Strategie & Management

Exportstrategien

Geschäftsmodelle müssen neu gedacht werden

Prozessoptimierungen oder Produktinnovationen reichen für eine globale Wettbewerbsfähigkeit heute kaum mehr aus. Angesichts von neuen disruptiven Konkurrenten und massiven gesellschaftlichen Umbrüchen in ihren Zielmärkten müssen sich Schweizer KMU mit innovativen Geschäftsmodellen neu erfinden.
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Sei es Skype, der grösste Telekommunikationsanbieter ohne eigene Netzwerk-Infrastruktur, Uber, das Taxi-Unternehmen, dem kein Auto gehört, oder Apple, der Musik-Händler, der keine einzige CD verkauft hat – die Geschäftswelt wird weltweit branchenübergreifend umgekrempelt und international aktive Schweizer KMU dürfen sich nicht in der falschen Sicherheit wiegen, ausgerechnet ihr Sektor werde verschont bleiben.

Fünf globale Megatrends wirken derzeit in unterschiedlicher Dynamik in den Zielmärkten unserer Exporteure und sorgen für neue Herausforderungen für alle. Gleichzeitig stehen viele KMU nach Jahren der Frankenaufwertung noch immer unter heftigem Margendruck und haben das Potenzial zur Optimierung ihrer Prozesse und die Mittel zur Investition in weitere Produktinnovationen nahezu ausgeschöpft. Was ist also zu tun?

Eine Möglichkeit zeigt zum Beispiel das Liechtensteiner Werkzeug-Unternehmen Hilti: Seit einigen Jahren verkauft man dort Löcher in der Wand und nicht mehr nur Bohrmaschinen. Hilti berechnet seinen Kunden auf Wunsch nur die Nutzung und Wartung seiner Geräte, nicht die Werkzeuge selbst. Damit sparen sie ihren Kunden grössere Einmalinvestitionen und erfüllen doch das gleiche Kernbedürfnis, nämlich das Loch in der Wand. Fixkosten werden zu variablen Kosten, was betriebswirtschaftlich für viele KMU Sinn macht. Das Geschäftsmodell und das dahinterliegende Ertragsmodell funktionieren jedoch anders als beim Verkauf von Maschinen. Hiltis Idee stellt eine der bekanntesten Geschäftsmodellinnovationen dar – genau dieser Ansatzpunkt bietet auch für exportierende KMU grosses Potenzial.

Fünf Megatrends

Doch beginnen wir von vorne: Welche fünf Entwicklungen sind es, die das Umfeld für Exporteure so drastisch verändern werden?

Globalisierung: Asien wird zur globalen Wirtschaftsmacht

525 Millionen Menschen zählen in Asien mittlerweile zum Mittelstand. Bis zum Jahr 2040 werden weitere drei Milliarden Menschen zum Mittelstand gehören.

Dank der neuen Technologien und des Internets werden die Volkswirtschaften in den Schwellenländern einige Entwicklungsschritte überspringen. Unternehmen, die hier aktiv werden, müssen sich genau überlegen, wie ihr Wertangebot bei den neuen Aufsteigern bzw. bei der von ihnen nachgefragten Infrastruktur verheben kann.

Demografischer Wandel: In den Industrieländern wird die Bevölkerung immer älter

Ältere Leute haben andere Bedürfnisse beim Reisen, beim Einkaufen, beim Kommunizieren, bei den Zahlungsgewohnheiten, der Nutzung von Technologien. Produkte, Vertrieb sowie vieles mehr müssen insbesondere in den Industrieländern darauf hinoptimiert werden, kurz es braucht häufig ein angepasstes Geschäftsmodell.

Nachhaltigkeit: Schweizer Cleantech-Lösungen sind gefragt

Die Nachfrage nach natürlichen Produkten und ressourcenschonend erbrachten Dienstleistungen steigt rasant und verändert die Ansprüche der Kunden. Ein Geschäftsmodell zum Beispiel, das auf hohem Energieverbrauch beruht, mag aus ökonomischen oder Reputationsgründen in manchem Markt nicht mehr funktionieren.

Digitalisierung und Technologie: E-Commerce, Big Data, 3-D-Druck beeinflussen die Wertschöpfung

Technologieanwendungen haben massiven Einfluss auf die internationalen Wertschöpfungsketten. Klassische Kundenbedürfnisse lassen sich ganz neu erfüllen oder es entstehen sogar komplett neue Wünsche. Produktionskapazitäten werden geografisch flexibler, der Faktor Lohnkosten verliert an Bedeutung. So müssen Unternehmen sich neu erfinden. Die Debatte um Industrie 4.0 zeigt, dass dies nicht nur für die Konsumgüterbranche gilt.

Mobilität: Steigende Nachfrage nach Sharing- und E-Mobility

Menschen und Waren gelangen immer schneller und gezielter von A nach B, sei es durch Carsharing oder digitale Logistik.Dies stellt neue Anforderungen an den internationalen Warenverkehr und bietet neuen Nutzen für Kunden, je nach Geografie, Klima und sonstigen Rahmenbedingungen, worauf sich Exporteure einstellen müssen.

Geschäftsmodelle überdenken

Einfach gesagt, beschreiben Geschäftsmodelle die Funktionsweise von Unternehmen, die Art und Weise, wie Gewinne erwirtschaftet werden sollen und insbesondere, welches Kundenbedürfnis erfüllt wird. Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es indessen nicht – weder in der Wissenschaft noch in der Praxis.

Grundsätzlich soll die Beschreibung von Geschäftsmodellen helfen, die Schlüsselfaktoren des Unternehmenserfolges oder Misserfolges zu verstehen, zu analysieren und zu kommunizieren. Für KMU mag solch ein Vorhaben wirken, als wäre es Grossunternehmen oder Start-ups vorbehalten. Dabei geht es vor allem um Kreativität und Querdenken und nicht in erster Linie um die Finanzkraft.

Den Ausgangspunkt solcher Überlegungen bildet das Kundenbedürfnis, welches das Unternehmen erfüllt. Gibt es Möglichkeiten, diesen Mehrwert auf neue und effizientere oder attraktivere Art zu erbringen – und zwar in jedem meiner Zielmärkte, die sich, beeinflusst durch unterschiedliche Trends, eben deutlich unterscheiden können? Diese Frage kann sich jedes noch so kleine KMU stellen. Neue Technologien wirken hier heute häufig als Treiber, sie dürfen jedoch keinesfalls zum Selbstzweck werden. Letztlich müssen sie dem Kundenbedürfnis dienen.

Ein zweiter wichtiger Erfolgsfaktor ist das Überwinden des Denkens in Produkten und Prozessen nach der althergebrachten Firmenlogik. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass durch den hohen Margendruck bei vielen heute bereits nahezu alle Massnahmen rund um einfache Innovationen und effizientere Prozesse ausgeschöpft sind. Es geht vielmehr darum, das gesamte Konzept zu begreifen, wie das Kundenbedürfnis erfüllt wird, wie damit Geld verdient wird – und wie sich dies innovativer gestalten lässt, um zum Beispiel mehr Marge zu machen.

Ein Beispiel: Elite SA aus Aubonne. Der heutige CEO des traditionellen Herstellers von Matratzen war vorher lange in der Automobilindustrie tätig und brachte die Idee des «Leasings» mit. Die edlen Matratzen wurden mit Sensoren ausgestattet und werden seither an Hotels vermietet, die nur dafür zahlen, wenn tatsächlich ein Kunde drauf schläft. Das spart den Hotels hohe Investitionen, der Kundennutzen wird also auf attraktivere Art und Weise erfüllt.

Nebenbei erhält Elite SA Informationen darüber, wie die Kunden ihr Produkt nutzen, was sie wieder für die Verbesserung ihrer Matratzen anwenden können. Mit diesem Geschäftsmodell ist das Westschweizer KMU in Europa bereits erfolgreich aktiv. In der Betriebswirtschaftslehre gibt es heute unzählige Methoden, wie sich ein solcher Prozess betriebsintern anstossen lässt, darunter auch ausführliche Listen von gängigen Geschäftsmodellen. Wie bei Elite SA kann die Inspiration auch ausserhalb der eigenen Branche kommen. KMU müssen das Rad nicht neu erfinden.

Mit Modelloptimierung wachsen

Je internationaler ein KMU vernetzt ist, umso stärker wird es über kurz oder lang gezwungen werden, sein Geschäftsmodell zu überdenken – die beschriebenen Megatrends lassen neue unerwartete Wettbewerber auftauchen, dort, wo die Entwicklung bereits weiter ist als in der Schweiz. Gleichzeitig bieten Geschäftsmodelle, die sich stärker auf digitale Technologien stützen, neue Möglichkeiten, Skaleneffekte zu erzielen, und machen es somit attraktiver oder sogar notwendiger, neue Märkte zu erobern. Doch dies gilt eben auch für die Konkurrenz.

Mit einem cleveren Geschäftsmodell, das optimiert ist für den jeweiligen Zielmarkt, erschliessen sich gerade kleine und mittelgrosse Unternehmen mehr denn je neue Möglichkeiten zu einem internationalen Wachstum, die ultimative Optimierungsmassnahme gegenüber dem Margendruck, in zweifacher Hinsicht.

Denn nicht nur kann ein Geschäftsmodell mit besserer Marge entwickelt werden, es lässt sich potenziell auch mehr Umsatz durch mehr Erfolg im Export erzielen. Egal aus welcher Perspektive man die Frage also anschaut: Innovative Geschäftsmodelle bilden den Wettbewerbsvorteil der Zukunft. Die Schweiz und ihre exportierenden KMU haben die besten Voraussetzungen durch ihre traditionell hohe Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und den breiten Talentpool; doch braucht es noch mehr Bewusstsein für das gezielte Innovieren von Geschäftsmodellen.