Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung

Perspektiven für Geringqualifizierte schaffen

Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) organisiert bis Ende 2017 unter dem Namen «Go next» Weiterbildung für Leute mit geringen Grundkompetenzen sowie die Ausbildung für deren Führungskräfte. Ein Projekt der Kantone zur Förderung der Grundkompetenzen ist mindestens bis 2024 geplant.
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Die handlungsorientierten Bildungsmassnahmen des Weiterbildungsprogramms «Go next» unterstützen Mitarbeitende dabei, die Anforderungen am Arbeitsplatz sicher zu bewältigen. «Go next»  richtet sich an Anbieter, die Bildungsangebote umsetzen wollen, sowie Betriebe, die ihre geringqualifizierten Mitarbeitenden fördern möchten. Das Projekt wurde von 2015 bis 2017 durchgeführt, das vorherige Projekt zwischen 2009 bis 2015.

Praktische Anwendung

In sechs Jahren Arbeit sind die Erfahrungen vieler Akteure in das Projekt «Go – Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen» eingeflossen. Entstanden sind drei tragende Instrumente, das Go- Modell, welches durch den Prozess leitet, ein sogenanntes «Toolkit» mit Werkzeugen zur Umsetzung sowie eine Weiterbildung im Go-Modell für Kursleitende. Zwei Beispiele:

  • Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) beschäftigen einige hundert Angestellte als Rangierarbeiter. Das An- und Abkuppeln von Zügen erfordert eine aktive Kommunikation und Koordination zwischen Rangier-Mitarbeitenden, Teamleitenden und Lokführern. Neuerungen und Veränderungen in den Arbeitsabläufen werden den Angestellten bei der SBB über Plakate oder mit zusätzlichen Blättern in einem Ordner mitgeteilt. Viele sind mit dem Informationsfluss am Arbeitsplatz überfordert. Im Rahmen des Projekts «Go Pilotierung» führte man mit 25 Rangierarbeitern eine Standortbestimmung durch. Neun Mitarbeitende beteiligten sich am Kurs «Erweiterung der Interaktionskompetenz / Kommunikation» und «Umgang mit Neuerungen», der die Themen Grundlagen der Kommunikation und Lernstrategien für den Umgang mit Neuerungen behandelte.
  • Das Westschweizer Paketverteilzentrum Postlogistics beschäftigt rund hundert Mitarbeitende aus der Schweiz und dem Ausland. Zehn Mitarbeitende absolvierten freiwillig eine Standortbestimmung und analysierten, über welche Bildung sie in Kommunikation, Lesen und Schreiben, Alltagsmathematik sowie IKT (Informations- und Kommunikationstechnik) verfügten. Gleichzeitig äusserten die Mitarbeitenden auch ihre eigenen Bildungswünsche. Das Modul «Kommunikation und Umgang mit IKT» waren schliesslich die Schwerpunkte der 30-stündigen Bildungsmassnahme bei Postlogistics.

2005 zeigte die Studie «Adult Literacy and Lifeskills» (ALL), dass in der Schweiz eine beträchtliche Zahl Erwachsener über nur ungenügende Grundkompetenzen verfügten. 800 000 Erwachsene konn­ten nicht richtig lesen und schreiben, 400 000 hatten Mühe mit einfachen Rechenaufgaben. Bei vielen Personen waren Defizite bei mehreren oder gar allen Grundkompetenzen festzustellen. Betroffen waren Schweizer und Ausländer.

Auf der gesellschaftlichen Ebene ergaben sich dadurch erhöhte Kosten bei der Arbeitslosenversicherung, der Invalidenversicherung sowie der Sozialhilfe, allein die Leseschwäche kostete die Arbeitslosenversicherung jährlich eine Milliarde Franken. Den meisten Kantonen fehlte ein adäquates und qualitativ hochste­hendes Weiterbildungsangebot in allen Grundkompetenzbereichen, welches den Bedürfnissen der Zielgruppe und gleichzeitig auch den Zielsetzungen der Ämter entsprochen hätte.

Projekt für Kantone

Um diese Missstände zu bewältigen, wurden im Projekt «Go Kantone» kantonale und /oder regionale Massnahmenpläne zur Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen entwickelt. Das Projekt ist ein Teilprojekt des nationalen Projekts «Go». Dieses wird von der Interkantonalen Konferenz für Weiterbildung IKW geleitet und vom Bundesamt für Berufsbildung BBT und von der Paul-Schiller-Stiftung finanziell unterstützt. Das Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG) sieht dafür die Ausrichtung von Finanzhilfen an die Kantone vor (Art. 16 WeBiG).

Für die erste Förderperiode stehen knapp 15 Millionen Franken zur Verfügung, um die Grundkompetenzen Erwachsener zu fördern. Die Ziele für diese Förderperiode sind in einem vom SBFI und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EKD) gemeinsam ausgearbeiteten Grundsatzpapier festgelegt. Dieses Dokument erläutert die vom WeBiG und von der Verordnung über die Weiterbildung (WeBiV) vorgegebenen Rahmenbedingungen und dient als Grundlage für die zwischen Bund und Kantonen unterzeichneten Leistungsvereinbarungen.

Die Nachfrage nach Bildungsmassnahmen im Bereich Grundkompetenzen steigt und Angebotslücken werden gezielt geschlossen. Die Bildungsmassnahmen sind miteinander koordiniert und gewähren Anschluss an eine formale Bildung oder eine Weiterbildung. Für eine weitere Periode 2021 bis 2024 werden die kantonale Zusammenarbeit, Angebotsstrukturen, Qualitätssicherung sowie Finanzierung geplant. Momentan stehen 18 Kantone kurz vor der Unterzeichnung einer Leistungsvereinbarung mit dem Bund.

Erfolgsmerkmale

Wesentlich für den Erfolg ist, dass die Bildungsmassnahmen nach dem Bedarf des Betriebs und der Mitarbeitenden ausgerichtet werden. Man geht in fünf Schritten vor:

  • Die Anforderungsanalyse beinhaltet Gespräche mit Mitarbeitenden und mit Vorgesetzten, Beobachtungen am Arbeitsplatz und ein Anforderungsprofil.
  • Die Bedarfserhebung bezieht sich auf die Anforderungen der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz. Sie sollte nicht zu eng gefasst sein. Auch private Anliegen sind Anknüpfungspunkte für Bildungsmassnahmen, die sich für den Betrieb lohnen können.
  • Bildungsmassnahme: Idealerweise treffen bei der Konzeption der Bildungsmassnahme der im Betrieb erhobene Bedarf und die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden zusammen. Die Teilnehmenden müssen spüren, dass die Schulungsinhalte für sie relevant und die Ziele erreichbar sind.
  • Transfer in den Arbeitsalltag: Bei Go organisiert man für die Anwendung in der Praxis ein spezielles Transferprojekt. Damit können Verzögerungen oder kurzfristige «Störungen» im Betriebsablauf verbunden sein, was man akzeptieren muss, um den Erfolg der Bildungsmassnahme zu sichern.
  • Evaluation: Die Überprüfung der Bildungsmassnahme zeigt, welchen Erfolg diese hat und welche weiteren Ziele zu setzen sind.

Die Benefits

Der Lerninhalt bezieht sich auf den Arbeitsalltag. Die Lektionen müssen gut geplant und konsequent umgesetzt werden, und die Qualität muss hoch sein. Im Betrieb sollte ein bestimmter Entscheidungsträger das Bildungsprojekt leiten. Die Weiterbildungsanbieter müssen bereit sein, ihre Kursräume zu verlassen und Zeit und Ort der Kursdurchführung an die Bedürfnisse der Betriebe anzupassen. Die Mitarbeitenden gewinnen Sicherheit im Lesen, Schreiben, Reden und Verstehen und kommen mit den Anforderungen der täglichen Arbeit besser zurecht. Das steigert das Selbstvertrauen und die Lern- und Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus motiviert es die Teilnehmenden dazu, sich auch später weiterzubilden und wenn nötig Berufsabschlüsse nachzuholen.

Die Bildungsmassnahmen nützen natürlich auch den Unternehmen. Mitarbeitende werden produktiver und flexibler in ihrer täglichen Arbeit. Mitarbeitende kommen mit der Technisierung und Standardisierung der Arbeitsabläufe besser zurecht. Verbesserte Grundkompetenzen reduzieren die psychischen Belastungen. Die höhere fachliche Qualifikation führt zu weniger Arbeitsunfällen sowie Zeitverlust. Dazu gewinnen Unternehmer Ansehen, wenn sie soziale Verantwortung übernehmen und geringqualifizierte Mitarbeitende fördern.

Ausbildung für Lernbegleitungen von Erwachsenen

2015 startete der SVEB ein Pilotprojekt, um eine Qualifikation für Lernbegleitungen von Erwachsenen zu lancieren. Neu gibt es zwei SVEB-Zertifikate:

  • SVEB-Zertifikat Kursleiterin / Kursleiter (bisheriges SVEB-Zertifikat, Gruppensettings)
  • SVEB-Zertifikat Praxisausbilderin / Praxis-
  • ausbilder. Beide Zertifikate sind unbeschränkt gültig.
  • Mit dem Ergänzungsmodul «Von der Praxisbegleitung zur Kursleitung» (AdA PA-E), kann ausgehend vom SVEB-Zertifikat Praxisausbilderin / Praxisausbilder zusätzlich das SVEB-Zertifikat Kursleiterin /Kursleiter erworben werden.

Für die Handlungskompetenzen, welche im Rahmen des Moduls «Lernbegleitungen mit Einzelpersonen durchführen» (AdA PA) erworben werden können, gilt die Gleichwertigkeit mit der Summe der Handlungskompetenzen folgender Abschlüsse:

  • Ausweis bzw. «Diplom» Berufsbildung in Lehrbetrieben (BBV 44)
  • SVEB-Zertifikat Kursleiterin / Kursleiter
  • Modulzertifikat AdA FA-M3
  • sowie 100 Stunden Praxis

Wer über alle diese Abschlüsse und die geforderte Praxis verfügt, kann bei der Geschäftsstelle der AdA das Zertifikat Praxisausbilderin / Praxisausbilder beantragen (kostenpflichtig 100 Franken). Ausbildungsmöglichkeiten für das SVEB-Zertifikat Praxisausbilderin / Praxisausbilder werden vorbereitet. Voraussetzung für Mitarbeitende, um den kompletten Bildungsgang zu absolvieren, sind Deutsch- und Computerkenntnisse.

Porträt