Von den Besten lernen, «Best Practices» zu erkennen und zu übernehmen, das ist der Wunsch vieler Unternehmenslenker, auch im Mittelstand. Hunderte Fachartikel drehen sich um dieses Thema, Vorträge, ja ganze Konferenzen handeln davon, wie man sich die (welt-)besten Abläufe, Verfahren, Vorgehensweisen von anderen selbst zu Eigen machen kann. Interessanterweise bedeutet «von anderen» dabei fast ausschliesslich «von anderen Unternehmen», beziehungsweise genauer «von anderen Unternehmen aus anderen Branchen». Warum eigentlich? Warum von anderen Branchen? Warum von anderen Unternehmen?
Wenn ich mich richtig erinnere, erfuhr das «Best Practices»-Prinzip insbesondere durch die Automobilindustrie eine gewisse Popularität. Die Automobilhersteller setzten schon früh darauf, ihre Abläufe und Verfahren immer effizienter zu gestalten, an Verschwendung insbesondere in Standardprozessen zu arbeiten, Schnittstellen zu optimieren. Komplexeste Zusammenführungen von Komponenten im Just-in-time-Verfahren wurden angegangen, selbst wenn dafür eine enorme Anfangsenergie durch die Koordination zahlreicher externer Zulieferer erforderlich war. Produktivitätserhöhung, Flexibilisierung der Produktion, höhere Nachfrageunabhängigkeit im Sinne von Fixkosten, insgesamt eine deutlich höhere Rentabilität, all das waren Treiber der Verbesserungsbemühungen. Viele Jahre lang wurde Toyota zitiert, wenn es um die Produktivität, um kontinuierliche Verbesserung («Kaizen») ging. Es wurde versucht, die «Best Practices» der Automobilbranche in andere Branchen zu übertragen. Nicht genug damit, es wurde sogar behauptet, dass man, wollte man sich in einem Unternehmen wirklich weiterentwickeln, unbedingt ausserhalb der eigenen Branche nach Best Practices umsehen müssen, denn im eigenen Saft dürfe man nicht schmoren und könne man schon gar nicht wachsen.
Unternehmen jeder Grösse können von internen Best Practices profitieren, wenn man sich die Mühe macht, genau hinzusehen
Ich möchte hier und heute ausdrücklich dagegenhalten: Best Practices aus anderen Branchen müssen überhaupt keinen Vorteil für die eigene Branche bedeuten. Natürlich ergibt es Sinn, sich in anderen Branchen einmal Anregungen zu holen, wenn diese einen Quantensprung durch das eine oder andere Verfahren erfahren haben. Natürlich ist es anregend, wenn man sich fragt, wie man ein gewisses Prinzip auf die eigene Branche oder das eigene Unternehmen übertragen kann. Aber genau hier liegt der vielzitierte Hase im Pfeffer: Es geht um Prinzipien, also um Grundsätzliches, um Muster, nicht um Details. Eine Detailverbesserung in einer Branche A muss nicht unbedingt auch eine positive Auswirkung in Branche B haben, Best Practice hin oder her. Abgesehen davon: In unserer Beratungspraxis haben wir festgestellt, dass interne «Best Practices», also besondere Erfolgsmuster, innerhalb von Unternehmen zu geringe Beachtung erfahren – und das zu Unrecht, sind doch im eigenen Unternehmen vie-le Experten täglich mit der Optimierung von Verfahren und Vorgehensweisen beschäftigt. Dabei muss es sich in keiner Weise ausschliesslich um Produktionsprozesse handeln, nein, auch in immateriellen Prozessen schlummern Best Practices, hier zu nennen ist insbesondere der Vertrieb.
Mancher mag nun den Einwand erheben, dass er nicht wisse, wie man an Best Practices im eigenen Unternehmen komme, und manche mögen anführen, dass das eigene Unternehmen nicht gross genug sei, um Best Practices wirtschaftlich nutzbar zu machen. All dies sind bekannte Einwände und wir werden gleich sehen, dass Unternehmen jeder Grössenordnung von internen Best Practices profitieren können, wenn man sich die Mühe macht, genau hinzusehen. Schauen wir auf drei Beispiele aus unserer Praxis, jeweils mit unterschiedlichen Grössenausprägungen: