Strategie & Management

Umweltmanagement III

Neue Methoden der Gewässerreinigung

In den letzten Jahren hat man Verfahren entwickelt, mit denen man Medikamentenrückstände und Hormone aus dem Abwasser entfernen kann. Auch die Schweizer Kläranlagen werden entsprechend aufgerüstet. Für Unternehmen sind kleinere Anlagen wie Pflanzenkläranlagen interessant.
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Weltweit sind 50 Millionen organische Verbindungen im Wasser im Umlauf, von denen 5000 als potenziell umweltgefährdend eingestuft werden. Die Gewässer in Industrienationen sind mit Mikroschadstoffen wie Arzneimittelrückständen, Pflanzenschutzmitteln oder Schwermetallen belastet, die schwer abbaubar sind und trotz ihrer geringen Konzentration teilweise toxisch wirken. Inzwischen steigt die Resistenz vieler Krankheitserreger und Bakterien gegen wichtige Wirkstoffe wie Antibiotika, weil diese über die Ausscheidungen des Menschen und den Wasserkreislauf wieder ins Trinkwasser geraten. Auch Tiere sind von diesem Problem betroffen, z. B. Fische.

Aktivkohle als Bindemittel

Schon in den 1980er-Jahren hat man nach Möglichkeiten gesucht, um Medikamentenrückstände sowie Hormone aus dem Abwasser zu entfernen. In den letzten Jahren hat man Verfahren dafür entwickelt, vor allem mit Aktivkohle, die schon seit längerer Zeit zur Wasserreinigung verwendet wird. Neu ist das deutsche Verbundprojekt «Zero Trace», das am 1. Februar 2017 gestartet und auf eine Laufzeit von drei Jahren angelegt ist. Das Projekt wird vom Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik «Umsicht» unter der Projektleitung des Wupperverbands mit anderen Partnern durchgeführt und vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung durch den Projektträger Jülich gefördert.

Um Mikroschadstoffe wie Arzneimittelrückstände aus Abwasser zu eliminieren, kommen häufig Aktivkohlefilter zum Einsatz, die die organischen Stoffe an ihrer Oberfläche binden. Die Kohlebestandteile sind aus nur begrenzt verfügbarer Steinkohle, die nach dem Bindungsprozess speziell entsorgt, regeneriert oder in Verbrennungsanlagen vernichtet wird. Die Regeneration der Aktivkohle erfordert einen hohen energetischen und logistischen Aufwand. Im Projekt «ZeroTrace» will man Aktivkohlen entwickeln, die aus regenerativen Rohstoffen wie Kokosnussschalen hergestellt werden und in grossen Mengen preiswert zur Verfügung stünden.

Beim Auftakttreffen des «ZeroTrace»-Konsortiums am 21. Februar 2017 waren sich die beteiligten Fachleute einig, dass nach aktuellem Erkenntnisstand Aktivkohle in der Mikroschadstoff-Eliminierung langfristig nicht ersetzbar ist. So planen die Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung sowie Evers Wassertechnik und Anthrazitveredelung, Aktivkohle als Komposit herzustellen. Gemeinsam mit Enviro Chemie wird Fraunhofer «Umsicht» ein Verfahren auf Basis von «Electric Field Swing Adsorption» (EFSA) entwickeln, mit dem sich Aktivkohle vor Ort regenerieren lässt, statt sie unter grossem Aufwand zu einer zentralen Verbrennungsanlage zu fahren.

Das neue Verfahren soll die Wärme zum Ausbrennen der Aktivkohle elektrisch erzeugen: Der Aktivkohle werden elektrisch leitende Materialien wie Grafit zugefügt. Je elektrisch leitfähiger die Aktivkohle ist, desto besser erwärmt sie sich und desto vollständiger werden die Mikroschadstoffe in der Regeneration wieder abgelöst. Der gesamte Prozess soll schliesslich von Enviro Chemie anlagentechnisch umgesetzt und auf zwei Kläranlagen des Wupperverbands unter realen Bedingungen demonstriert werden. Zudem soll das Institut für Ressourcenmanagement Inter 3 erstmalig die Entwicklung neuer Aktivkohlematerialien und -verfahren im Rahmen einer Multi-Kriterien-Analyse untersuchen.

Neue Techniken in der Schweiz

Auch in der Schweiz werden die neuen Möglichkeiten genutzt, um die Spurenstoffe in den Gewässern zu entfernen. In Dübendorf (ZH) hat 2014 eine zusätzliche Klärstufe zur Behandlung von Mikroverunreinigungen ihren Betrieb aufgenommen. Die ARA Neugut ist die erste von rund 100 kommunalen Kläranlagen, die in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Um die nötigen finanziellen Mittel effizient einzusetzen, sollen gemäss Beschluss des Parlaments nur die wichtigsten Anlagen, die zusammen über die Hälfte des gesamten Abwassers in der Schweiz reinigen, aufgerüstet werden. Das wird in den kommenden 20 Jahren total 1,2 Mrd. CHF kosten. Finanziert wird das Projekt hauptsächlich über eine bei allen Abwasserreinigungsanlagen (ARA) erhobene Abwasserabgabe von maximal 9 Franken pro Kopf und Jahr.

Eawag und Empa erforschen zusammen mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft zukünftige Wohn- und Arbeitsformen, neue Konstruktionsmethoden und energieeffiziente Technologien. Im Projekt «Water Hub» geht es um die Frage, wie man mit Trenntoiletten Wasser sparen und Nährstoffe aus dem Urin zurückgewinnen kann. Die deutsche Firma Duravit hat die Toiletten in Zusammenarbeit mit der Eawag und weiteren Firmen entwickelt.

Die Spülung mit wertvollem Trinkwasser, das dadurch mit Ausscheidungen gemischt wird, sei absurd, sagt Bastian Etter von der Abteilung Verfahrenstechnik der Eawag, der das Projekt koordiniert. In der Kläranlage muss man nachher das Ganze mit einem enormen Energieaufwand wieder in die Bestandteile zerlegen. Stickstoff, Phosphor sowie zwei Drittel der Medikamentenrückstände im Abwasser stammen aus dem Urin; dieser macht jedoch nur ein Prozent der Abwassermenge aus. Fazit: Würde man den Urin von Anfang an abtrennen, könnten Kläranlagen mit viel kleinerem Aufwand betrieben werden.

In der Startphase realisiert «Water Hub» vor allem drei Projekte: die Behandlung und Verwertung von Urin (im Fachjargon: Gelbwasser), die Behandlung und Wiederverwertung von Dusch- und Abwaschwasser (Grauwasser) sowie die Behandlung von Fäkalschlamm aus Papier, Kot und Spülwasser (Braunwasser). Nach und nach werden weitere Projekte hinzukommen, darunter Forschung im Bereich Regenwasserverwertung, Innovationen gegen die Geruchsentwicklung von Abwasser oder eine Plattform für Kooperationen mit der Industrie.

Pflanzen-Kläranlagen

Für Unternehmen sind Pflanzenkläranlagen interessant, entweder wenn kein Anschlusszwang für das Abwasser besteht (siehe Box), oder wenn gereinigtes Wasser für interne Kreisläufe gebraucht wird. Im zweiten Fall werden die Kosten für Frischwasser sowie Abwassergebühren gespart. Eine freistehende Pflanzenanlage kostet einige Tausend Franken, der Vorteil ist aber, dass sich keine Wartungs­kosten und Reparaturen für Technik ergeben. Pflanzenkläranlagen eignen sich nicht für die Beseitigung aller Schadstoffe, zum Beispiel Schwermetalle.

Die ersten Pflanzenkläranlagen wurden von der Gartenbau-Lehrerin Käthe Seidel, auch «Binsen-Käthe» genannt (1907 bis 1990), in den 1950er-Jahren entwickelt. Käthe Seidel hatte die Flechtbinse erforscht und festgestellt, dass sie geeignet ist, Abwässer zu klären und zu renaturieren. Sie stellte fest, dass die Flechtbinse unter sehr verschiedenen ökologischen Bedingungen gedeiht und diese auch günstig verändern kann, da sie Sauerstoff in den Wurzelraum bringt.

Pflanzenkläranlagen werden heute noch mit Binsen und anderen Pflanzen, zum Beispiel Iris, Schilf und Sumpfsegge, Schlanker Segge und Ufersegge betrieben. Das Abwasser wird durch die Pflanzen in der Klärgrube oder vielmehr von den Bakterien in den Wurzeln gereinigt.

Damit die Reinigungsleistung der Anlage den hohen Anforderungen an die Abwasserklärung genügt, muss sie bestimmte Bestandteile enthalten. Im Absetzbecken setzen sich die festen Inhaltsstoffe als entsorgungspflichtiger Fäkalschlamm ab. Im Trockenfilterbecken mit zwei Kammern befindet sich ein Filter. Dieser besteht aus einem Vlies, das mit einer Schicht Kies und darüber mit Holzschnitzeln aus Laubholz bedeckt wird. Am Vlies setzen sich die Feststoffe an der Luft ab, ohne dass Geruch entsteht. Das Endprodukt ist Kompost.

Empfohlen wird die Kombination mit einer Komposttoilette, da es hier nicht zu einer Vermengung der festen und flüssigen Bestandteile kommt. Man kann damit den Flächenaufwand und die Kosten für Vorklärung reduzieren. Das Pflanzenbeet wird in der Regel mit Kies und Sand gefüllt und mit Schilf und anderen Wasser- oder Sumpfpflanzen bepflanzt.

Das Abwasser wird entweder mittels einer Pumpe intervallartig aus dem Sammelschacht oder über ein Gefälle eingeleitet und durchströmt das Pflanzenbeet. Dabei muss man darauf achten, dass kein Regenwasser vom umliegenden Gelände in das Pflanzenbeet eindringen kann. Wenn nötig muss ein Graben mit einem Ablauf angelegt werden, siehe Fotos. Im End- oder Kontrollschacht wird das gereinigte Abwasser gesammelt und kontrolliert. Dabei müssen die Vorschriften für die Qualität des Abwassers befolgt werden.

Naturnahe Systeme im Test

In dem deutsch-israelischen Verbund vorhaben «Optimization of subsurface treatment units based on novel indicators (Opti)» wird erforscht, wie naturnahe technische Systeme – wie technische Feuchtgebiete (z. B. Pflanzenkläranlagen) oder Sandfilter die Belastung des gereinigten Abwassers mit Arzneistoffen, Haushaltschemikalien, Krankheitserregern sowie antibiotika-resistenten Bakterien verringern können. Das Projekt wurde im August 2016 in der deutschen Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz präsentiert.

Im Projekt Opti werden naturnahe Systeme (technische Feuchtgebiete sowie Sandfilter) zur Nachbehandlung kommunal gereinigten Abwassers auf ihre landwirtschaftliche Nutzbarkeit in Gebieten mit Wasserknappheit untersucht.

Im Fokus der Untersuchungen stehen ausserdem sogenannte Retentionsbodenfilter, die zur Behandlung von überschüssigem Schmutzwasser bei Starkregenereignissen einsetzbar sind.