Strategie & Management

Changemanagement

Kommunikative Herausforderungen für einen neuen CEO

Durch die Digitalisierung notwendige Change-Prozesse sind eine grosse Herausforderung. Um die Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, bauen manche KMU auf einen Wechsel an der Unternehmensspitze. Ein entscheidender Faktor ist dann, wie es dem neuen CEO gelingt, den Prozess nicht nur zu führen, sondern vor allem auch optimal zu kommunizieren.
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Beim Grossverteiler scannen und bezahlen Kunden ihre Produkte immer häufiger selber. Fluggäste erhalten ihre Boarding-Card elektronisch; direkt auf ihre App. Und Angestellte begleichen ihr Mittagessen in der Betriebskantine – dank neuer Technologie – via Smartwatch. Unsere Gesellschaft ist mittendrin in der Digitalisierungsphase. Sie macht auch vor KMU nicht halt. Diese haben die individuellen Herausforderungen der Digitalisierung anzunehmen, die Hürden zu überwinden und schliesslich die Chancen zu nutzen. Nur so kann das wirtschaftliche Überleben des Betriebs langfristig gesichert werden.


Ausgangslage

Für diesen Change-Prozess holen viele KMU einen neuen externen CEO, der mit seinem Blick von aussen in der Lage sein soll, die Ausgangslage des Betriebs und des Marktes richtig zu analysieren. Er soll mit frischem Wind, einer klaren Strategie und allenfalls mit personellen Veränderungen dafür sorgen, dass der Betrieb durch den Change-Prozess seinen Platz in der digitalen Welt findet und einer rosigen Zukunft entgegenschauen kann. Dieses immer häufiger auftretende Szenario bei KMU soll für diesen Fachartikel als Ausgangslage dienen.

Ein neuer Arbeitgeber bedeutet für jeden CEO eine markante persönliche und berufliche Veränderung, weil damit viele komplexe Fragestellungen und neue Herausforderungen mit Chancen und Risiken verbunden sind. Als Vorbereitung für die neue Stelle muss sich der CEO automatisch mit einer ganzen Reihe von relevanten Fragen auseinandersetzen, bevor er überhaupt den Fuss am ersten Arbeitstag über die Schwelle des neuen Betriebs setzt. Wie funktioniert die Branche mit all ihren Stakeholdern? Welche wirtschaftlichen, politischen und kommunikativen Voraussetzungen und Ziele hat die Unternehmung? Welche Identität und Werte gelten inner- wie auch ausserhalb des Betriebs? Was will und muss der neue CEO im Betrieb verändern? Wie, mit wem und bis wann will er die Veränderungen erreichen? Und wie kann der Change-Prozess gegenüber den Mitarbeitern und gegenüber der Öffentlichkeit erfolgreich kommuniziert werden?

Die Erwartungshaltung der eigenen Mitarbeiter, und je nach Bekanntheit des Betriebs auch der Öffentlichkeit, ist bei einem Change-Prozess stark ausgeprägt. Intern herrscht ein soziales System. Der neue CEO schüttelt mit seinem Verhalten, neuen Regeln und möglicherweise einer neuen oder angepassten Strategie dieses soziale System durcheinander. Kommunikativ ist das für ihn eine grosse Herausforderung. Deshalb ist der erste Eindruck vor der Belegschaft entscheidend. Er muss zwingend ehrlich, spürbar und gleichzeitig auch positiv sein.


Der erste Arbeitstag

Die Mitarbeiter und die anderen Stakeholder sind gespannt. Was kommuniziert die neue Frau oder der neue Mann an der Spitze? Nebst einer empathischen, direkten Ansprechhaltung gegenüber den Mitarbeitern muss der CEO gekonnt erste Botschaften kommunizieren. Die wichtigste Botschaft ist, dass es Veränderungen geben wird. Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Ausgangslagen: Entweder er kommuniziert aus strategischer Sicht, dass er das Bestehende harmonisch weiterentwickeln möchte, oder aber es gibt bruchartig einen radikalen Schnitt. Deshalb ist für die Mitarbeiter und die wei­teren Stakeholder der CEO automatisch im Schaufenster. Der Verwaltungsrat muss hinter ihm stehen und dies auch kommunizieren.

Wenn wir aufgrund des Change-Prozesses mitten in der Digitalisierung davon ausgehen, dass der CEO die Hauruck-Variante wählen muss, dann dient es ihm, wenn er beim ersten Arbeitstag erste unternehmerische Ziele kommuniziert, die er in den ersten hundert Tagen erreichen kann. Zudem muss er auch kommunizieren, dass er mit allen relevanten Personen Gespräche führen wird, um sich ein Bild vom Betrieb machen zu können. Dadurch wird der CEO zwar nah- und greifbar, aber auch angreifbar. Denn unter anderem wird er an der Erreichung seiner Ziele und deren Kommunikation intern und extern gemessen werden.

Bei seinem ersten Auftritt vor der Belegschaft ist für den CEO entscheidend, wie er visuell auftritt. Dabei gilt insbesondere zu beachten, welchen Ort er wählt. Entscheidet er sich beim Industriebetrieb für die Produktionshalle, für die grosse Wiese vor dem Hauptgebäude oder doch für das Sitzungszimmer in der Managementabteilung? Eine Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Jeder Ort hat eine andere Wirkung gegenüber dem Publikum. Zentral ist dabei die Überlegung, ob man in der Produktionshalle die Nähe zu den Arbeitern sucht, im Garten eher den Kumpel-Typ gibt oder im Sitzungszimmer die klassische Firmen-Hierarchie wirken lassen möchte.

Entsprechend der Wahl des Ortes gilt es die Kleidung anzupassen. Eine Krawatte in der Produktionshalle ist gleich fehl am Platz wie der Freizeitlook im Sitzungszimmer. Wichtig ist, dass die Kleidung stets zu einem selbst passt, zum gesprochenen Inhalt, zum Publikum, zum Ort und zum Image des Betriebs. Erst dann ist es möglich, dass sich der CEO in dieser nicht alltäglichen Auftrittssituation möglichst wohl fühlt. So stehen die Chancen gut, dass seine Wirkung authentisch und glaubwürdig ist und er eine Nähe zum Publikum aufbauen kann. Der visuelle Auftritt ist aus Publikumssicht das wichtigste Entscheidungsmerkmal, ob ein Auftritt erfolgreich ist oder nicht. Die empfundene Wahrnehmung entspricht für die meisten der Realität.

Der visuelle und verbale Auftritt müssen aus einem Guss kommen. Der Inhalt soll beispielhaft, bildhaft und konkret sein. Inhaltliche Passagen sind bei der Rede besonders gelungen, wenn der CEO den Ort der Rede und das Publikum in seine Gedanken miteinfliessen lässt. Eine positive Wahrnehmung führt häufig mindestens zu kurzfristiger Loyalität, Motivation und steigendem Einsatz. Aufgrund der Wichtigkeit solcher Auftritte nutzen immer mehr Führungskräfte massgeschneiderte Kommunikationstrainings. Jeder wichtige interne und externe Auftritt soll gut vorbereitet und geübt sein. Das empfiehlt auch diverse Fachliteratur.

Die ersten 100 Tage

Während eines Change-Prozesses ist es von grosser Wichtigkeit, dass gegenüber Mitarbeitern regelmässig, proaktiv, ehrlich und direkt kommuniziert wird. Die Erfahrung zeigt, dass in der Unternehmenshierarchie überall schlummernde Energien und Innovationskräfte vorhanden sind, die durch den CEO im Change-Prozess geweckt und mit auf den Weg genommen werden können. Dafür braucht es eine exakte Planung, wie die Strategie aussieht und wie die ersten unterneh­merischen Ziele erreicht und kommuniziert werden sollen. «Kommunikation muss als Teil der unternehmerischen Agenda verstanden werden. Sie gehört zum Kerngeschäft eines jeden CEO und darf nicht delegiert werden. Die Organisation von Wahrnehmung ist der Schlüssel für den Unternehmenserfolg – und damit auch für den Erfolg des CEO», schreiben die beiden deutschen Kommunikationsberater Egbert Deekeling und Olaf Arndt in ihrem Buch «CEO-Kommunikation: Strategien für Spitzenmanager». Die Ziele sollen «smart» sein: spezifisch, messbar, abgestimmt, relevant, terminiert. Die klare Planung ermöglicht eine bewusst organisierte Wahrnehmung intern bei den Mitarbeitern und extern bei der Öffentlichkeit. Der CEO gewinnt an Steuerungshoheit und in der Regel auch an Zeit.

Zwischenbilanz: Der 100. Tag

Nicht nur die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat, sondern auch die Mitarbeiter und weitere relevante Stakeholder machen für sich eine erste Zwischenbilanz. Welche Versprechen hat er erfüllt? Welche nicht? Der CEO steht womöglich zum ersten Mal kritisch im Rampenlicht. Er muss kommunizieren, dass sich der Betrieb in einem Prozess befindet und der Istzustand nicht bleiben wird. Er muss klar aufzeigen, wohin man will. Entscheidend wird bei der Zwischenbilanz sein, ob das Personal weiter hinter ihm steht.

Obwohl gesamtheitlich betrachtet die Kommunikation des Prozesses wichtiger ist als erste erreichte Ziele, so sind es doch just bereits erreichte oder bald zu erreichende Ziele, die dazu führen, dass die Mitarbeiter weiterhin der Führung ihr Vertrauen schenken. Für die Kommunikation dieser Ziele gibt es drei Ebenen:

  • Kognitiv-orientiert: Die Erhöhung des Informationsstandes. Das heisst, die Mitarbeiter verstehen die Strategie.
  • Affektiv-orientiert: Das Gefühl, die Einstellungsänderung, die Steigerung des Interesses. Die Mitarbeiter unterstützen die Strategie.
  • Konativ-orientiert: Die Handlungskomponente. Die Mitarbeitenden sind in der Lage, die neue Strategie zu implementieren und sie handeln gemäss dieser Strategie.

Die Kommunikation nach innen stiftet Orientierung und Sinn. Die Kommunikation nach aussen schafft Transparenz, Akzeptanz und Vertrauen. Falls die Versprechen bis zum jetzigen Zeitpunkt gegenüber Mitarbeitern und Öffentlichkeit mehrheitlich erfüllt sind, stärkt dies die Glaubwürdigkeit des CEO. Er gewinnt an Zustimmung, Loyalität und Kompetenz. Umgekehrt würde die erste Welle der Euphorie im drastischsten Falle irgendwo im Nirgendwo versanden. Rasch würden die Glaubwürdigkeit und die Wahrnehmung der Managerqualitäten leiden. In diesem Fall müsste der Verwaltungsrat unbedingt dem CEO den Rücken stärken und ebenfalls kommunizieren, dass der Change-Prozess in den gewünschten Bahnen verläuft und er weiterhin von der neuen Strategie überzeugt ist.

Ausserdem darf der CEO nicht davor zurückschrecken, personelle Entscheide zu fällen. Falls ein Mitarbeiter die Strategie intern nicht mittragen will, dann ist er selbst nicht mehr tragbar. «Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.» Teilweise zeigt die Praxis aber auch, dass bei CEOs eine verfehlte Selbsteinschätzung vorhanden ist, was die eigene Kritikfähigkeit angeht. In diesem Fall müsste der Kommunikationschef und/oder der externe Kommunikationsberater fähig sein, die Kritik gegenüber dem CEO ehrlich vorzutragen und gezielte Empfehlungen abzugeben, sodass sich der CEO selbst so verändert und intern so positioniert, dass im Sinne der Firmenkultur wieder ein Gleichgewicht herrscht.

Nach den ersten 100 Tagen

Das interne und externe Vertrauen gegenüber dem CEO und der Unternehmung basieren im Endeffekt auf lang­fristiger Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit. Vertrauen und Wertschätzung tragen viel dazu bei, dass Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit gegenüber dem Betrieb wohlwollend gestimmt sind. Der CEO kann die Identität seines Betriebs für eine Zeit lang prägen und sich als glaubwürdige Identifikationsfigur etablieren. Dafür bedarf es einer entsprechenden persönlichen Haltung und auch die unternehmerische und die kommunikative Agenda muss stets von Neuem analysiert, umgesetzt und kontrolliert werden. Dies gilt so lange, bis bei unserem Beispiel der Change-Prozess geschafft sowie abgeschlossen ist. Das heisst, dass die Strukturen und Abläufe in den neuen Prozessen eingebunden sind und produktiv funktionieren.

Wenn der CEO und der Verwaltungsrat analysieren und merken, dass der Betrieb im Zeitalter der Digitalisierung wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch auf gesunden Beinen steht, dann ist die Firma auf dem richtigen Weg. Jetzt hat der CEO seine Pflicht erfüllt. Er hat den Turnaround der Firma geschafft. Unternehmerisch gesehen, gehts im Anschluss um eine Wachstums- und Entwicklungsstrategie. Verwaltungsrat und CEO müssen sich jetzt überlegen, ob er seine Mission unter diesen neuen Vorzeichen fortsetzen oder ob er einer neuen Führung Platz machen soll. Auf jeden Fall muss die bisherige Change-Kommunikation einer neuen Kommunikationsstrategie Platz machen.

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