Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Marke: Mythos oder Mittel zum Wachstum?

Was man unter «Marke» versteht und was man mit einer «Marke» tun oder lassen soll, darüber gibt es unzählige Aufsätze, Schriftsätze, Vorträge. Wie aber sieht es aus, wenn man «Marke» einmal nicht als Selbstzweck, sondern als Wachstumsmittel, also als Mittel zum Zweck betrachtet?
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Nicht genug der vielen Worte, die über «Marke» verloren werden, es entstanden und entstehen auch immer neue Begriffe: Markentechnik, Markenführung, Markenkongruenz, Markenmanagement, … man ergänze die Liste beliebig. Vielen der Begriffe und vielen der Ansätze, aus denen sie entstanden sind, ist einiges gemein, denn oft geht es um eher technische als um emotionale Aspekte. Es wird versucht, eine Technik zu vermitteln, und es werden abstrakte Gebilde gebaut, mit deren Hilfe Marken gemanagt, geführt, entwickelt werden sollen. Es wird versucht, Ungreifbares greifbar zu machen, und natürlich versucht auch jedes Beratungsinstitut, seinen Ansatz als den besten darzustellen. Der Gipfel ist dann erreicht, wenn Werbeagenturen meinen, sie müssten jetzt auch «Marke» als Leistungselement anbieten. Das Resultat ist oft nicht hinreichend, um es einmal vorsichtig zu formulieren.

Eine Frage der Perspektive

Nun mag man mir vorhalten, dass ich auch eine Beratungsgesellschaft führe und auch wir zahlreiche Markenprojekte mit den Klienten durchführen und durchgeführt haben, ich also ein Interesse daran haben könnte, andere Ansätze in ein weniger positives Licht zu stellen, als die eigenen. Aber das ist nicht mein Interesse, ich möchte dem geneigten Leser hier gerne einfach eine andere Herangehensweise an das mitunter mystisch sowie mythisch anmutende Thema «Marke» nahebringen, weil ich festgestellt habe, dass die Perspektive wichtig und aus Sicht unserer Klienten auch äusserst hilfreich ist. Es geht nämlich nicht in erster Linie um «Marke», sondern um Wachstum. Es geht um die Frage, wie ein Unternehmen sich gesund, wirtschaftlich und inhaltlich weiterentwickeln kann. Das Thema «Marke» ist dabei ein Mittel zum Zweck und nicht Zweck an sich. Das ist einer der wesentlichen Gedanken, den ich in diesem Beitrag gerne vermitteln möchte. Man kann auch ohne Marke wachsen, aber mit einer gut aufgebauten Produkt- und/oder Unternehmensmarke geht es besser.

An dieser Stelle lohnt es sich, einmal den Unterschied zwischen Produktmarke und Unternehmensmarke genauer zu beleuchten: Sind uns Produktmarken oder mit Abstrichen auch Dienstleistungsmarken noch nahe, gerät der Begriff der Unternehmensmarke doch häufig ins Abstrakte. Der Unterschied aber ist aus Sicht der Wachstumsberatung gering, denn wir vereinfachen «Marke» wie folgt: «Marke ist das, was Ihre Kunden über Ihr Produkt oder Ihr Unternehmen sagen, wenn Sie nicht dabei sind.» Mag das zu einfach klingen? Vielleicht, aber es führt zum Ziel, denn eine Marke soll dem Kunden klar sein. Eine Marke ist ein regelhaft abrufbares Leistungsversprechen, eine regelhaft abrufbare Qualität, ein Element des Vertrauens zwischen den Kunden und dem Unternehmen. Regelmässige Leser dieser Wachstumskolumne werden sich möglicherweise daran erinnern, dass an dieser Stelle schon mehrfach das Thema «Wertaussage» besprochen wurde. Marke und Wertaussage hängen sehr stark miteinander zusammen und voneinander ab.

Die Unternehmensmarke bewusst entwickeln und nutzen

Ob ein Unternehmen sich als Marke am Markt darstellen will oder ob es sich darauf beschränkt, seine Produkte und Leistungen als Marken zu führen, muss im Rahmen der Unternehmensstrategie festgelegt werden. In der Vergangenheit haben sich beispielsweise einige Konsumgüterhersteller mit ihrem Unternehmensnamen und der damit verbundenen Marke eher zurückgehalten und nahezu ausschliesslich die Produktmarken in den Vordergrund gestellt; man denke an Procter & Gamble oder Unilever. Inzwischen findet man hier durchaus eine stärkere Repräsentation der Unternehmensmarke.

Nestlé hat unserer Beobachtung zufolge schon wesentlich länger auch auf der Unternehmensebene mit der Marke gearbeitet und dabei Produktmarken entwi­ck­elt, die bereits sehr nahe an der Unternehmensmarke stehen: Nescafé und Nespresso sind allseits bekannte Beispiele. Wenn demnach sowohl die Unternehmensmarke als auch die Produkt- (oder Dienstleistungs-) Marken am Markt gespielt werden sollen, müssen sich diese hierarchisch kongruent verhalten, was nichts anderes heisst, als dass sich die Produkte aus dem Unternehmen ableiten lassen müssen (top-down) und dass es im Unternehmen keine Marken geben darf, die nicht ins Gefüge passen. Wir plädieren nahezu immer dafür, die Unternehmensmarke bewusst zu entwickeln und zu nutzen.

Wollen wir über Marke als Wachstumsmittel sprechen, ist es wichtig, mit einigen Irrtümern aufzuräumen, die immer noch herumgeistern. Einer dieser Irrtümer ist, dass sich Marke in einem Erscheinungsbild, einem Logo, einem Slogan, einer Verpackung, irgendeiner äusseren Repräsentanz also erschöpft. Eine solche Annahme ist unternehmensstrategisch gefährlich, denn folgt man ihr, kommt man schnell dazu, dass man ja eigentlich nur der Marketing-Abteilung und der seit Jahren verbundenen Agentur den Auftrag geben müsse, «ein paar Entwürfe» zu machen und diese dann vorzustellen. Manche Klienten sprechen ein wenig despektierlich (und auch desillusioniert) davon, dass das wieder eine der Veranstaltungen wird, wo das Marketing oder die Werbeagentur die «Pappen» zeigt.

Das Ringen um den Markenkern

Natürlich müssen sich irgendwann äussere Repräsentationen der Marke zeigen und natürlich gehören auch Logos, Designs, Schriften, Verpackungen und vieles mehr dazu. Der Schritt aber, der zuvor gegangen werden muss, ist der des Erarbeitens der Marke im Rahmen der strategischen Überlegungen, und dies beginnt schon bei der Un­ternehmensstrategie. Erst wenn die Frage geklärt ist, welcher Grundstrategie sich das Unternehmen verpflichtet (Kostenführerschaft, Innovationsführerschaft oder Leistungsführerschaft), ergibt die Diskussion über Marke einen Sinn, denn diese muss sich nach der Grundstrategie richten. Ist diese Strategie festgelegt, erfolgt eine Arbeit, die ein wenig Geduld und Detailtiefe erfordert; es geht dann nämlich um die Erarbeitung des Markenkerns und seiner begleitenden Attribute.

Das Ringen um den Markenkern sollte bei Familienunternehmen mit den Gesellschaftern oder – bei grossen Familienunternehmen – mit einem autorisierten Kreis von Gesellschaftervertretern erfolgen und die Geschäftsführung muss den Prozess führen und steuern. Der Markenkern ist eng verbunden mit der Vision des Unternehmens und daher ist dies eine hochstrategische Erörterung. Ist er erst gefunden, wird die gesamte Markenhierarchie klarer und es wird deutlich, welche Produkte und Leistungen zum Unternehmen passen. Man gehe angesichts dieser strategischen Relevanz also einem weiteren Irrtum nicht auf den Leim, der da heisst «Marke ist Sache des Marketings». Das ist es nicht. Marke ist Sache der Unternehmensführung.

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