Ausprobieren, scheitern, lernen
Die hier aufgeführten, leicht angepassten Prinzipien aus dem «agilen Manifest» geben Führungskräften hier einen guten Leitfaden, an den sie sich halten können:
- Individuen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Methoden: sich austauschen, zuhören, fragen, miteinander Neues denken, anstatt an eingefahrenem Vorgehen festzuhalten.
- Zusammenarbeit ist wichtiger als das Verhandeln von Interessen: zusammen eine gemeinsame Strategie finden und die eigenen Meinungen, Wünsche und eben auch die eigene Partei zurückstellen.
- Auf Veränderungen reagieren ist wichtiger, als einem festen Plan zu folgen: rasch, flexibel, wendig sich neu ausrichten und grosszügig ignorieren, was einmal – unter anderen Umständen –festgesetzt wurde.
- Ein funktionierendes Produkt (oder in unserer aktuellen Krise ein funktionierender nächster Schritt) ist wichtiger als dessen Ausarbeitung in Perfektion: ausprobieren, Fehler machen und daraus lernen. Nach dem Prinzip «Good enough for now, safe enough to try».
Zentral dabei ist, dass man sich zugesteht, schnell zu scheitern mit einem Versuch. Schnell scheitern heisst, wenn erste Auswirkungen erkennen lassen, dass der Versuch in die falsche Richtung geht, abzubrechen und einen anderen Schritt zu setzen.
Kognitive Diversität
Komplexe Situationen, die nicht mehr linear, sondern sich, wie aktuell zu erleben, auch exponentiell zeigen, können nicht von einzelnen Personen oder homogen denkenden Gruppen gelöst werden. Dazu passt das Zitat von Dürrenmatt: «Jeder Versuch eines Einzelnen, (für sich) zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.» Für Pandemien wie auch für Krisen in Organisationen bedeutet dies: die verschiedenen Perspektiven einfordern, möglichst diverses Wissen abholen, um sich ein umfassendes und ganzheitliches Bild zu verschaffen.
Achtung: Reine Meinungen, die meistens eindimensionale Eigeninteressen ausdrücken, sind in einer Krise nicht hilfreich. Aber ebendiese von echten, wichtigen Inhalten zu unterscheiden, ist in den heutigen Zeiten von Social Media nun wirklich nicht mehr einfach. Wer hat tatsächlich etwas Wesentliches beizutragen und welche Motivation steht dahinter? Über kurz oder lang werden wir dafür in unserer Gesellschaft neue Regeln und Grundlagen benötigen.
Um in einer Krise sinnvoll entscheiden zu können, braucht es fundiertes Wissen in Bezug auf alle relevanten fachlichen, sachlichen und vor allem menschlichen Auswirkungen. Es können nicht nur einzelne Faktoren und Konsequenzen bedacht werden, sondern es braucht eine systemische Perspektive. Was geschieht anderswo im System Wirtschaft, Gesundheit, Gesellschaft oder Organisation, wenn ich mich entscheide, «A» zu tun? Wen oder was könnte diese Entscheidung wie betreffen? Um das abschätzen zu können, braucht es einen offenen, wirk-lich interessierten fundierten Austausch, mit dem Ziel, Szenarien zu entwickeln, denen man sich mit dem Ausprobieren von Handlungsmöglichkeiten annähern kann und so mit der Zeit zu vielleicht komplett anderen Erkenntnissen gelangt.
Die aktuelle globale Situation gibt uns eine echte Möglichkeit, unsere gesellschaftlichen, organisationalen und zwischenmenschlichen Konstrukte völlig anders zu denken und vielleicht einen revolutionären Sprung vorwärts zu machen in der Art und Weise, wie wir auf diesem Planeten zusammenleben.
Mit Authentizität führen
Eine Krise fordert uns alle in unseren Rollen genauso wie in unserer Persönlichkeit. Als Führungspersonen und als Menschen braucht es von uns eine klare Haltung, viel Durchhaltevermögen und interessierte Offenheit, sich zu zeigen, zuzuhören und in den Dialog zu gehen. Es braucht echte, authentische Menschen, die spürbar und (be)greifbar sind, Verantwortung übernehmen und auch zu falschen beziehungsweise zu dem jeweiligen Zeitpunkt sich als untauglich erweisenden Entscheidungen stehen können. Und unverzagt den nächsten Schritt zu wagen.