Strategie & Management

Diversity Management

Erfolgreiche Implementierung und Steuerung von Vielfalt

Diversity Management, also ein Management der Vielfalt, erhöht den Innovationsgrad und führt zu grösserem Wachstum. Gleichzeitig kann Vielfalt zu Unwohlsein, einem raueren Umgangston und anderen negativen Ausprägungen führen. Umso wichtiger ist es, Vielfalt auch richtig zu führen. Welche Voraussetzungen es dafür braucht, skizziert dieser Beitrag.
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Jahrzehntelange Forschung in den Bereichen Psychologie, Soziologie, Ökonomie, Demografie und weiteren, bestätigt immer wieder: Sozial vielfältige, «diverse» Gruppierungen sind viel innovativer als homogene. Das ist nicht allein darin begründet, dass Personen mit verschiedenen Erfahrungsrucksäcken neue Erkenntnisse einbringen. Die Interaktion mit Leuten unterschiedlicher sozialer Hintergründe führt dazu, dass man sich besser vorbereitet, sich besser auf abweichende Meinungen einstellt und schon vorgängig davon ausgeht, dass es schwieriger wird, einen Konsens zu erreichen.

Die Ausgangslage

Diversity und Diversity Management haben – und wie könnte es bei populären Managementthemen anders sein – ihren Ursprung in den USA. Das Management der Vielfalt ist ein soziologisches Konzept. Es stammt aus der Bürgerrechtsbewegung, die gegen Rassismus gegenüber Schwarzen gekämpft hat. Heute werden darunter verschiedenste Dimensionen verstanden: Kultur, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion und andere mehr. Eine genaue sprachliche Präzisierung ist vermutlich politisch gar nicht erwünscht, so dass darunter alles interpretiert werden kann.

Im deutschsprachigen Raum wird vor allem die Gender-Frage unter Diversity subsumiert. Das bedeutet, dass sich in erster Linie feministische Bewegungen eine Fortsetzung ihrer Gleichstellungs- und / oder Gleichmachungs-Bemühungen erhoffen. Seit die Europäische Union dieses Konzept als Leitbild verwendet und es teilweise auch Eingang in nationale Gesetzgebungen gefunden hat, leiten diverse Interessengruppen Ansprüche daraus ab.

Dies geschieht stets unter dem Vorwurf des Vorhandenseins von «Diskriminierung». Öffentlich traut sich kaum jemand, dagegen anzugehen. Moral und Kommerz haben sich zu einem Traumteam zusammengetan, wie Ferdinand Knauss in «Die Zeit» schon festgestellt hat. Hinter vorgehaltener Hand ist jedoch klar, dass sich der Begriff dadurch abgegriffen hat und zu grundsätzlichen Abwehrhaltungen führt.

Richtig verstanden wäre Diversity im Sinn von Vielfalt und nicht im Sinn von Anti-Diskriminierungs-Forderungen. Dies zu erkennen, ist wichtig. Denn Vielfalt trägt massgeblich zum Überleben einer Firma bei. Vielfalt macht uns Menschen wissenschaftlich erwiesen schlauer.

Umgeben wir uns mit Leuten, die sich von uns unterscheiden, werden wir kreativer, fleissiger und arbeiten härter. Und dies ist in der globalisierten und zunehmend schneller tickenden Wirtschaft und Gesellschaft mit enormem Innovationsdruck eine absolute Notwendigkeit. Das gilt für den rohstoffarmen, exportabhängigen und innovationsfreundlichen Wirtschaftsstandort Schweiz in noch grösserem Mass.

Soziale Vielfalt

Grundsätzlich akzeptieren wir in uns bekannten Geschäftsprozessen eine Vielfalt von Expertisen. Für die Herstellung von Produkten braucht es in der Regel Entwickler, Designer, Monteure, Qualitätskontrolleure und weitere Fachleute. Im gesamten Wertschöpfungsprozess werden Verkäufer, Marketer, Einkäufer, Buchhalter, Personalspezialisten und andere gebraucht und akzeptiert.

Geht es jedoch nur schon um Kenntnisse oder Erfahrungen aus anderen Branchen, blocken die meisten Firmenkulturen radikal ab: «Bei uns ist sowieso alles anders!» «Unsere Branche ist ganz speziell!». Dabei wäre bereits dies ein sehr einfacher und günstiger Schritt, um Best Practices oder Benchmarking einzuführen oder einfach den Horizont etwas zu erweitern.

Wie steht es erst beim nächsten Schritt, der sozialen Vielfalt? Welchen Mehrwert erzeugen zusätzliche Rassen, Ethnien, Geschlechter oder gar sexuelle Orientierungen in einer Gruppierung? Die Forschung zeigt schliesslich unter anderem, dass Vielfalt zu Unwohlsein, einem raueren Umgangston, schlechter Kommunikation und mehr führen kann.

Kreativität steigt

Die Vorteile überwiegen die Gefahren bei Weitem. Denn Vielfalt fördert die Krea­tivität ungemein. Alleine schon die Tat­sache, dass man «neuen» oder «anderen» Gruppen ausgesetzt wird, ändert die Art des Denkens. Es beginnt damit, dass vielfältige Gruppen zunächst einfach verschiedene Informationen, Meinungen und Perspektiven einbringen. Nur nebenbei bemerkt: Genauso, wie es die potenziellen verschiedenen Kundengruppen auch haben. Das heisst, dass nicht nur ein Ingenieur und eine Designerin unterschiedliche Blickwinkel einbringen, sondern eben auch ein Monteur und eine Monteurin. Oder ein Industrie-Marketer und ein Dienstleistungs-Marketer.

In der Regel bessere Ergebnisse

Und das ist gut so. Im Scientific American wurden diesbezüglich mehrere Studien genauer vorgestellt. So haben Forscher der Universitäten Maryland und Columbia bei 1500 untersuchten Firmen zwischen 1992 und 2006 herausgefunden, dass vielfältig geführte Firmen im Schnitt ein grösseres Wachstum im Firmenwert verzeichnen konnten. Sie innovierten mehr und erfolgreicher.

Eine zweite Studie der Credit Suisse, welche zwischen 2005 und 2011 knapp 2400 Firmen, allerdings nur in der Gender-Dimension, untersuchte, hat ebenfalls aufgezeigt, dass Firmen mit mehr Vielfalt erfolgreicher Wachstum ausweisen konnten. Es kann damit zwar keine hinreichende Begründung, jedoch eine Korrelation zwischen Vielfalt, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg belegt werden.

Positive Differenzen

Weitere Studien haben Rassen und Parteizugehörigkeiten genauer angeschaut und sind zum Ergebnis gelangt, dass man unter seinesgleichen dazu neigt zu denken, dass alle den gleichen Informationsstand und die gleichen Perspektiven hätten. Das hat dazu geführt, dass weniger über Meinungen und Äusserungen nachgedacht oder diskutiert wurde. Somit waren homogene Gruppierungen in den entsprechenden Studien weit weniger kreativ als Heterogene.

Die Lehre daraus: Wenn Menschen abweichende Meinungen von jemandem hören, der anders ist als sie, löst das viel mehr Gedankengänge aus. Dies beschränkt sich keineswegs nur auf die Rasse oder Ethnie, sondern gilt eben auch für Parteipräferenzen oder anderes. Bei sozial heterogenen Gruppierungen bereitet man sich prinzipiell auch gewissenhafter auf Auseinandersetzungen vor. Ein Harvard-Professor will sogar herausgefunden haben, dass wissenschaftliche Artikel von vielfältigen Autorenteams häufiger zitiert werden. Das würde bedeuten, dass Vielfalt zu höherer Forschungs-Qualität führt.

Offenbar ist es also so, dass allein durch die Tatsache, dass Vielfalt in einen Prozess gebracht wird, Menschen davon ausgehen, dass Differenzen bestehen müssen. Es ändert somit die Erwartungshaltung, die Vorbereitung und den Einsatz im betreffenden Fachgebiet. Leute arbeiten genauer und überlegter, meist auch härter. Dies führt in der Regel zu besseren Ergebnissen.

Reverse Coaching

Ein neueres Konzept, das in der Schweiz von einigen Firmen inzwischen versuchsweise praktiziert wird, ist das «Reverse Coaching» – leider auch wieder mit einem englischen Begriff… So werden zum Beispiel Zweier-Teams gebildet, bestehend aus einer jungen Mitarbeiterin und einer gestandenen Führungskraft.

Die Führungskraft bildet den Nachwuchs in Betriebswirtschaft, Führung und Projektmanagement aus. Die junge Mitarbeiterin vermittelt Kenntnisse über ihre Generation, die Verwendung der digitalen Medien und Trendthemen. Der gegenseitige Nutzen ist ungemein gross. Hier noch andere Branchen, Geschlechter und Interessen einzubringen, würde kaum zusätzliche Kosten verursachen, dürfte den gegenseitigen Profit jedoch noch weiter steigern lassen.

Vielfalt muss geführt werden

Will man überdurchschnittliches Wachstum, Wandel und Innovation, führt also kaum ein Weg an Vielfalt vorbei. Sie bringt mehr und fundiertere Meinungen sowie präzisere Arbeit, was schliesslich zu mehr Erfolg führt. Das bedingt eine richtige Besetzung (Auslegung) des Begriffs. Es sollte treffender von Vielfalt, statt nebulös von antidiskriminierender und unscharfer «Diversity» gesprochen werden. Auch muss der Vielfalts-Prozess oder die Vielfalt geführt werden.

  • Erstens ist Vielfalt kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Quoten oder Zwangsvielfalt erzeugen eher das Gegenteil und wären ohnehin ein Widerspruch zu dieser positivenDenkhaltung.
  • Zweitens ist Vielfalt nicht nur Frauenförderung. Dass sich bedeutende Beratungsunternehmen der Frauenquoten-Forderung angeschlossen haben, bedeutet einzig und alleine, dass sie, weil diesbezüglich wirklich Personalknappheit herrscht, dort eine gute Geldquelle für sich selber sehen.
  • Drittens ist Vielfalt nicht eine Technik, sondern eine Management-Haltung oder zumindest Teil davon. Ein Stück offene Geisteshaltung, guter Wille, eine liberale Haltung respektive Respekt vor anderen Meinungen gehören dazu – im Team und bei den Vorgesetzten.
  • Viertens muss das in der gesamten Organisation gelebt werden. Es nützt nichts, wenn der Linienvorgesetzte auf Vielfalt setzt, die HR-Recruiter – womöglich noch im Ausland oder wie neuerdings immer öfter per Software – die falschen Parameter setzen und suchen. Taten zählen mehr als Worte.
  • Fünftens müssen die vielfältigen Teams auch vielfältig geführt werden, was sehr anspruchsvoll ist und (Führungs-)Aufwand verursacht. Dasselbe ist nicht immer das Gleiche. Manager müssen in interkulturellen Kenntnissen ausgebildet werden.
  • Sechstens müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Im Zeitalter zunehmender Kritik gegen grenzenlosen Freihandel und nicht ausreichend regulierter Migration muss der freie Markt «behutsam» und schlau bewirtschaftet werden.
  • Siebtens könnte auch die Vielfalt locker erhöht werden, wenn bei Stellenbewerbungen der Trend zu immer mehr verlangter Erfahrung in der eignen, engen Branche als meist zwingende Voraussetzung hinterfragt würde. Die Branchenerfahrung als wichtigstes Kriterium für die Stellenbesetzung ist wohl in der Minimierung von Unsicherheit (und im Selbstschutz) begründet, zementiert allerdings das Gruppendenken maximal.
  • Achtens könnten grössere Firmen mit einer vielfältigeren Rekrutierung wohl ohne schlechtes Gewissen mindestens die Hälfte der Ausgaben für ihre teuren und suboptimalen Diversity-Programme in sinnvollere Projekte, also beispielsweise Innovationen, umlenken.

Einmal mehr sind kleine und mittelgros­se Unternehmen in der besten Ausgangslage, sich diese Denkhaltung rasch sowie unbürokratisch anzueignen und diese bei sich einzuführen. Auch gibt es genügend Möglichkeiten zur Unterstützung dieser Prozesse.