Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Raus aus der Vergleichsfalle

Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Floskeln in der Marketingkommunikation, die ohnehin nur Selbstverständlichkeiten betonen, sind nicht nur überflüssig, sie schaden sogar.
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«Wir bieten gute Qualität», «Wir liefern pünktlich», «Wir sind immer zuverlässig», «Uns kann man vertrauen». Diese und andere Floskeln so­wie Variationen davon verwenden Unternehmen nicht nur im Marketing, sondern auch im (Kunden-)Gespräch, um ihre Vorteile herauszustellen. Ein fataler Fehler, wenn wir über Wachstum und Differenzierung sprechen wollen. Warum? Weil niemand mit einem Unternehmen zusammenarbeiten möchte, das schlechte Qualität bietet, unpünktlich liefert, unzuverlässig ist oder dem man nicht vertrauen kann. Die Aussagen haben alle mehrere Dinge gemeinsam: Sie sind Floskeln, sie sind nicht relevant, es handelt sich um Selbstverständlichkeiten in einer Geschäftsbeziehung und – am wichtigsten – sie schaden dem Unternehmen mehr, als dass sie ihm nutzen.

Jenseits von Selbstverständlichkeiten differenzieren

Nun mag es noch augenscheinlich sein, dass die Aussagen – trotz reger Verwendung – wenig nutzen, aber sie sollen dem jeweiligen Unternehmen schaden? Wie denn das? Recht einfach: Das Vorbringen einer Floskel beispielsweise in einem Gespräch über die Vorteile eines Unternehmens nimmt dem Gespräch die erforderliche Wirkung. Das Gegenüber, dem der «Werbende» die Vorteile des eigenen Unternehmens erläutern möchte, fügt das Unternehmen bestenfalls in eine Schublade ein, in der es sich – im übertragenen Sinne – mit seinen Wettbewerbern wiederfindet: vergleichbar, langweilig, austauschbar. Im schlechtesten Fall schaltet er einfach ab und eine Chance zur Differenzierung ist vertan. Besonders gefährlich wird es, wenn das Gegenüber demjenigen, der vorträgt, sein Unternehmen sei zum Beispiel besonders zuverlässig, die Frage stellt: «Wie äus­sert sich das?» oder «Woran machen Sie das fest?» oder «Wie unterscheidet sich das von der Zuverlässigkeit Ihres Wettbewerbers?» Wenn hier keine klare Antwort kommt – und sie kommt meistens nicht –, redet sich der Werbende um Kopf und Kragen, wie ich schon wiederholt erleben durfte beziehungsweise musste.

Noch schlimmer wird es, wenn die Person gegenüber erkennt, dass es sich dabei um inhaltsleere Floskeln handelt und den, um Differenzierung bemühten, Werbenden damit konfrontiert, was durchaus zynisch werden kann. Beispiele? Bitte: «Verstehe, ich würde aber gerne mit einem Grosshandel zusammenarbeiten, der nicht pünktlich liefert.» «Von einem Statiker erwarte ich aber, dass er mir eine Brücke rechnet, die nicht zuverlässig hält.» «Vertrauen spielt in unseren Geschäftsbeziehungen aber keine Rolle.» Erreicht ein Gespräch erst diese Ebene, ist Hopfen und Malz verloren, denn hier wird deutlich, dass man nicht mehr auf Augenhöhe miteinander spricht.

Echte Wertaussagen treffen

Viele Unternehmen, die sich darüber beklagen, dass sie immer und immer wieder im Vergleichswettbewerb, mit dem überaus häufig schlicht der Preiswettbewerb gemeint ist, stehen und ausgesondert werden, tun besser daran, sich darüber Gedanken zu machen, was wirkliche, kundenrelevante, prüfbare und geprüfte Differenzierungsmerkmale sind. Ziel muss es sein, herauszukommen aus der Vergleichsfalle und sich auf Gebieten zu differenzieren, die nicht der Selbstverständlichkeit unterliegen, auf Gebieten, die es dem Wettbewerb schwer machen. Sehr häufig erleben wir aber in der Beratung unserer Klienten, dass sich Unternehmensführungen darin zu Beginn sehr schwer tun. Bei Mitarbeitern, selbst bei leitenden Mitarbeitern, erfahren wir sogar häufig Ablehnung, die mitunter durchaus vehement vorgetragen wird.

Das sei alles akademischer Unsinn, man müsse bei der Realität bleiben, es sei nun mal ein Verdrängungswettbewerb im Markt präsent, man sei ja nicht allein auf der Welt, etwas wirklich Neues gebe es nicht mehr, überdies sei das schon immer so gewesen – ich könnte seitenlang mit Vorbehalten von (leitenden) Angestellten fortfahren. Eines ist diesen derart argumentierenden Personen gemein: Sie haben das Gefühl, sie müssten die Handlungen der Vergangenheit rechtfertigen – es kann doch nicht alles schlecht gewesen sein. Mitglieder der Unternehmensführung sind dem Punkt der Differenzierung auf Feldern der nicht unmittelbaren Vergleichbarkeit gegenüber aufgeschlossener, was wiederum wichtig ist, denn eine Differenzierung muss bei der Unternehmensleitung, dem Vorstand, der Geschäftsführung, den Gesellschaftern beginnen. Die Frage ist: Wie kann es gehen?

Vorhandene Expertisen artikulieren

Ich habe in dieser Kolumne schon einmal das Prinzip der Wertaussage dargestellt, das einen guten Anfang bietet. Zur Erinnerung: Vereinfacht gesprochen ist eine Wertaussage eine nicht-werbliche, prüfbare Aussage darüber, welchen Nutzen ein Unternehmen seinen Kunden bietet. Es handelt sich nicht um einen «Claim», einen Werbespruch, sondern um den Ausdruck des Wertes eines Unternehmens für seine Kunden. Am Beispiel meiner Beratungsgesellschaft, das ist immer am einfachsten: «Wir unterstützen Unternehmen dabei, profitabel zu wachsen.» Die Wertaussage soll das sein, was jeder Mitarbeitende sagt, wenn er gefragt wird, was das Unternehmen tut. Man wird feststellen, dass ein Gegenüber, dem man die Wertaussage nennt, nahezu immer eines von zwei Dingen fragt: Entweder «Interessant, wie machen Sie denn das?» oder «Was bedeutet das genau?» – und damit hat man einen Dialog, denn wenn man nun fragt, aus welchem Hintergrund das Gegenüber das Interesse äussert, kann man ohne jede Floskel, ohne jeden Platzhalter über den Nutzen sprechen, den das Gegenüber aus einer Zusammenarbeit mit dem eigenen Unternehmen haben könnte.

Die nächste Frage ist, wofür wollen wir Experten sein und wer steht in unserem Unternehmen für welche Expertise? Da ist das Ingenieurbüro mit einigen Dutzend Mitarbeitern, das sich seit fast 50 Jahren als Ingenieurbüro für Tiefbau verstanden hat, damit der öffentlichen Hand ausgeliefert und auf Ausschreibungen angewiesen war und dessen Wachstum dramatisch gestiegen ist, seit es seine echte Expertise, Experten für zukunftsfähige Infrastruktur zu sein, entdeckt und kommuniziert hat.

Oder der technische Grosshändler, der mit seinem austauschbaren Sortiment an C-Teilen immer im Preiswettbewerb stand und der sich durch seine ausgeprägte Expertise darin, Industrieunternehmen dabei zu unterstützen, ausfallfrei zu laufen, wesentlich in die Prozesse seiner Kundenunternehmen eingebracht hat, so dass er dort nur unter hohem Aufwand austauschbar wäre. Oder die Internetagentur mit Dutzenden hochqualifizierter Mitarbeiter, die als Unternehmen, das Websites programmiert, mitten im Commodity-Markt gefangen war, bis die Unternehmensführung herausgearbeitet hat, dass sie Experten darin sind, sämtliche Prozesse in den Kundenunternehmen auf «online» zu trimmen, also Digitalisierungspartner zu sein.

Wohlgemerkt: Die Expertise ist oftmals bereits vorhanden und sie muss mitunter nur artikuliert und sauber herausgearbeitet werden. Ist erst einmal glaubhaft sichergestellt, dass eine solche Expertise besteht, ist man das, was der Titel dieser Kolumne gefordert hat: «Raus aus der Vergleichsfalle».

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