Strategie & Management

Verhandlungsprozesse

Erfolgreich abschliessen und gezielt umsetzen

Auf der letzten Meile einer Verhandlung geht es nicht nur um den Abschluss, sondern auch darum, ob der Deal danach wie vorgesehen umgesetzt werden kann. Ohne professionelles Verhandeln ist das selten der Fall.
PDF Kaufen

Wie viele Deals statistisch gesehen abgeschlossen werden können, hängt von der Branche und dem Geschäftsfall ab. Ignoriert man die einzelnen Branchen, kommen über alles gesehen maximal 35 Prozent aller Verhandlungen zu einem Abschluss. Von diesen Abschlüssen können 32 Prozent wie ausgehandelt umgesetzt werden, die restlichen 68 Prozent benötigen entweder wesentlich mehr Zeit in der Umsetzung, verschlingen viel mehr Kosten als gedacht oder scheitern bei der Implementierung vollends. Alle drei Varianten haben eines gemein: Sie bringen die erste Version des Business Case zu Fall.

Risikofaktoren

Im Schnitt heisst das, dass von 100 Verhandlungen etwa 11 zu einem wirklichen Happy End kommen, 65 sich in Luft auflösen (was durchaus auch positiv sein kann) und 24 im Desaster enden. Diese Aussage mag nicht für alle gleich tragisch klingen, die folgende aber eher: Das Risiko, dass ein Deal im Desaster endet, ist mehr als doppelt so hoch wie die Chance, einen nachhaltigen Erfolg mit nach Hause zu bringen.

Das sind gute Neuigkeiten für Schaumweinproduzenten, denn Firmen lassen nach einem Deal weit öfters die Korken knallen, als sie sollten. Wer diese Aussage per se anzweifelt, ist Mitglied einer von zwei Gruppen. Die erste Gruppe ist klein und besteht aus jenen, die vorwiegend erfolgreiche Deals abschliessen. Die zweite, grössere Gruppe stellt ungenügende oder keine Analysen an, ob die von ihnen vor längerer Zeit abgeschlossenen Deals aus heutiger Sicht wirklich jenen Erfolg gebracht haben, den man damals feierte.

Aus Praxiserfahrungen sind die folgenden Problemfelder im Wesentlichen mitverantwortlich, warum viele Deals auf lange Sicht nicht den ursprünglichen Erwartungen entsprechen:

  • Falsche Grundlagen: Die Daten, Berechnungen, Projektionen, Aussagen usw. waren falsch, ungenügend oder wurden nicht korrekt interpretiert.
  • Überoptimismus: Gesunder Optimismus ist gut, Überoptimismus gefährlich. Oftmals geraten Parteien in eine Art Euphorie, welche sich sachlich nicht immer nachvollziehen lässt. Es entsteht eine Selbstsicherheit und dadurch eine Selbstüberschätzung, die fatal sein kann.
  • Kurzzeitoptik: Firmen mit einer drei- bis sechsmonatigen Optik werten den kurzfristigen Erfolg höher als die langfristige Entwicklung.
  • Abschlussfokussiert: Firmen mit einer klassischen Verkaufsorganisation (Deal-Maker) fokussieren sich beim Verhandeln in erster Linie auf den Abschluss. Die operativen Bereiche (Real-Maker) werden bei den Verhandlungen nicht oder nicht genügend miteinbezogen.
  • Naivität (Naïve Realism): Die Wahrscheinlichkeit, dass man Dinge glaubt, die an einen herangetragen werden, ist enorm hoch. Eine gute Story hat seit Menschengedenken eine sehr starke Wirkung.
  • Kontrollillusion: Gerade Manager glauben, gewisse Vorgänge kontrollieren zu können, die nachweislich nicht beeinflussbar sind.

Aspekte erfolgreicher Deals

Für die Erfüllung der meisten Deals ist ein gewisser Grad an Zusammenarbeit zwischen den Parteien erforderlich. Nebst den juristischen Verpflichtungen können, je nach Intensität und Relevanz der Zusammenarbeit, auch Abhängigkeiten entstehen, die bei negativen Abweichungen zu einer grossen Belastung werden können. Gute Verhandler berücksichtigen daher die Folgen, die nach der Unterzeichnung eintreten, schon vor dem Abschluss. Sie erhöhen dadurch den Langzeiterfolg eines Deals signifikant.

Partnerschaft

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Partnerschaft nach der Vertragsunterzeichnung endet, ist grösser, als dass sie erst dann beginnt. Man tut also gut daran, partnerschaftliches Verhalten schon während der Verhandlung auf den Prüfstand zu heben. Hart und fordernd verhandeln steht in keinem Widerspruch zu partnerschaftlichem Verhalten. Im Gegenteil, korrekt und auf Augenhöhe verhandeln, hat mit Respekt und Professionalität zu tun. Verhandeln heisst, dass man mit etwas handelt.

Da ein Handel nie einseitig sein darf, ist es wichtig, auf Reziprozität zu bestehen. Jene Partei, die in einem Punkt nachgibt oder etwas Zusätzliches anbietet, muss im Tausch dafür etwas erhalten. Wer diesen Punkt ignoriert, wird wie eine Weihnachtsgans ausgenommen und später womöglich ausgenutzt und übervorteilt.

Alarmglocken sollten klingeln, wenn, um Druck ausüben zu können, unlauteres Verhalten (siehe Dezember /Januar-Ausgabe 2016 / 2017) an den Tag gelegt wird. Alles, was danach kommt, wird nicht besser werden und somit gilt die Devise: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Beide Parteien sollten Interesse daran haben, bis zum Abschluss mindestens zwei Optionen im Rennen zu lassen. Wird am Schluss nur noch über eine Sache verhandelt, wird zumindest einer Partei die Wahlfreiheit genommen. Auf lange Sicht gesehen ein unkluger Schachzug und mit ein Grund, wieso Kunden am Schluss abspringen und sich für ihre Alternative entscheiden.

Verhandlungsteams

Deal-Maker wollen den Abschluss, Real-Maker eine sichere, kopfschmerzlose Umsetzung. Deal-Maker tendieren dazu, das Danach nicht gebührend zu berücksichtigen. Bis es zu Problemen kommt, sind die Helden des Umsatzgenerierens oder Kosteneinsparens bereits am nächsten Deal. Die Real-Maker wollen alles derart absichern, prüfen und hinterfragen, bis selbst ein guter Deal platzt. Erfolgreiche Verhandlungsteams sind so aufgestellt, dass Deal-Maker zum richtigen Zeitpunkt durch Real-Maker beider Seiten unterstützt werden.

Der Fokus der Verhandlung wird dadurch nicht nur auf den Abschluss, sondern auch auf die Praktikabilität der Umsetzung gelegt. Die Fragen und die Dynamik, die dabei aufkommen, mögen den Deal-Makern nicht immer behagen. Die daraus entstehenden Diskussionen bringen dafür mehr langfristiges Verständnis, Klarheit und Sicherheit in einen Deal. Auf Fragen wie: Wann welche internen Stellen hinzugezogen und wann wieder entlassen werden sollen und wie die Kluft zwischen Deal- und Real-Makern zu überbrücken ist, können Verhandlungsexperten Antworten liefern.

Contingency-Fragen

Im Leben läuft nahezu nie etwas zu 100 Prozent nach Plan. Wieso soll es bei diesem Deal anders sein? Umso mehr sind «was wäre wenn»-Fragen wichtig. Was würde geschehen, wenn der Strom für mehr als fünf Stunden ausfiele? Welche Auswirkungen hätte der Abgang von Hans Muster auf die Vertragserfüllung? Wie können Ersatzteillieferungen garantiert werden, wenn das Modell XY wider Erwarten nach zwei Jahren nicht mehr produziert würde? Was wäre, wenn die vertraglich festgelegten Interventionszeiten nicht sichergestellt würden?

Auf berechtigte Fragen muss es auch seriöse und präzise Antworten geben. Bleiben diese aus oder sind sie zu unspezifisch, kann davon ausgegangen werden, dass (a) der Gegenseite eine seriöse Umsetzung nicht sonderlich am Herzen liegt, (b) nicht die richtigen Personen am Verhandlungstisch sitzen oder (c) der Verhandlungspartner Dinge nicht offenlegen möchte. Jede dieser drei Varianten kann fatal sein.

Fokus auf den Preis

Am Ende dreht sich alles ums Geld. Gerade deswegen: Die Zahl, die auf dem Preisschild steht, ist zu 99 Prozent nicht der Preis, der auf lange Sicht zu bezahlen ist. Wenn sich eine oder beide Parteien bei einer Verhandlung vorwiegend oder ausschliesslich auf den Preis einschies­sen, ist das zwar nicht verboten, in der Regel aber äusserst unklug. Reine Preisverhandlungen fokussieren sich lediglich auf jenen Zeitpunkt, an dem sie geführt werden. Sie blenden die Zukunft aus, was für beide Seiten schlecht sein kann.

Deal-Maker tendieren dazu, sich vorwiegend auf den Preis zu fokussieren. Nicht weiter erstaunlich, denn Verkäufer und Einkäufer werden oft auf diese Leistungsfaktoren hin incentiviert. Wer eine Dienstleistung oder ein Produkt einkauft, ist gut beraten, hellhörig zu werden, wenn sich in der Verhandlung alles nur um den Kaufpreis dreht. Selbst dann, wenn dieser attraktiv zu sein scheint. Auch durch äusserst attraktive Garantien und Serviceleistungen sollten sich Deal-Maker nicht blenden lassen.

Dass nicht immer das, was auf einer Packung steht, auch in einer Packung drinsteckt, ist längst bekannt und dennoch fallen Parteien im­-mer wieder auf diesen Trick herein. Kritisches Denken, ein korrekter Mix zwischen Deal- und Real-Makern und das Stellen möglichst vieler Contingency-Fragen sorgen hier für mehr Sicherheit sowie Transparenz.

Verträge

Leider sind die Zeiten vorbei, wo Verträge noch eine adäquate Balance zwischen Praktikabilität und Risikoabdeckung darstellten. Bildlich gesprochen: Wenn ein Vertrag länger als die Betriebsanleitung ist, sollten Alarmglocken läuten. Verträge sind ebenso Gegenstand einer Verhandlung wie die Sache selbst, das heisst, dass auch Verträge verhandelbar sind. Aussagen wie «Das ist unser Standard», «das ist branchenüblich», «sorry, das kommt von unserer Rechtsabteilung, da kann ich leider gar nichts machen» dürfen nicht beeindrucken. Wer langfristig glücklich mit einem Deal sein will, kommt nicht darum herum, sich mit den juristischen Hürden auseinanderzusetzen.

Wenn an der Hochzeit die Geigen am Himmel hängen, wird so mancher Ehevertrag ohne grosses Wenn und Aber unterzeichnet. Jahre später verflucht eine Partei womöglich einen zu einseitig formulierten Vertrag. Fazit: Knebelverträge basieren nicht auf einer gleichberechtigten, langfristigen Partnerschaft. Wer sie unterzeichnet, sollte sich von Beginn weg fragen, ob es das ist, was er will, oder ob die eigene «Batna» (best alternative to a negotiated agreement) in der Gesamtbetrachtung nicht besser wäre.

Übrigens: Die Mehrheit der Verhandler kennt weder ihre eigenen Verträge, AGB usw. im Detail noch jene der Gegenpartei. Das kommt russischem Roulette oder einem Blindlandeflug ohne Leitsystem gleich. Niemand würde sich den Revolver an die Stirn halten oder in einem solchen Flieger sitzen wollen. So zu verhandeln, scheint aber kein Problem zu sein. Wer sich ab und zu in einer solchen Situation wiederfindet, sollte sich unbedingt mehr Zeit ausbedingen, um sich Klarheit zu verschaffen. Im Übrigen ist auch Zeit verhandelbar, auch wenn dieser Faktor als Druckmittel regelmässig eingesetzt wird.

Zu guter Letzt: Wenn ein langfristiger Erfolg wichtig ist, dann sollte kein Vertrag unterzeichnet werden, bei dem Sie:

  • unter Druck gesetzt werden,
  • manipuliert werden,
  • zum Zeitpunkt der Unterschrift abgelenkt sind,
  • die Details und langfristigen Konsequenzen nicht kennen,
  • Ihre Alternative nicht nochmals ernsthaft in Erwägung gezogen haben.
Porträt