Strategie & Management

Human Resources Management II

Möglichkeiten der «Just-in-time»-Personalplanung

Leerläufe und Engpässe sind häufige Ressourcenräuber. Neue Modelle, wie zum Beispiel der «Just-in-Time»-Personalverleih, können das Personalmanagement vereinfachen. Dank flexiblen Arbeitskräften, die in kürzester Zeit zur Verfügung stehen, können Unternehmen gezielt auf Auftragsspitzen reagieren.
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Arbeiten von zu Hause aus, im Zug, frühmorgens oder in der Nacht ist schon heute in vielen Unternehmen möglich oder sogar selbstverständlich. Bei einigen Firmen gibt es keine fixen Arbeitsplätze mehr – die Arbeitswelt wird agiler. Dies legt auch die deutsche Studie zur «Digitalen Transformation» dar, die 2015 von der Personalberatung Intersearch Executive Consultants veröffentlicht wurde: Die Mehrheit der befragten Führungskräfte geht davon aus, dass Arbeitszeit und -ort immer flexibler werden. Gemäss der Studie «Work Anywhere» (aus dem Jahr 2013) der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW wirken sich individuelle Arbeitszeiten und Home Office positiv auf Produktivität, Arbeitszufriedenheit und -qualität aus.

Flexibilität ist Zukunft

Doch nicht nur die Art und Weise der Arbeit wird flexibler, vermehrt sind auch Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer an vari­ablen Arbeitseinsätzen interessiert und schätzen diese Art der Arbeitsweise: Gemäss Swissstaffing, dem Schweizer Unternehmerverband für Personaldienstleister, ist die Branche 2014 gegenüber dem Vorjahr um mehr als sieben Prozent gewachsen. Die flexiblen Arbeitseinsätze sind aus der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Ebenso findet dieses Arbeitsmodell bei den Arbeitnehmern immer mehr Anklang: 2014 wollten 43 Prozent der Beschäftigten nach ihrem ersten Einsatz weiterhin temporär arbeiten (2010: 34 Prozent), wie eine Studie von Swissstaffing zeigt. Der amerikanische Ökonom Arun Sun-dararajan der Stern School of Business der New York University geht davon aus, dass in naher Zukunft die Vollzeitstelle in einem Unternehmen eher die Ausnahme als die Regel sein wird. In Amerika arbeiten gemäss der Gewerkschaft der Freelancers Union bereits heute rund 53 Millionen Amerikaner freiberuflich – ein Drittel aller Erwerbstätigen.

Digitalisierung unaufhaltsam

Damit diese flexiblen Arbeitskräfte an unterschiedlichsten Orten Einsätze leisten können, braucht es eine geeignete Vermittlungsplattform. Hier kann die Digitalisierung Hilfestellung bieten. Was mit Amazon, Google und Apple begann, weitet sich immer weiter aus. Unternehmen wie Whatsapp, Tesla, Uber oder Airbnb haben mit einer einzigen cleveren Idee ganze Branchen revoltiert, Wertschöpf­ungsketten aufgebrochen und Milliardenumsätze generiert. Die Digitalisierung erfolgt branchenübergreifend in rasantem Tempo. Eine sogenannte «Digitale Transformation» findet statt. Dieser Begriff umschreibt die kontinuierliche Veränderung der Unternehmensprozesse und -interaktionen, angestossen durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Dabei geht es um den Wandel, welcher auf der Vernetzung von Mensch und Maschine basiert. Dieser Wandel führt dazu, dass sich Geschäftsmodelle weg vom Produkt zunehmend in Richtung Dienstleistung, mit eventuell eingebautem Produkt, entwickeln. Aufgrund der Digitalisierung verändert sich die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Stakeholdern interagieren. Die kluge Auswertung von Daten bietet die Grundlage für neue Modelle, welche Produkte, Dienstleistungen, Preise und Vertriebstätigkeiten gestalten. Wer sich diese Datenanalysen geschickt zunutze macht, kann die Kosten reduzieren und die Effizienz steigern. So auch im Personalwesen: Heute können Unternehmen innert vier Stunden, oder sogar weniger, Arbeitskräfte finden. Algorithmen ermöglichen eine schnelle und kurzfristige Personalvermittlung. Auf Plattformen findet der Arbeitgeber per Mausklick jederzeit Arbeitskräfte. Dabei kann auf diverse Variablen, wie Ort und Dauer des Auftrages, eingegangen werden. Die Vermittlung findet via Mobile-Applikation und Push-Mitteilungen in Echtzeit statt. Die Transaktionskosten sind bei dieser sogenannten «Just-in-time»-Personalplanung tief und es ist jederzeit ein grosser Pool an Arbeitskräften verfügbar. Dank gegenseitiger Bewertung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird zudem die Qualität sichergestellt.

Hilfe bei Notfällen

Sobald die Tage heiss werden, verlangen plötzlich alle einen Ventilator, regnet und stürmt es jedoch, werden vermehrt Regenschirme gekauft: Grossaufträge sind nicht immer vorhersehbar. Sie lassen zwar die Kassen klingeln, sind aber eine Herausforderung für die Personalplanung. Nicht nur das Wetter, sondern auch viele weitere, nicht planbare Parameter wie Krankheit, wirtschaftliche Situation etc. beeinflussen den Personalbedarf. Oftmals entstehen Peaks oder Ausfälle sehr kurzfristig (siehe Abbildung). Deshalb ist es wichtig, dass das Unternehmen innert kürzester Zeit Verstärkung organisieren kann.

«Just-in-time» als Strategie

Häufig müssen KMU mit ihren Ressourcen sorgfältig umgehen. Die Löhne stellen dabei einen wichtigen Kostenfaktor dar. Deshalb ist es entscheidend, dass die Personalkosten optimiert werden. Dies soll jedoch nicht die Kürzung von Leistungen beinhalten, sondern durch das Vermeiden von Leerläufen und Unterforderung passieren. Nicht nur in Notfällen wie Krankheit oder einem wetterbedingten Ansturm, sondern auch bei der strategischen und langfristigen Optimierung des Personalmanagements kommt die Digitalisierung zum Einsatz: Sie vereinfacht und verbessert die Personalprozesse.

In der heutigen Zeit ist es für Unternehmen ein Muss, flexibel und agil zu sein. Dies hat einen Einfluss auf die Personalplanung. Langjährige, erfahrene Mitarbeiter mit vertieften Kenntnissen des Unternehmens und der Prozesse bleiben das Kapital der Firma: Sie bilden das Fundament. Es macht jedoch Sinn, das Team durch einen Pool von flexiblen Mitarbeitern zu ergänzen. Gewisse Arbeiten können auch ohne genaue Kenntnisse der Organisation erledigt werden. Externe Hilfe bietet also Entlastung und überbrückt die intensiven Zeiten. Die festangestellten Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich auch in diesen Phasen auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Eine Kombination aus Festangestellten, die den Betrieb von der Pike auf kennen, und fle­xiblen Fachkräften, die das Team im Bedarfsfall ergänzen, ist ein Modell, das sich bewährt. Die Herausforderung dabei ist jedoch die Personalsuche. Häufig fehlen die Zeit und das Netzwerk, um gute flexible Fachkräfte zu finden. Insbesondere die Rekrutierung und Administration für kurzfristige Einsätze sind kos­tenintensiv. Ein Outsourcing kann sich deshalb auch für KMU lohnen.

Sinnvolle Probezeit

Manchmal passt eine Arbeitskraft so gut in die Firma, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach einem Kurzeinsatz die feste Mitarbeit der Person wünschen: Ein Arbeitsvertrag wird aufgesetzt. Zudem gibt es Kandidaten, genauso wie Führungskräfte, die sich vor einem verbindlichen Arbeitsvertrag oft erst einmal beschnuppern möchten. Damit bekommt der Arbeitgeber die Gewissheit, dass der CV hält, was er verspricht, und der Kandidat seinerseits merkt schnell, ob das Umfeld ihm behagt und die neuen Kollegen sympathisch sind. Stimmt die Chemie, steht einem langfristigen Arbeits­verhältnis nichts mehr im Weg. Teure Fehlbesetzungen werden verhindert, Rekrutierungskosten gespart und die Zufriedenheit auf beiden Seiten gesteigert.

Die «Just-in-time»-Personalplanung ermöglicht Arbeitgebern ein neues Ausmass an Flexibilität sowie neue Rekrutierungschancen. Für den Arbeitnehmer ist es eine Möglichkeit, sein Leben abwechslungsreich und frei zu gestalten. Damit diese Arbeitsform ein Win-win-Modell ist, sind vertragliche Richtlinien jedoch wichtig. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und allfälliger GAVs ist ein Muss, damit die Freude an der Arbeit beiderseits bestehen bleibt.

Natürlich sind auch beim Einsatz von «Just-in-time»-Personal hohe Kompetenzen in der Personalplanung gefragt. Die festangestellten Mitarbeitenden optimal einzusetzen, ist essenziell. Das Ergänzen durch flexible Mitarbeitende ermöglicht es jedoch, den unplanbaren Parametern mit neuen Mitteln gegenüberzutreten: Der Personalverantwortliche kann die Mitarbeiter effizienter einplanen. Die Aufgabe des Personalverantwortlichen entfällt also keinesfalls. Die sozialen Kompetenzen in Verbindung mit soliden Kenntnissen des Kerngeschäfts sind nach wie vor die Basis.

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