Strategie & Management

Organisationsmodelle

Langfristige Wettbewerbsvorteile durch Lean Enterprise

Der starke Franken schwächt die Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz. Viele Unternehmen haben die Frankenstärke deutlich gespürt. Und zwar nicht nur im Export-Bereich, sondern im Schweizer Markt durch ausländische Konkurrenten. Mit der Entwicklung zur Lean Enterprise kann ein Unternehmen dennoch auf Erfolgskurs gebracht werden.
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Die Währungsschwankungen wirken sich für viele Schweizer Unternehmen negativ auf den Unternehmenserfolg aus. Es stellt sich die Frage, wie mit dem starken Franken umgegangen werden kann.

Die Antwort ist klar: mit der Entwicklung zur Lean Enterprise und somit der Produktivitätssteigerungen in allen Bereichen; nicht nur in der Fertigung, sondern auch in indirekten Bereichen wie der Administration oder der Entwicklung.

Wettbewerber holen auf

Die Transformation des Unternehmens zur Lean Enterprise stärkt die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig und kann ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg werden. Eine abteilungsübergreifende Produktivitätssteigerung kann durch die permanente Vermeidung von nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten erreicht werden.

In der Schweiz ist die Produktivität bereits sehr hoch. Gemäss Avenir Suisse sind Schweizer Unternehmen bezüglich Wettbewerbsfähigkeit Weltmeister und weisen pro Kopf die grösste Industrieproduktion auf. In Bezug auf die Produktivitätssteigerung steht die Schweiz jedoch weltweit nur an 27. Stelle. Die Schweiz muss also aufpassen, dass sie nicht von anderen Ländern eingeholt oder sogar überholt wird.

Was «Lean» bedeutet

«Lean» und «Lean Management» sind für die Entwicklung zur Lean Enterprise unabdingbar. Die Begriffe werden jedoch oft falsch verstanden und meist haben Führungskräfte sowie Mitarbeitende unterschiedliche Vorstellungen von deren Definition. Lean Management wird oft mit schlanken Organisationsstrukturen, Personalabbau und hohen Stückzahlen assoziiert. Dabei hat es mit all dem nichts zu tun. Schlank oder eben «Lean» bedeutet, dass Prozesse frei von Verschwendung sind. Hierbei spielt es keine Rolle, welcher Art sie sind. Prozessoptimierungen durch Reduktion von nicht-wertschöpfenden Elementen können und sollen in allen Unternehmensbereichen umgesetzt werden. Lean Management umfasst sämtliche Lean-Aktivitäten in einem Unternehmen und insbesondere die Art und Weise, wie geführt wird.

Durch Lean-Management-Aktivitäten wird die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gestärkt. Viele Firmen haben die nachhaltigen Vorteile von Lean Management gegenüber allen kurzfristigen Massnahmen wie zum Beispiel Arbeitszeiterhöhungen oder dem Drücken von Lieferantenpreisen erkannt und daraufhin Lean-Aktivitäten gestartet.

Schritte zur Lean Enterprise

Doch wie wird Lean Management eingeführt? Wie wird ein Unternehmen schlank? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Welches ist die beste Vorgehensweise? Die nachfolgenden fünf Punkte müssen auf dem Weg zu einer Lean Enterprise zwingend beachtet werden.

Commitment der Geschäftsleitung

Die wichtigsten Voraussetzungen sind Wille und Commitment der Geschäftsleitung, den Lean-Weg bedingungslos einzuschlagen und voranzuschreiten. Lean Management ist kein befristetes Projekt, sondern dauerhaft in der Strategie und in der Unternehmenskultur zu verankern. Veränderung ist Chefsache und kann nicht wegdelegiert werden. Nur diejenigen Transformationen haben Erfolg, bei denen die Geschäftsleitung vorangeht und die Priorität hochhält.

Die Geschäftsleitung muss sich bewusst sein, dass eine Lean-Transformation har-te Knochenarbeit bedeutet. Menschen verändern sich nicht gern. Prozesse werden nur schlank, wenn sich Mitarbeiten-de sowie Führungskräfte anpassen. Das wird nie zum Selbstläufer. Die Führungskräfte müssen permanent Energie investieren, sonst schläft die Veränderung wieder ein. Commitment bedeutet auch, Zeit zur Verfügung zu stellen, um bestehende Prozesse im Team zu analysieren, Potenziale zu identifizieren und anschliessend neue, schlanke Prozesse zu erarbeiten und sie umzusetzen. Diese «Investition» sollte parallel zum Tagesgeschäft ablaufen.

Rascher Erfolg in einem Pilotprojekt

Viele sind Lean gegenüber skeptisch eingestellt. Um die Skeptiker im Unternehmen zu überzeugen, lässt man Zahlen, Daten und Fakten sprechen. In einem gezielt ausgewählten Pilotprojekt wird innerhalb von drei bis vier Monaten ein Prozess umgekrempelt, und dabei werden überzeugende Resultate ausgewiesen. Eine Produktivitätssteigerung um 30 Prozent oder eine Durchlaufzeitreduktion um 80 Prozent sind durchaus möglich und lassen auch Gegenargumente verstummen. Die richtige Auswahl des Pilotprojektes ist wichtig. Der zu verbessernde Prozess muss für das Unternehmen relevant sein. Skepsis kann auch mit einem Besuch in einem anderen Unternehmen abgebaut werden, welches bereits Lean-Erfahrungen hat.

Nach dem Pilotprojekt wird die Lean Roadmap erarbeitet, die zwingend auf die Unternehmensstrategie abgestimmt sein muss. Die Roadmap beinhaltet Teilprojekte, die notwendig sind, um die strategischen Ziele zu erreichen, und sie legt deren Reihenfolge fest. Dabei sollte Schritt für Schritt vorgegangen und nicht versucht werden, in allen Bereichen gleichzeitig Lean-Projekte zu starten. Das würde die Organisation mit Sicherheit überfordern.

Transparenz schaffen

Die Zeit der Führungskräfte ist knapp. Um die Zeit im Unternehmen richtig einzusetzen, wird eine tagesaktuelle Transparenz über Abweichungen vom Soll-Wert benötigt. Das Führungsinstrument Shopfloor Management (tagesaktuelle Visualisierung von Kennzahlen vor Ort) bringt diese Transparenz. Verbunden mit einem strukturierten Problemlösungsprozess werden damit Abweichungen sofort mit wirksamen Gegenmassnahmen behoben. Zudem wird am Ende des Monats ein frustrierter Blick auf die Monatsauswertung mit verfehlten Zielen ver-mieden. Shopfloor Management sollte deshalb früh während der Lean-Transformation eingeführt werden.

Zur Transparenz gehört auch eine offene Kommunikation im Unternehmen, um die permanent vorhandenen Ängste in der Belegschaft abzubauen. Welche Ziele will das Unternehmen mit Lean erreichen? Mit Lean soll mehr Effizienz und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden, um so mit der gleichen Mannschaft mehr leisten zu können, nicht um mit einer kleineren Mannschaft das Gleiche zu leisten. Das ist ein feiner, aber wichtiger Unterschied, der einen grossen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeitenden hat.

Externe Unterstützung

«Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.» Es braucht externe Unterstützung im Haus, um Schwung in die Lean-Transformation zu bringen. Lean-Berater bringen Methodik und Know-how mit. Im Laufe der Zeit besteht die Gefahr, dass die eigenen Mitarbeitenden und Führungskräfte betriebsblind werden, im Sinne von: «Das haben wir schon immer so gemacht.» Prozessverbesserungen beschränken sich dann auf wenig wirksame «kosmetische» Massnahmen.

Der externe Lean-Berater sorgt dafür, dass auch «revolutionäre» Ansätze betrachtet werden, die drastische Verbesserungen bei den Kennzahlen bringen. Weil ein Berater Geld kostet, wird im Tagesgeschäft eher Zeit für Workshops zur Verfügung gestellt. Ohne externe Beratung wird diese Zeit im Tagesgeschäft oft nicht freigegeben und Verbesserungsprojekte ziehen sich in die Länge.

Eigene Verbesserungsorganisation

Auch mit externer Unterstützung ist der Aufbau einer eigenen Lean-Organisation wichtig. Die internen Lean-Experten haben die Aufgabe, das Methoden-Know-how der externen Lean-Berater zu übernehmen. Sie werden von den Bereichen und Abteilungen zur Unterstützung beigezogen und ersetzen nach einer gewissen Zeit die externe Beratung. Dabei gilt die Faustregel, dass sich pro 100 Mitarbeitende eine Lean-Vollzeitstelle rechnet.

Fazit

Lean Enterprise bedeutet Produktivitätssteigerung in allen Bereichen. Dies wird durch das permanente Vermeiden nicht-wertschöpfender Tätigkeiten erreicht. Trotzdem ist es erstaunlich, dass nicht viel mehr Unternehmen auf den Lean-Zug aufspringen. Der Grund liegt wohl darin, dass die Führungskräfte den Aufwand scheuen, ihr Unternehmen einer Lean-Transformation zu unterziehen.

Jede Organisation braucht ihre Zeit, um sich zu verändern, so liegt es an der Geduld der Führungskräfte, der richtigen Lean-Dosierung und ihrem Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen, ob sich ein Unternehmen in eine «lernende Organisation» transformieren kann. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen, lohnt sich jedoch aufgrund der Produktivitätssteigerung und der langfristigen Wettbewerbsvorteile allemal.

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