Auch nach einer erfolgreich durchlaufenen Führungskräftequalifizierung müssen Frauen ihre Akzeptanz bei Entscheidern, Kunden und in männerdominierten Runden härter erarbeiten als ihre männlichen Kollegen. Trotz gleicher Startbedingungen müssen sie sich in Führungspositionen erst beweisen, während Männern Führungsstärken bereits unterstellt werden.
Regeln zur Akzeptanzstärkung
Die herkömmliche Form von Förderprogrammen für Frauen reicht daher nicht aus. Weibliche Potenzialträger brauchen Führungskräfte, die ihnen «on-the-job», also im täglichen Arbeitsalltag, wichtige Spielregeln vermitteln, die ihnen zur verdienten Akzeptanz verhelfen und die ihnen aufzeigen, dass Führung Spass machen kann. Vier Punkte verdienen dabei besondere Aufmerksamkeit:
Den Umgang mit Macht und Konkurrenz trainieren
Bei der Diskussion mit sehr gut qualifizierten Frauen taucht immer wieder ein «Motivationskiller» auf, wenn es um Karriere und Erfolg geht: der Umgang mit internem Wettbewerb und politischen Ränkespielen. Die Frauen verstehen sehr gut, dass es in Unternehmen und auf höheren Hierarchieebenen gilt, sich gegen Konkurrenz durchzusetzen und politische Spiele zu erkennen und vor allem auch aktiv zu spielen. Jedoch integrieren sie diese Erkenntnisse zu wenig oder überhaupt nicht in ihre Arbeitsweise. Nicht selten beklagen Frauen stattdessen, dass sie trotz inhaltlich sauberer Vorbereitung mit ihren Ideen und Vorschlägen nicht punkten können. Hier überschätzen sie die Bedeutung von Fleiss und Sachkompetenz und unterschätzen die Wichtigkeit eines strategisch-taktischen Vorgehens.
Führungskräfte sollten deshalb ihre Potenzialträgerinnen gezielt auf Macht- und Konkurrenzspiele im Unternehmen vorbereiten; ihren Blick schärfen für die Zusammenhänge zwischen Selbstpositionierung, strategischem Vorgehen und fachlicher Qualität. Das gelingt am besten durch die Vermittlung der Regeln in männerdominierten Unternehmen und deren gemeinsame Reflektion.
Folgende Fragen sind dabei besonders wichtig: Welche Rangordnung gibt es und in welcher Form ist diese zu berücksichtigen? Wie werden über eine bessere Vernetzung mit wichtigen Stakeholdern Allianzen geschmiedet und Widerständen vorgebeugt? Welche Plattform kann genutzt werden, um die eigenen Standpunkte zu formulieren und diese auch gegen Widerstände zu vertreten?
Auf diese Weise lernen Frauen, die eigene Diskussionskompetenz weiterzuentwickeln. Ausserdem sollten sie immer wieder angehalten werden, sich nicht nur
inhaltlich gut vorzubereiten, sondern stärker nutzenorientiert und adressatengerecht vorzugehen. Bevor sie Themen oder notwendige Veränderungen kommunizieren, müssen sie sich fragen:
- Habe ich genügend darauf geschaut, wie mein Umfeld zu meinem Vorhaben steht oder mich ausschliesslich darauf konzentriert, ob mein Vorgehen sinnvoll ist?
- Wer ist von meinem Plan betroffen? Mit welchen Reaktionen muss ich rechnen?
- Wer profitiert davon? Wer verfolgt unter Umständen andere oder gegenläufige Zielsetzungen?
- Gibt es erklärte Gegner? Gibt es Unterstützer, die ich als Verbündete gewinnen und nutzen kann?
- Auf was und wen kann ich wie Einfluss nehmen?
Die Selbstkritik-Falle
Viele Frauen tendieren dazu, in der Dokumentation ihrer eigenen Leistungen und Erfolge deutlich bescheidener und in der Darstellung von Fehlern und Misserfolgen deutlich selbstkritischer zu sein als ihre männlichen Kollegen. Werden Frauen gebeten, über ihre Stärken und grössten Erfolge zu sprechen, so fällt es ihnen in der Regel schwerer, konkrete Aspekte zu finden und diese zu benennen. Fragen wir Frauen hingegen nach ihren Schwächen oder den Entwicklungsfeldern, können sie meist sehr schnell und differenziert beschreiben, was sie noch nicht können und was sie noch lernen müssen.
Jede Führungskraft sollte ihre Potenzialträgerinnen darin unterstützen, ihr Selbstbewusstsein gezielt zu entwickeln und den Fokus weg von den Defiziten hin zu den eigenen Stärken und Erfolgen zu lenken. Konkret bedeutet das:
- Geben Sie den leistungsstarken Frauen regelmässig Feedback, um ihrer Unsicherheit entgegenzuwirken und setzen Sie positiv verstärkendes Feedback ein, damit Frauen ihre Erfolge auch als solche wahrnehmen und sie in ihrer Leistung bestärkt werden.
- Überprüfen Sie sich selbstkritisch, ob Sie an weibliche Mitarbeiter überhöhte Leistungsansprüche stellen. Die Leistungen von Frauen werden häufig kritischer beurteilt, wenn sie in männerdominierten Bereichen arbeiten oder wenn Frauen in ihrer Rolle «zu männlich» agieren.
- Stellen Sie den Frauen mehr Fragen zu aktuellen beziehungsweise zu bereits erfolgreich absolvierten Aufgaben und Projekten, zum Beispiel: Wie ist das letzte Projekt gelaufen? Was ist Ihnen gut gelungen? Was haben Sie mit dem Projekt erreicht? Reflektieren Sie gemeinsam mit Ihren Leistungsträgerinnen eine übermässig selbstkritische Haltung und korrigieren Sie diese.
Stereotype entlarven
In vielen Kulturen sind Männlichkeit und Führung eng miteinander verbunden. Die ideale Führungskraft ist entschlossen, risikobereit und durchsetzungsstark. Diese Kompetenzen werden häufig als Anforderungen für Top-Management-Positionen genannt – und eher Männern zugeschrieben. Bereits dieses Vorurteil kann dazu führen, dass Frauen trotz gleicher Qualifikation und Kompetenz nicht für eine Führungslaufbahn in Betracht kommen. Frauen müssen in der Regel erst beweisen, was bei Männern bereits unterstellt wird – und mehr leisten. Gelingt es ihnen, werden diese Stärken häufig nicht als solche erkannt oder im Vergleich zu den Stärken und Verhaltensweisen männlicher Kollegen abgewertet.
Für eine objektive Einschätzung von Leistung und Potenzialen ist es deshalb für Führungskräfte umso wichtiger, Frauen und Männer nach einem für beide geltenden Anforderungsprofil für weiterführende Aufgaben zu beurteilen und sich weniger auf Empfehlungen Dritter zu verlassen. Sie sollten sich ausserdem aktiv mit den eigenen Stereotypen auseinandersetzen, um Bewertungsverzerrungen zu vermeiden.
Unterstützung bei der Selbstvermarktung und beim Networking
Viele Frauen stehen sich beim Thema «Eigenmarketing» und «Netzwerken» selbst im Weg. Einerseits wissen die Frauen um die Bedeutung der gezielten Selbstdarstellung und Vernetzung, um sich selbst, die eigenen Erfolge und auch die Leistungen des eigenen Teams sichtbarer zu machen. Andererseits bewerten sie entsprechendes Verhalten bei ihren männlichen Kollegen negativ beziehungsweise abwertend und als angeberisch. Zu viele fleissige Frauen setzen demnach darauf, dass ihre Leistung gesehen wird und warten in der Folge auf ihre Belohnung. Aber: Karrierekandidaten werden nicht nur anhand der bisherigen Leistungen identifiziert, sondern häufig auch dadurch, dass sie zur richtigen Zeit und bei der richtigen Person, die richtige Botschaft platziert und sich zudem überzeugend verkauft haben.
Was können Führungskräfte tun, um ihre Potenzialträgerinnen in ihrem Selbstmarketing wie auch Networking gezielt zu unterstützen?
- Ihren Mitarbeiterinnen vermitteln, dass es beim Selbstmarketing nicht um eine angeberische Selbstdarstellung geht, also etwas «vorzugaukeln», sondern das zu präsentieren, was sie können und erreicht haben. Das Ziel ist, die eigene Leistung für andere transparent zu machen.
- Frauen befürchten oft, abgelehnt zu werden, wenn sie sich als Person und ihre Erfolge in den Mittelpunkt stellen. Sie benötigen daher regelmässig Gelegenheit, ihre Leistungen zu präsentieren, und Feedback, um dabei das richtige Mass zu finden. Denn: Überheblichkeit ist nicht hilfreich, aber Bescheidenheit noch weniger.
- Sie sollten den Potenzialträgerinnen deutlich kommunizieren, dass regelmässige Rückmeldungen zu Ergebnissen, gelösten Problemen und erreichten Erfolgen auch den Führungskräften helfen, die Abteilung und die Leistungsträger besser nach aussen hin zu vertreten. Es zeigt sich, dass Frauen viel eher bereit sind, über ihre Erfolge zu sprechen, wenn sie verstehen, dass diese Informationen auch einen übergeordneten Zweck erfüllen.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten in Meetings ausserdem gleichermassen Gehör finden. Es passiert nicht selten, dass Frauen mit ihren guten Vorschlägen schlicht überhört werden. Häufig bekommen dagegen männliche Teilnehmer Zuspruch und Zustimmung, wenn sie die genau gleichen Vorschläge einfach nur lauter wiederholen. Vorgesetzte können sicherstellen, dass die richtige Person die Anerkennung bekommt, die ihr zusteht.