Strategie & Management

Personalentwicklung

Methoden und Instrumente für Problemlösungen

Damit eine Organisation die nötige Veränderungsdynamik entfaltet, müssen die Mitarbeiter eine Routine im eigenständigen Erkennen und Lösen von Problemen entwickeln. Das haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb feilen sie an entsprechenden Personal- und Organi­sationsentwicklungskonzepten.
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Gelingt es uns, in unserer Organisation neue Denk- und Verhaltensroutinen zu verankern? Diese Frage entscheidet weitgehend darüber, wie nachhaltig der Erfolg von Changeprojekten ist. Das haben viele Unternehmen erkannt. Entsprechend systematisch planen und managen sie heute in der Regel grössere, meist bereichs- und häufig sogar unternehmensübergreifende Changeprojekte. Hierfür nutzen sie unter anderem folgende Tools.

Hoshin Kanri

Oft stellt das Top-Management von Unternehmen ein, zwei Jahre nach Einführen einer neuen Strategie fest, dass diese nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, weil

  • die Führungskräfte auf der operativen Ebene (und ihre Mitarbeiter) die Strategie nur bedingt mittragen,
  • die Mitarbeiter nicht wissen, auf welche Ziele sie ihre Aktivitäten fokussieren sollen,
  • ihnen die nötige Kompetenz fehlt, um die Strategie im Arbeitsalltag umzusetzen, und
  • in den Abteilungen und Bereichen ein Silodenken dominiert, das zu Insel­lösungen führt.

Diese Schwächen bei der Strategieumsetzung sollen bei der Arbeit mit Hoshin Kanri vermieden werden, indem

  • alle Führungskräfte top-down in den Prozess der Strategieentwicklung und Umsetzungsplanung involviert wer­den,
  • die sogenannte «Breakthrough»- oder Durch­bruchziele definiert werden, auf die die gesamte Organisation ihre Energie fokussiert,
  • eine crossfunktionale Abstimmung der (Detail-)Ziele und Massnahmenpläne zwischen den Bereichen erfolgt und
  • den Mitarbeitern die Kompetenz vermittelt wird, die eigene Leistung sukzessiv zu erhöhen.

Hoshin Kanri unterscheidet sich von anderen Managementsystemen dadurch, dass das Top-Management die Vision  mit allen Führungskräften der nächsten Ebene entwickelt – ebenso die aus der Unternehmensvision und -strategie abgeleiteten Breakthrough-Ziele, auf die das Unternehmen seine Aktivitäten in den kommenden Jahren fokussiert. Aus den Breakthrough-Zielen leitet das Top-Management dann in sogenannten Zielklausuren erneut mit der zweiten Führungsebene die jährlichen Hoshin-Ziele ab, die die Meilensteine zum Erreichen der Breakthrough-Ziele sind. Die Hoshin-Ziele werden nach ihrer Festlegung wie beim Management by Objectives («Führen mit Zielen») auf die nächsten Ebenen kaskadiert. Ein zentraler Unterschied ist jedoch: Nach dem Definieren der Ziele und Erstellen der Pläne erfolgt eine crossfunktionale Abstimmung zwischen den Abteilungen, Gruppen und Teams – in einem sogenannten Catchball-Prozess. Das heisst, in den Zielklausuren «werfen» alle Teilnehmer wie bei einem Ballspiel zunächst Ideen hin und her, bevor eine Verständigung auf Ziele, Massnahmen und Kennzahlen erfolgt.

Der PDCA-Zyklus

Beim Erreichen der Ziele und Umsetzen der Massnahmen im Betriebsalltag spielt beim Hoshin Kanri der aus dem Lean Management bekannte PDCA-Zyklus eine Schlüsselrolle. Er besteht aus vier Phasen.

Phase 1: Plan

In ihr werden das Problem und der Ist-Zustand beschrieben sowie die (Kern-)Ursachen des Problems analysiert. Ausserdem wird der Ziel-Zustand formuliert. Zudem werden Messgrössen für das Erreichen des Ziel-Zustands definiert.

Phase 2: Do

In ihr werden die Massnahmen zum Erreichen des Ziel-Zustands fixiert.

Phase 3: Check

In ihr werden die beim Umsetzen der Massnahmen erzielten Ergebnisse reflektiert und die Massnahmen bei Bedarf nachjustiert.

Phase 4: Act /Adjust

In ihr werden die im Prozess der Problemlösung gesammelten Erfahrungen evaluiert und hieraus Standards für das künftige Vorgehen abgeleitet.

Diesen Prozess durchlaufen die Arbeits­teams stets, wenn sie ein Problem oder eine relevante Verbesserungschance erkannt haben. Dann wird ein neuer PDCA-Zyklus gestartet, mit dem Ziel einen neuen Standard im Unternehmen zu etablieren, der als Basis für weitere Verbesserungen dient.

Der A3-Report

Der Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran empfahl vor circa 60 Jahren japanischen Topmanagern, Problemlösungen, Entscheidungsgrundlagen und Strategien aus Gründen der Übersichtlichkeit auf einem Blatt Papier darzustellen – im DIN-A3-Format. So entstand der A3-Report. Er ist ein Instrument zum Lösen von Problemen. Zugleich soll er jedoch den Denkprozess beim Problemelösen für die Mitarbeiter transparent machen, so dass bei ihnen ein Lernprozess angestossen wird, der zu einem tieferen Verständnis der Probleme führt und ihnen die Kompetenz vermittelt, nachhaltige Lösungen für diese zu entwickeln. In den A3-Report-Formblättern findet man die vier Phasen des PDCA-Zyklus wieder. Der A3-Problemlöseprozess besteht aus sieben Analyse- und Arbeitsschritten. Die ersten vier auf der linken Seite des Formblatts beziehen sich auf die Plan-Phase. Die rechte Seite spiegelt die Do-, Check- und Act-Phase wider (siehe Abb. 1).

Nach der Beschreibung des Problems, der Problemursachen und -konsequenzen sowie des Ist- und Ziel-Zustands in den ersten vier Textfeldern des Reports werden im fünften die «Gegenmassnahmen» aufgelistet, die die Kernursachen des Problems beseitigen und so eine nachhaltige Lösung ermöglichen. Im sechsten Schritt «Erfolgswirkung» wird überprüft, ob die Gegenmassnahmen zum geplanten Ergebnis führten. Zudem werden bei einer Zielabweichung die Gründe hierfür benannt. Im siebten sowie letzten Schritt «Standardisierung und Follow-up» wird der Gesamtprozess evaluiert. Und es wird reflektiert, welche Massnahmen zusätzlich ergriffen werden sollten, um die Verbesserungen zu sichern sowie noch weiter ­voranzutreiben.

Lean Leadership

Beim Versuch, eine Lean- oder KVP-Kultur in ihrer Organisation zu verankern, stellen Unternehmen immer wieder fest: Solange die Mitarbeiter keine Routine im eigenständigen Erkennen und Lösen von Problemen entwickelt haben, müssen die Führungskräfte das Streben nach Verbesserung stets aufs Neue anstossen. Deshalb feilen sie an neuen Führungskräfte- sowie Personalentwicklungs­konzepten, um dieses Dilemma zu lösen. Dabei orientieren sie sich oft am Lean-Leadership-Development-Modell. Dieses Modell unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften vier Stufen.

Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln.

Dahinter steckt die Annahme, dass künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten sowie
Wirken zu reflektieren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen.

Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln.

Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese
ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.

Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen.

Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern.

Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen.

Nun geht es darum, das «Silo-Denken» zu überwinden und alle Aktivitäten in der Organisation so aufeinander abzustimmen, dass die übergeordneten Unternehmensziele erreicht werden. Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich die Unternehmen eine höhere Innovationskraft ihrer Organisation; ausserdem, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt – und zwar in dem Masse, wie ihre Mitarbeiter die Kompetenz entwickeln, eigenständig ihr Verhalten und Wirken zu reflektieren und sich zu entwickeln.

Kata Coaching

Routinen sind das Ergebnis eines längeren Prozesses des fortlaufenden Wiederholens und (Ein-)Übens. Dieses bewusste Einüben von Routinen – und zwar für das Entwickeln und Umsetzen neuer Lösungen – ist das Ziel des Kata Coaching. Kata werden im asiatischen Kampfsport Verhaltensweisen genannt, die so sehr ver­innerlicht wurden, dass sie beinahe reflexartig ausgeführt werden.

Das schrittweise Entwickeln einer solchen Verhaltenssicherheit bei Mitarbeitern setzt drei Dinge voraus:

  1. Die Mitarbeiter müssen wissen, welches übergeordnete Ziel sie erreichen möchten. Sie benötigen eine Vision.
  2. Sie müssen wissen, was sie lernen müssen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Und:

Sie müssen eine Methode kennen, um sich die noch fehlende Kompetenz anzueignen.

Als Hilfsmittel hierzu dienen

  • das aus der Vision abgeleitete Verbes­serungs-Kata, das die Prozesse beschreibt, um sich dem Idealzustand anzunähern, und
  • das Coaching-Kata, mit dessen Hilfe die (Problemlöse-)Kompetenz der Mitarbeiter systematisch ausgebaut werden soll.

Die Verbesserungs-Kata: Die Ver­besserungs-Kata gibt den Weg zum Ziel-Zu­stand nicht vor, sondern dieser wird experimentell ermittelt – in kleinen Mini-Projekten. Hierdurch sollen die Mitarbeiter ermutigt werden, sich in ihre Lernzone zu begeben und so ihre Komfortzone Schritt für Schritt zu erweitern. Dabei werden sie von den Führungskräften mittels des Coaching-Kata unterstützt. Die Verbesserungs-Kata besteht aus vier (Arbeits-)Schritten.

Schritt 1

Sein Ziel ist es, die von der Vision vorgegebene Richtung für die langfristige Entwicklung grob zu verstehen.

Schritt 2

In ihm wird der Ist-Zustand analysiert und beschrieben.

Schritt 3

In ihm werden neue Ziel-Zustände auf dem Weg zum Soll-Zustand definiert. Zudem wird ermittelt, welche Hindernisse zu beseitigen sind, um den Ziel-Zustand zu erreichen.

Schritt 4

Nun wird im PDCA-Verfahren schrittweise auf das Erreichen des Ziel-Zustands hingearbeitet. Das heisst, nach einer ersten (Massnahmen-)Planung werden die Mitarbeiter aktiv. Dabei checken sie regelmässig, inwieweit ihr Vorgehen zielführend ist. Die Führungskräfte begleiten diesen Prozess.

Das Coaching-Kata: Beim Kata Coaching sind die Führungskräfte Lernbegleiter und Coachs ihrer Mitarbeiter. Sie unterstützen diese beim Entwickeln neuer Routinen und zwar mittels eines systematisierten Verfahrens, des Coaching-Kata.

Dieses orientiert sich an fünf Fragen, die die Führungskraft ihrem Mitarbeiter (oder ihren Mitarbeitern) bei regelmässigen Treffen immer wieder stellt.

Frage 1: Was ist der Ziel-Zustand des Prozesses?

Der Mitarbeiter soll den Ziel-Zustand zu Beginn jedes Coachings stets aufs Neue beschreiben, damit er diesen verinnerlicht.

Frage 2: Was ist der aktuelle Ist-Zustand?

Aktuell bedeutet: Wie ist der Zustand heute – zum Beispiel nachdem erste Mass­nahmen ergriffen wurden?

Frage 3: Was hindert Sie daran, den Ziel-Zustand zu erreichen?

Der Mitarbeiter soll ermitteln, welche Hindernisse dem Erreichen des Ziel-Zustands (noch) im Wege stehen, um hieraus noch vorhandene Handlungs- und Lernfelder abzuleiten.

Frage 4: Welches Hindernis gehen Sie als nächstes an? Was ist der nächste Schritt?

Der Mitarbeiter soll sein weiteres Vor­gehen planen. Zugleich wird ein neuer PDCA-Zyklus gestartet.

Frage 5: Wann können wir uns ansehen, was Sie /wir aus dem letzten Schritt gelernt haben?

Diese Frage soll die nötige Verbindlichkeit erzeugen – auf der Handlungs- und Lernebene

Das Streben nach Verbesserung

Das beschriebene Verfahren zielt darauf ab, das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung in der DNA der Mitarbeiter zu verankern. Dahinter steckt die Erkenntnis: Der Changebedarf in den Unternehmen ist heute oft so gross, dass er immer schwieriger top-down erfasst und gemanagt werden kann. Also müssen sich die Mitarbeiter in Richtung Selbstentwickler entwickeln, die selbst erkennen, was es aufgrund des angestrebten Ziel-Zustands zu tun gilt und wo bei ihnen noch ein Entwicklungsbedarf besteht.

Diese Kompetenz bei Mitarbeitern zu entwickeln, erfordert Zeit, Geduld und Liebe zum Detail; ausserdem Führungskräfte, die sich als Coach ihrer Mitarbeiter verstehen und sich intensiv mit den Mitarbeitern und wertschöpfenden Prozessen befassen. Deshalb lautet eine Regel beim Kata Coaching: Lieber ein Mal zehn Minuten pro Tag coachen als ein Mal pro Woche eine Stunde. Das Coachen der Mitarbeiter setzt eine Investition von Zeit seitens der Führungskräfte voraus. Das klingt nach einer Mehr-Belastung von ihnen. Mittelfristig führt das Kata Coaching zu einer Entlastung der Führungskräfte. Je mehr Routine die Mitarbeiter und Arbeitsteams im eigenständigen Erkennen und Lösen von Problemen haben, umso seltener ist die Führungskraft als Unterstützer gefragt.

Porträt