Strategie & Management

Industrie 4.0 (Teil 2 von 3)

Lückenlose Datenhoheit durch Blockchain-Technologie

Datenübermittlungsprotokolle und Verifizierungen laufen immer noch über Server und Datenbanken, oft zeitverzögert und kontrolliert von einzelnen Instanzen. Fast unbemerkt hat sich jedoch eine Technologie durchgesetzt, die sich mit der Verschlüsselung und Ve­rifizierung von komplexen Datentransaktionen beschäftigt: die Blockchain-Technologie.
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Blockchain und Bitcoin werden einige für unzertrennlich halten und sie haben damit Recht. Denn Blockchain ist die Technologie hinter der Kryptowährung Bitcoin. In ihr steckt aber viel mehr als «nur» ein Zahlungsmittel. Dazu bedarf es jedoch einem kleinen theoretischen Unterbau. Um die digitale Transaktion durchzuführen, müssen erst einige Dinge geklärt werden. Einerseits muss überprüft werden, ob der Sender die Werte überhaupt besitzt und er diese auch wirklich versenden möchte und andererseits muss eine Instanz oder ein Mechanismus abklären, ob der Sender denselben Wert nicht mehrfach versenden will. Diese Prozesse wurden bis anhin von einer dritten Instanz wie einem zentralen Server oder Service festgehalten (wie beispielsweise der Six in der Schweiz im Bereich Zahlungsverkehr oder Börsengeschäfte). Die Blockchain-Technologie ermöglicht nun, all diese Informationen in einer öffentlichen Datenbank, einer sogenannten Datenbankkette, festzuhalten.

Die Blockchain-Technologie

In der neuen digitalen Wirtschaftsordnung werden Blockchains eine zentrale Rolle spielen. Nüchtern betrachtet, ist alles simpel: Die Blockchain (Blockkette) ist eine Datenbank, die sich nach vorgegebenen Regeln selbst aufdatiert. Für eine wachsende Schar von IT-Enthusiasten ist die Blockchain aber weit mehr: Es ist der Schlüssel zu einer neuen und viel besseren Welt. Stellen Sie sich einmal vor, Sie könnten sich komfortabel von Hotspot zu Hotspot verbinden und nur für diese wenigen Sekunden bezahlen, während Sie mit der Tram durch die Stadt fahren. Den Sicherheitsaspekt mal aussen vor gelassen, Blockchain könnte genau dieses Szenario ermöglichen. Keine langen Verträge, keine Kündigungsfristen, keine Verbindungsabbrüche sowie Vertrauen auf Telekomanbieter oder andere Betreiber.

Bis jetzt ist die Blockchain insbesondere
im Zusammenhang mit Bitcoin bekannt. Doch neun der weltgrössten Banken untersuchen zur Zeit, wie sie die Technik für transparente Transaktionen zwischen Computern selbst nutzen können. Die elektronische US-Börse Nasdaq hat angekündigt, mit der Bitcoin-Blockchain das sichere Ausstellen und den Transfer von Aktien zu ermöglichen. Und die Musikindustrie erhofft sich, mit der Blockchain ihr Geschäft zu retten. Zwar sind die meisten der Projekte noch im Alpha- oder sehr frühem Betastadium, doch schon bald werden sie zum Alltag.


Funktionsweise

Ihren Namen verdankt die Blockchain den Block-Dateien, welche Informationen über Transaktionen speichern. Jede einzelne Transaktion wird zusammengefasst und in Blöcken abgewickelt, sofern sie noch nicht in der Blockchain erfasst ist. Ist ein Block «vollständig», ergibt sich ein neuer Block und somit entsteht eine Kette. In jedem neuen Block ist der Hash-Wert seines Vorgängerblocks enthalten, das stellt sicher, dass eine ununterbrochene Kette entsteht, über die sich die Blockchain vom jeweils aktuellen Block aus zurückrechnen lässt. Das zentrale Kassabuch kann man daher mit einem Gestein vergleichen. Die einzelnen Schichten werden blockweise erfasst und auf­einandergeschichtet. Keine einzige Zahlung – und sei sie noch so klein – geht da­bei verloren. Drei entscheidende Vorteile zeichnen das neue System aus:

  • Transaktionen können in Echtzeit abgewickelt werden.
  • Sie erfolgen anonym (aber rückverfolgbar).
  • Und es braucht dafür keine Zwischenhändler wie Banken oder Kreditkarteninstitute.

 

Mehrstufiges, komplexes System

Das Erstellen eines neuen Blocks ist nicht trivial: Jeder wird durch eine komplexe Berechnung erstellt, welche durch sogenannte «Miners» (Englisch: Minenarbeiter) gelöst wird. Das System verwendet dabei den SHA-256-Hashing-Algorithmus. Je mehr Blocks berechnet wurden, desto schwieriger und rechenintensiver wird diese Aufgabe. Nach jeweils 2016 erstellten Blocks, also etwa alle 14 Tage, wird dazu das Schwierigkeitsziel des Systems angepasst. Ziel ist es, dass ungefähr alle zehn Minuten eine Aufgabe gelöst wird. Sobald ein Knoten im Netzwerk die aktuelle Aufgabe gelöst hat, wird der Block angehängt.

Damit ein Block gültig wird, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Alle Bitcoin-Clients teilen sich das sogenannte Target, eine 256 Bit lange Nummer. Der Hash eines neuen Blocks muss dem Target entsprechen oder kleiner sein als das Target. Das macht die Berechnung der Blocks zu einem Glücksspiel: Ist der Hash gleich oder kleiner als das Target, kann der Block gültig werden. Falls nicht, ändern die berechnenden Knoten einen Wert im sogenannten Nonce, einem speziellen, 32 Bit grossen Feld, und errechnen den Hash-Wert erneut. Durch die Änderung ist der Wert komplett neu; sobald er berechnet ist, wird er wieder mit dem Target verglichen.

Erfüllt der neue Block nun die Vorgaben, was auch als Proof of Work bezeichnet wird, wird er Teil der Blockchain, und die Berechnung des nächsten Blocks beginnt. Es gilt dabei: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Sollten mehrere Blöcke die gleichen Transaktionen bestätigen, werden die anderen verworfen und die Validatoren gehen leer aus. Warum tut sich also jemand diesen Rechenaufwand an? Ganz einfach: Derjenige, der den Block berechnet, erhält aktuell 25 Bitcoins für seine Mühen. Daher auch der Begriff «Miner», denn mit der Lösung einer Aufgabe erschafft er neue Bitcoins. Diese Belohnung wird alle 210 000 Blocks, das heisst un-gefähr alle vier Jahre, halbiert. Da jeder Block nach der Berechnung nicht mehr veränderbar ist, wird jede Überweisung und jede Umbuchung festgeschrieben –wie in einer grossen Excel-Datei, in der nur neue Einträge erstellt und keine älteren gelöscht werden können.


Transparenz als Sicherheit

Anders als im klassischen Banksystem sind diese Daten aber nicht unter Verschluss, sondern werden transparent an alle Knoten, also Endpunkte, im Blockchain-Netzwerk verteilt. Das hat den gros­sen Vorteil, dass es so gut wie unmöglich ist, dass eine Partei die Daten verändert. Denn da jeder nachfolgende Block der Hash-Wert des vorherigen Blocks ist, müsste die komplette darauf basierende Kette ebenfalls neu berechnet werden. Ohne einen riesigen Aufwand an Rechenleistung ist dies kaum machbar. Der Angreifer müsste nicht nur alle vorangegangenen Blocks neu berechnen, sondern auch konkurrierenden Validatoren zeitlich zuvorkommen.

Neben der unveränderbaren Struktur ist Transparenz einer der grossen Vorteile: Über die Blockchain lassen sich die Transaktionen nachvollziehen. Auf Blockchain.info kann beispielsweise jeder sehen, welche Bitcoin-Transaktionen durchgeführt werden. Anders als oft behauptet, ist Bitcoin also nicht komplett anonym. Im Gegenteil, der Weg einer Überweisung lässt sich von jedermann einsehen, nur die Nutzer hinter den Accounts sind anonymisiert. Sobald ein Nutzer bekannt ist, lassen sich seine Transaktionen im Netzwerk finden.

Praxisbeispiele

«Follow My Vote» will die Manipulation von Wahlen mit Hilfe der Blockchain-Technologie ein für alle Mal beenden. Die Macher sind der Meinung, dass sie somit eine Wahlplattform erstellen können, wo Wähler sicher und transparent abstimmen können. Kein schlechter Ansatz, denn das Thema E-Voting wird zwar immer wieder heiss gehandelt, aber aktuelle Lösungen sind entweder manipulierbar oder gegen künftige Herausforderungen nicht gewappnet.

Um sich für eine Abstimmung auszuweisen, könnte ein anderes Projekt, «Onename», helfen. Nutzer können ihre eigene ID in der Blockchain registrieren, die Daten einsehen und ändern – wahlweise für Personen oder Unternehmen. Diese Profile lassen sich in sozialen Netzwerken oder auch als digitale Visitenkarten nutzen. Entwickler könnten mit diesen sicheren IDs arbeiten und beispielsweise Login- oder Chat-Systeme damit koppeln.

Die Möglichkeiten scheinen fast unbegrenzt, vor allem im dezentralen Peer-to-Peer-Bereich. Welche Alltagserleichterer den Entwicklern dazu noch einfallen, kann nur spekuliert werden. Aber mit Sicherheit ist es genauso spannend wie damals, als die erste industrielle Revolution einsetzte: Ungeahnte Möglichkeiten, Chancen wie auch Gefahren kommen auf Firmen sowie auf Privatpersonen zu. Die Weichen sind gestellt, der Zug rollt. Wie schnell er fährt und wohin die Reise geht, zeigen wir im nächsten, dritten Teil dieser Serie: Die ersten Schritte mit dem Internet of Things.

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