitung würden diese Mehraufwände generieren, sagt Stefan Lütolf von Thermoplan. Es sei eine Gratwanderung zwischen möglichst kostengünstiger Produktion auf der einen Seite und einer möglichst hohen Flexibilität sowie einer einwandfreien Qualität auf der anderen Seite.

Sinnvolle Verlagerung

Günstig zu sein alleine garantiert nicht zwingend den Unternehmenserfolg. So hat beispielsweise Leister Technologies – weltweit führend in den Bereichen Kunststoffschweissen und industrielle Heissluftanwendungen – die Produktion einer Komponente wieder zurück ins Schweizer Werk verlagert. Die hohen lokalen Qualitätssicherungsmassnahmen, die steigenden Lohnkosten in China sowie die sehr hohen Logistikkosten waren dafür ausschlaggebend. Die Produktion im Ausland muss also gut kalkuliert werden. Dabei dürfen Transportkosten, Koordinations- und Administrationskosten sowie Zölle und Steuern und die eingeschränkte Reaktionsfähigkeit auf keinen Fall vergessen gehen.

Neben den erwähnten Risiken gibt es aber auch Gründe, im Ausland zu produzieren. «Wir greifen bei einfachen Massenprodukten, bei Produkten, die nur mit intensiver Handarbeit produziert werden können oder als Unterstützung bei hohen Bedarfsschwankungen auf externe Hilfe aus dem Ausland zurück», so Jörg Frei, Inhaber der Connect Com, einem führenden Lösungsanbieter von Verkabelungs- und Lichtwellenleiterprodukten in der Telekommunikation.

Wird zudem ein grösserer Anteil der Produkte in einer bestimmten Region abgesetzt, kann es durchaus sinnvoll sein, in diesem Land zu produzieren. Eine teilweise Verlagerung kann sich auch lohnen, weil durch eine lokale Produktion die Handelsbarrieren wegfallen. Das erleichtert dann den Eintritt in die lokalen Märkte, und es können wichtige Kundenbeziehungen sowie gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden.

Meister im Optimieren

Eine hohe Flexibilität und eine konstante Qualität wurden als Vorteile mehrfach erwähnt. Schliesslich sind aber auch die Kosten ein Auswahlkriterium. Denn konkurrenzfähige Preise sind ein absolutes Muss. Auch wenn je nach Produkt oder Angebot ein gewisser Mehrpreis durchsetzbar ist, muss sich die Differenz zum Mitbewerber in engen Grenzen halten. «Alle Kostenblöcke müssen permanent und genau überwacht werden», sagt dazu Manuel Gerber, Leiter Marketing von Motorex aus Langenthal.

Aus diesem Grund fokussiert Siga auf permanente Effizienzsteigerung. Kaizen – japanisch für die Veränderung zum Besseren durch schrittweise Perfektionierung – wird hier konsequent gelebt. «An jedem zehnten Arbeitstag wird die Produktion gestoppt, und alle Mitarbeitenden investieren einen Tag in Prozessverschlankung. Am Tag der Optimierung leisten alle aktiv ihren Beitrag, indem sie an der Verbesserung von Abläufen arbeiten – auch kleine marginale Änderungen fliessen laufend in die Prozesse ein. Doch diese «unproduktive» Zeit werde aber um ein Vielfaches kompensiert», sagt Marco Sieber, Verwaltungsrat von Siga.

Die Wichtigkeit der kleinen und mittelgrossen Unternehmen für die Schweizer Wirtschaft ist bekannt. Die Betriebe profitieren heute von überdurchschnittlich guten Rahmenbedingungen. Erträgliche Steuern, politische und gesellschaftliche Stabilität, kaum Korruption und eine vergleichsweise gute Verkehrssituation. Sorgen bereitet Marco Sieber der zunehmende administrative Aufwand für Behörden und Aufsichtsorgane. Es mussten in den letzten Jahren mehrere neue Stellen geschaffen werden, um die stark gewachsenen administrativen Anforderungen bewältigen zu können.

Die unerwartete Aufhebung der Wechselkursuntergrenze im Januar haben Schweizer Betriebe in Alarmstimmung versetzt. Um in Europa weiterhin konkurrenzfähig zu sein, ist die weitere Kursentwicklung von entscheidender Bedeutung. Umso wichtiger ist es nun, dass die hausgemachten Kosten nicht weiter steigen. Aus diesem Grund wird die Entwicklung der Lohn-Nebenkosten mit grosser Sorge beobachtet. Eine weitere Steigerung hätte für viele Betriebe schwerwiegende Folgen und würde früher oder später die Mitarbeitenden ganz direkt betreffen.

Personalsuche und Lohnkosten

Zurzeit ist die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften ein Problem. Gerade Ingenieure sind schwierig zu rekrutieren. Bei den Salären sind aus wirtschaftlichen Gründen klare Grenzen gesetzt. Teilweise gelingt es, durch attraktive Nebenleistungen oder durch flexible Arbeitszeitgestaltung die dringend be-nötigten Fachkräfte in die eigene Firma zu holen. Wenn sich aber in der Schweiz keine zusätzlichen Mitarbeitenden finden lassen, bleibt nur noch der Weg über die Personalsuche im Ausland.

Dank flexiblen Arbeitnehmern, welche ihre Arbeitszeit der Nachfrage anpassen oder kurzfristig Überstunden zu leisten bereit sind, werden die vergleichsweisen hohen Lohnkosten teilweise kompensiert. Auch bezüglich der Arbeitseinstellung sind Schweizer Mitarbeitende vorbildlich. Sie denken mit, sind motiviert und haben wenig Hemmungen, bereichsübergreifend Optimierungen zu suchen. So arbeiten bei Motorex Entwicklungschemiker und Produktionsverantwortliche gezielt zusammen und können daher auch schwierige Rezepturen in konstanter Qualität garantieren.

Schweizer Arbeitnehmer

Beat Mettler, CEO von Leister Technologies, meint zwar, dass die Schweizer Arbeitnehmer regelmässig den Arbeitgeber wechseln, dass sie sich aber während der Anstellungszeit sehr stark mit dem Unternehmen identifizieren und man von einer grossen Loyalität ausgehen darf.Wäre es aufgrund des riesigen inländischen Potenzials nicht sehr verlockend, sich vorwiegend auf den einheimischen Markt zu konzentrieren? «Dies wird nicht funktionieren. Wir machen keinen Unterschied zwischen Export- und Binnenmarkt. Unsere Wettbewerber in der Schweiz sind europäische Firmen, welche ihren Kostenvorteil vollständig im Schweizer Markt weitergeben», so Marco Sieber.

Stärken erkennen und fördern

Die Situation auf dem Schweizer Binnenmarkt weicht nicht grundsätzlich von den Märkten im Ausland ab. Aber die Schweizer Werte haben im heimischen Markt durchaus Vorteile: So baut die Zusammenarbeit auf gleichem Verständnis auf. Die Nähe zum Kunden wird beidseitig geschätzt und es ist möglich, stabile Vertrauensverhältnisse zu schaffen.

Obwohl der Druck für die meisten KMU im internationalen Wettbewerb steigt, hat jeder Betrieb Besonderheiten, dank welcher er erfolgreich auf dem Markt bestehen kann. Sei es der Fokus auf Nischenmärkte, sei es der hohe Qualitätsstandard, sei es das stetige Optimieren der Prozesse oder die überdurchschnittlich motivierten Mitarbeitenden – jedes kleine und mittelgrosse Unternehmen hat Stärken, welche im harten internationalen Wettbewerb den entscheidenden kleinen Vorteil bringen können. Es gilt diese zu erkennen und zu fördern – dadurch werden die Schweizer KMU weiterhin gute Chancen haben.

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