Die Verkaufstrainerin betritt den Seminarraum. Die Teilnehmer – die Macht der Gewohnheit übt ihre Herrschaft aus – sitzen mit Papier und Stift bewaffnet bereit, um all das mitzuschreiben, was sie gleich zu hören bekommen. Dies ist erst das erste von sieben Seminaren mit jeweils vier Stunden: «Puh, das bedeutet viel Frontalunterricht, viel Zuhören, viel Mitschreiben – viel Langeweile!» Und der Lernerfolg ist mehr als zweifelhaft.
Neurodidaktische Prinzipien
Doch dieses Mal ist alles anders: Die Erwartungen der Teilnehmer werden in einem positiven Sinn enttäuscht. Die Trainerin klärt im Dialog die Erwartungen ab, diskutiert, warum die Teilnehmer mit dem neuen Know-how in ihrem Verantwortungsbereich noch erfolgreicher sein können. «Es kommt nicht darauf an, zum Beispiel die neuen Einwandbehandlungsmethoden aus dem Effeff zu kennen, sondern sie in Ihren Kundenkontakten individuell einsetzen.» Die Trainerin startet mit einer Demonstration, in der sich die Verkäufer wiederfinden. Diese erleben, wie Verkaufsgespräche häufig in der Regel ablaufen. Es geht aber auch anders. Die Trainerin zeigt in einer zweiten Demo, wie es besser gehen könnte, sie führt vor, erläutert die neue Methode auf mehreren Sinneskanälen, macht sie nachlebbar, fühlbar, greifbar, lässt die Teilnehmer ausprobieren, mitmachen, anwenden. Kaum zu glauben: Die Verkäufer bauen ein fast schon sinnliches Verhältnis zu den neuen Einwandbehandlungsmethoden auf, weil sie die neuen Inhalte auf ihre Verkaufsgespräche der nächsten Woche beziehen.
Das sind die Teilnehmer nicht gewohnt – Langeweile kommt nicht auf, sie sind emotional beteiligt und engagiert, sie spüren und wissen, dass ihnen das Training helfen wird, den Kundenkontakt zu verbessern. Sie merken: «Es geht um mich und um die Lösung meiner aktuellen Fälle im Kundenkontakt.» Die Trainerin motiviert einerseits die vorsichtigen Bewahrertypen unter den Teilnehmenden mit sicherheitsorientierten Argumenten: «Mit der Einwandbehandlungsmethode können Sie das Gespräch besser kontrollieren.» Andererseits spricht sie die impulsiven Teilnehmer an, die sich über kreative Inspirationen freuen, wie sie selbst bei schwierigen Kunden, die einen Einwand an den anderen reihen, doch noch zu Abschlüssen gelangen.
Kein Wunder, dass sich alle Verkäufer auf das nächste Intervall in zwei Wochen freuen. In den 14 Tagen werden sie das neue Wissen in ihren Kundenkontakten einsetzen, dann im Trainingsraum darüber berichten, von der Gruppe und der Trainerin kritisch-förderliches Feedback erhalten, das weiterhilft. Was läuft hier anders als in üblichen Seminaren? Entscheidend ist: Die Trainern beachtet die Grundprinzipien der Neurodidaktik und sorgt dafür, dass die Teilnehmer über Erfahrungswissen lernen – und nicht nur über Fachwissen.
Nachhaltig lernen braucht Zeit
Die Grundsätze der Neurodidaktik fussen auf Erkenntnissen der Hirnforschung. Sie belegen und betonen oft auch das Selbstverständliche, das dennoch von Weiterbildnern zuweilen sträflich vernachlässigt wird: Nachhaltiges Lernen braucht Zeit, gelungene Weiterbildung ist nicht im Sekundentakt möglich, die Seminarabläufe müssen so strukturiert sein, dass der Denkapparat der Teilnehmer Zeit und Musse hat, Verbindungen zwischen neuem und vorhandenem Wissen herzustellen, Synapsen zu stärken und zu bilden.