Strategie & Management

Unternehmensnetzwerke

Peer-to-Peer-Networking als beste Netzwerk-Option

Welche innovativen Networking-Möglichkeiten bieten sich Unternehmern, insbesondere Mittelständlern? Diese Frage stellen sich in der Corona-Krisenzeit viele Unternehmer, die wissen wollen, wie Gleichgesinnte die Krise stemmen. Denn vielleicht lässt sich von den Unternehmerkollegen lernen.
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Der erste Montag im Monat, an der Deutsch-Schweizer-Grenze: der CEO eines klassischen Maschinenbauers, ein Schweizer Familienunternehmer aus der Automobilzuliefererbranche, der Geschäftsführer eines grossen System-Gastronomen aus Österreich, der Inhaber eines Lebensmittelunternehmens, der Gründer eines wachsenden Digital-Dienstleisters und der Geschäftsführer eines Bäckerei-Filialisten: Sie alle sitzen an einem Tisch. 

Die Mitglieder des branchenunabhän­gigen DACH-Netzwerkes – es handelt sich um eine idealtypische und fiktive Gruppe – beratschlagen die aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise, tauschen Erfahrungen aus, berichten von Positiv- und Negativerlebnissen, beschreiben ihre jeweiligen kreativen Problemlösungen. 

Austausch auf Augenhöhe

Was funktioniert gut, was läuft schief – da sprudeln die inspirierenden Ideen zur Krisenbewältigung, es kommt zu innovativen Lernprozessen und konstruktiver Kritik. Nach diesem Prinzip arbeiten die Regionalgruppen des Peer-to-Peer-Netzwerkes «Vistage» (www.vistage-deutschland.de). Zuweilen sind die Teilnehmer sehr unterschiedlicher, ja, kontroverser Meinung, und das ist gut so, das Netzwerk lebt auch von der konstruktiven Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Doch dazu später mehr.

Gerade in Krisenzeit sind viele Unternehmer und Führungskräfte auf der Suche nach Optionen, sich zeitnah und kompetent mit Menschen auszutauschen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Denn Krisenzeiten zeichnen sich leider dadurch aus, dass niemand über eine Patentlösung verfügt. Der schnelle Austausch relevanter und vertrauenswürdiger Informationen und Erkenntnisse bietet die Chance, von anderen zu lernen und umsetzbare Impulse für das eigene Handeln zu erhalten.

Unternehmensübergreifend

Die unternehmensinterne Kommunikation stösst dabei an ihre Grenzen. Denn zuweilen kommt es vor, dass die Geschäftsführer oder Firmeninhaber im internen Kreis von ihren Mitarbeitern und Führungskräften keine angemessenen Antworten bekommen. Das ist nicht erstaunlich, denn diese sind bei Themen der unternehmerischen Gestaltung teilweise überfordert und können nicht immer kompetente Antworten geben. Sie sind zu nahe dran am Geschehen, und manchmal betreffen die Herausforderungen den eigenen Verantwortungsbereich, an dem sie keine Veränderungen vornehmen möchten. 

Der unternehmensübergreifende Austausch ist die bessere Lösung, sobald es um Fragen geht wie etwa: «Wie soll ich die neue vertriebliche Aufgabe umsetzen?», «Wie kann ich mein Führungs­team auf die neue Strategie einschwören?» oder «Wie implementiere ich in digitalen Zeiten agile Arbeits- und Teamstrukturen, um die Mitarbeiter stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden?» Spätestens jetzt fragen sich viele Geschäftsführer und Firmeninhaber, welche unternehmensübergreifenden Varianten des Networkings es gibt.

Alumni, Business-Club und Co.

Eventuell ist die Zusammenarbeit mit einer Unternehmensberatung sinnvoll. Aber dieser Weg ist oft teuer, und unklar ist, ob ein Berater tatsächlich über die gewünschten unternehmerischen Erfahrungen verfügt. Eine Beratung auf Augenhöhe ist wohl eher die Ausnahme. In einem Peer-to-Peer-Netzwerk stellt sich diese Frage nicht. Darum bevorzugen es viele Unternehmer, sich im Rahmen eines informellen Netzwerkes auszutauschen und zu beraten. Ein Beispiel dafür ist ein Alumni-Netzwerk, wobei sich alternativ der virtuelle Online-Kontakt in einem Alumni-Forum anbietet.

Eher formellen Charakter nimmt das Netzwerken an, wenn sich Geschäfts­führer und Firmeninhaber an ihren entsprechenden Berufsverband wenden, um die Kommunikation mit Menschen aus ihrer Branche zu suchen. Der Nachteil branchenspezifischer Netzwerke besteht darin, dass man meistens «unter sich» bleibt. Allerdings: Was geschieht, wenn der Unternehmer aus der Automobilzuliefererbranche «aus dem Nähkästchen plaudert», während der Konkurrent mit am Tisch sitzt?

In Business-Clubs lassen sich branchenübergreifend neue Geschäftsbeziehungen anbahnen. Neben Veranstaltungen und Events bieten Business-Clubs die Gelegenheit zu Gesprächs- und Diskussionsrunden, wobei sich die Gruppen jedoch nicht nur aus Unternehmern, Geschäftsführern und Firmeninhabern zusammensetzen. Und beispielsweise nutzt es dem Geschäftsführer des grossen Handwerksbetriebs wenig, wenn er eine Digitalisierungsstrategie umsetzen will und sich nun mit dem Verkaufsleiter einer Grossbäckerei unterhält. 

Buddy-Coaching

Deutlich interessanter für ihn wäre es, von dem Geschäftsführer eines Bäckerei-Filialisten zu erfahren, wie dort das Thema Digitalisierung erfolgreich bewältigt worden ist, um aus dessen Erfahrungen zu lernen. Die Erkenntnis daraus: Für Unternehmer, die vor allem den Austausch auf Augenhöhe von Unternehmer zu Unternehmer suchen und somit den ungefilterten Rat von Unternehmerkollegen aus anderen Branchen wünschen, stellt ein unternehmerisches Peer-to-Peer-Netzwerk die beste Networking-Option dar.

Zuweilen wird in diesem Zusammenhang von Buddy-Coaching gesprochen. Das Prinzip: Menschen derselben Hierarchiestufe – also Kollegen (Buddy = Kollege) – profitieren voneinander. Die kreative Kooperation ist ein Kernelement des Buddy-Coachings, bei dem ein Kollege mit dem anderen ein Gespräch mit der Zielsetzung führt, ihn bei der Lösung eines beruflichen Problems zu unterstützen, eine Schwäche abzumildern oder ein persönlich-privates Ziel zu erreichen, etwa: «Wie schaffst du das denn mit der Work-Life-Balance?»

Das Buddy-Coaching wird von einigen Unternehmen genutzt, damit sich Mitarbeiter gegenseitig helfen können. Dann sitzen der Vertriebsleiter, der Marketingleiter und die Leiterin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zusammen und tauschen sich aus. Natürlich bespricht ein Mitarbeiter die Problematik, dass ihn sein nicht allzu ausgeprägtes Selbstwertgefühl beruflich blockiert, lieber mit einem Kollegen, dem er vertraut, als mit einem Vorgesetzten. Das ist einer der wesentlichen Vorteile dieser Networking-Variante.

Peer-to-Peer-Netzwerk 

Kehren wir zurück zu der erwähnten exemplarischen und fiktiven internationalen DACH-Gruppe des Peer-to-Peer-Netzwerkes «Vistage». Der Hintergrund ist: Vistage greift den Bedarf auf, dass Unternehmer, Geschäftsführer und Firmeninhaber sich oft den branchenübergreifenden Austausch auf Augenhöhe wünschen. 

Das Netzwerk wurde 1957 in den USA gegründet, mittlerweile ist es mit Regionalgruppen in über 20 Ländern der Welt vertreten. Rund 23 000 Unternehmer haben sich der Vistage-Idee angeschlossen, weil – so formuliert es Heribert Voss, Geschäftsführer Vistage Deutschland – «auf diese Weise vertrauliche Gespräche von Unternehmer zu Unternehmer möglich sind, bei denen die Teilnehmer sich viele Frage stellen, um zu gemeinsamen Antworten zu gelangen».

Vertrauen als Grundlage

Das Konzept wird in der Praxis so gut angenommen, weil die so wichtige Vertrauensbasis existiert. Dies bestätigt das Vistage-Mitglied Claudia Lässig, Managing Director Lässig GmbH: «Das vertrauliche Umfeld ermöglicht es, alles ansprechen zu können, was mich beschäftigt. Die Einzelgespräche sind sehr fokussiert und helfen zusammen mit den Diskussionen in der Gruppe, Entscheidungen schneller, effektiver und unternehmerisch besser treffen zu können.» 

Und Kai Bülow, Geschäftsführer Depant Bauträger GmbH & Co. KG, ergänzt: «Der vertrauliche, offene und lösungsorientierte Austausch innerhalb der Gruppe und in Einzelgesprächen ist eine Bereicherung für meine unternehmerischen Entscheidungen im Arbeitsalltag.»

In den Regionalgruppen sind Menschen aus nicht konkurrierenden Branchen versammelt, sodass Wettbewerbskonflikte vermieden werden. Und weil das so ist, überbieten sich die Teilnehmer mit sehr konkreten Hinweisen und Tipps zu allen unternehmerischen Fragen und Belangen: Niemand muss die Befürchtung haben, dass «sein toller Tipp» geklont wird und vom Wettbewerb noch rascher in die Umsetzung gebracht wird als von dem Tippgeber selbst.

Bewährung in Corona-Krise

Die Vistage-Gruppen werden mittlerweile von den Unternehmern als externe Alternative zum Beirat angesehen. Hinzu kommt die Unterstützung durch einen lebenserfahrenen Vistage-Chair. Der Chair ist kein typischer Berater oder Coach, sondern eine Kombination aus Sparringspartner, Vertrautem, Moderator, Mentor und Vermittler. Das Prinzip: In regelmäs­sig stattfindenden Arbeitsmeetings sowie in privaten One-to-one-Coachings nutzt der Chair seine Erfahrungen, um andere Unternehmer auf ihrem Weg zu persönlichem und beruf­lichem Wachstum zu begleiten.

Diese unabhängige Art des Coachings durch einen unabhängigen Sparringspartner hat sich in der Corona-Krise bewährt. Denn Krisenzeiten sind immer Zeiten, in denen Geschäftsführer und Inhaber enorm dazulernen und versuchen müssen, mit einem Ausnahmezustand zurechtzukommen. Wer pragmatisch handeln und zielführende Entscheidungen trotz grosser Unsicherheit und hohen Zeitdrucks treffen muss, sucht nach Vorbildern. 

«Im Vistage-Netzwerk ist die spontane und zeitnahe Hilfestellung durch praktikable Hinweise möglich, die sich in anderen Unternehmen bereits bewährt haben», erläutert Heribert Voss, «Unternehmer lernen von Unternehmern, jeder ist mal Kunde, mal Berater». Auf diese Weise entsteht nach und nach ein Pool mit zielführenden Ideen und Erfahrungen. Und das ohne Eigeninteresse, ohne Wettbewerb und natürlich stets streng vertraulich.

Arbeit am Unternehmen

Eine neue Dimension der Unterstützung hat sich in der Krise etabliert – die Unterstützung mithilfe der virtuellen und digitalen Kommunikationsmedien. Auch im Networking wachsen digitale Onlinewelt und analoge Offlinewelt zusammen. So ist es selbst in Zeiten des Social Distancing und der Mobilitätsbarrieren gegeben, an der Weiterentwicklung des Unternehmens zu arbeiten, sich emotional bei der Bewältigung der Krise unter die Arme zu greifen und auf virtuellem Weg Zuversicht aufzubauen.