Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Erfolg und seine Kehrseite

Natürlich: Alle wollen erfolgreich sein. Der Wunsch ist aber noch lange kein Ziel. Abgesehen davon, dass «Erfolg» für unterschiedliche Unternehmen unterschiedliche Ausprägungen hat, kann Erfolg auch eine Kehrseite haben.
PDF Kaufen

Vermutlich würde niemand, den man fragt: «Wollen Sie eigentlich erfolgreich sein?», mit «Nein» antworten. Der eine wird vielleicht fragen, warum die Frage gestellt wird, andere werden fragen, was man damit meint. Die Frage ist berechtigt und damit sind wir auch schon beim ersten Punkt: Was bedeutet eigentlich «Erfolg»?

Das Verständnis von Wachstum

Was auf Ebene des Unternehmens auf den ersten Blick klar erscheint, nämlich wirtschaftlicher Erfolg und das zahlenmässige Prosperieren, stellt sich deutlich differenzierter dar, wenn man das Wachstum nicht nur als rein finanzielles Wachstum, also das Wachstum der letzten Zeile der Gewinn- und Verlustrechnung versteht, sondern wenn man unter Wachstum intelligentes Wachstum versteht, das ausdrücklich auch und vor allem auf qualitatives Wachstum abzielt, durch welches dann in der Folge zu finanziellem Wachstum und Erfolg führt.

Vorausgesetzt, es sind die richtigen Initiativen, Projekte, Massnahmen erfolgreich durchgeführt worden. Um nicht missverstanden zu werden: Finanzielles, wirtschaftliches, profitables Wachstum ist zwingend erforderlich, aber nicht als Zweck des Unternehmens, sondern als Resultat der richtigen Tätigkeiten und welche dies sind, wird durch die Kunden definiert, die auf die richtigen Produkte und Leistungsangebote mit Nachfrage reagieren.

Versteht man also Wachstum als intelligentes Wachstum, wird Erfolg automatisch nicht unbedingt mit Ergebniswachstum gleichgesetzt, sondern mit der Wirkung bestimmter Initiativen, Projekte, Massnahmen im Gesamtkontext. So können einzelne Massnahmen durchaus erfolgreich sein, obwohl sie sich noch nicht wirtschaftlich positiv ausgewirkt haben. Der Erfolg kann also themensensitiv sein und muss sich nicht nur auf das wirtschaftliche Resultat des Unternehmens beziehen.

Unterschiedliche Wachstumsdimensionen

Bleiben wir auf der Ebene des Unternehmens-Erfolgs, müssen wir auch konstatieren, dass Erfolg auch abhängig ist von der jeweiligen Phase des Unternehmens. Stark wachsende Unternehmen werden einen vor allem wachsenden Umsatz als Voraussetzung sehen und schon enttäuscht sein, wenn die Wachstumsquote nicht mindestens 25 Prozent beträgt oder die Kundenanzahl sich in einem Jahr nicht mindestens verdreifacht hat. Erfolg ist dann erst das Überschreiten der ohnehin schon ambitionierten Ziele.

Wir sehen das bei stark wachsenden börsennotierten Unternehmen sehr deutlich, weil sie so transparent sind: Es werden am­bitionierte Wachstumsziele kommuniziert, Analysten preisen möglicherweise auf Grund ihrer vermeintlichen Marktkenntnis noch additives Wachs­tum ein. Und kommen die Zahlen nicht wie erwartet, wird das Unternehmen mit sinkenden Aktienkursen abgestraft. Da helfen auch keine 25 Prozent Wachstum, wenn 28 Prozent erwartet waren.

Unternehmen zwischen Stagnation und Abschwung

Unternehmen, die sich durch eine gewisse Saturation ausweisen, können davon nur träumen. Jene Unternehmen, die zwar vielleicht noch in gewissem Masse wachsen mögen, deren Wachstum aber bei Weitem nicht oben genannte Dimensionen erreicht, Unternehmen, die vielleicht sogar das eine oder andere Jahr eine «Nullrunde» drehen müssen, sind schon froh, wenn sich überhaupt etwas bewegt. Diskussionen um Erfolg sind in Unternehmen, die sich in dieser Phase befinden, äusserst mühselig und mitunter sogar müs­sig.

Ein wesentlicher Erfolg wäre das Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf, das aber vielfach durch Beharrung und Erfahrung gebremst wird. Dazu kommen wir später noch. Demgegenüber haben es Unternehmen, die sich im Abschwung befinden, kurioserweise wieder einfacher. Ohne zynisch sein zu wollen, aber in einem Abschwung ist mehr unternehmerische Bewegungsenergie als in einem Stillstand. Wird diese Bewegungsenergie durch die Unternehmensführung richtig kanalisiert, kann der Abschwung deutlich abgekürzt, der Turn-Around deutlich eher gelingen. Unternehmen, die sich in einer Turn-Around-Situation befinden, haben eine klare Erfolgsdefinition: die Wasseroberfläche wieder zu erreichen.

Die Rolle der Mitarbeiter

Nicht genug mit dieser Komplexität der themensensitiven und der phasensensitiven Definitionserfordernis von «Erfolg» auf der Unternehmens­ebene. Es gilt auch, den Begriff des Erfolgs auf Ebene der Mitarbeiter zu greifen.

Je nach Unternehmensgrösse kann dies eine zu grosse Aufgabe sein und es geht auch mitnichten darum, es jedem Mitarbeiter recht zu machen, aber wenn Mitarbeiter beispielsweise in einem stark wachsenden Unternehmen nicht so viel mit weiterem Wachstum anfangen können, wenn Mitarbeiter in einem still stehenden Unternehmen sich arrangiert haben, wenn Mitarbeiter einen Turn-Around für zu anstrengend halten, wenn die Schuld für Erfolg und Misserfolg bei anderen gesucht wird – hier gern genommen sind die Konjunktur, die Politik, der Wettbewerb oder das Wetter oder auch schlicht der dumme Kunde, der es einfach nicht versteht – dann wird es auf der Ebene des Unternehmens schwer, Erfolg gemeinsam anzustreben.

Wenn sich die individuellen Definitionen von Erfolg sowie die unternehmerische Absicht zu sehr auseinanderdividiert haben, werden immer Gegenkräfte wirken, die den beabsichtigten Unternehmenserfolg zu verhindern wissen, ganz unabhängig davon, ob diese Kräfte bewusst oder unbewusst wirken.

Die gute Nachricht ist, dass es gerade im Mittelstand leichter ist, diese Erfolgsbestrebungen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter miteinander abzugleichen, weil man sich in einem meist noch überschaubaren Grössenumfeld bewegt, nicht selten kennt man noch fast alle Mitarbeiter namentlich, trotz einer mitunter beachtlichen erreichten Grösse. Überdies ist die Identifikation der Mitarbeiter im Mittelstand mit dem Unternehmen oftmals höher als in Grossunternehmen und Konzernen, insbesondere dann, wenn das Unternehmen familiengeführt oder zumindest in Familienhand ist und nicht institutionellen Investoren und Aktionären gehört.

Der Dialog über das, was «Erfolg» für das Unternehmen bedeutet, gehört nicht nur in die jährliche Strategieklausur – dahin gehört sie auch, aber eben nicht nur. Es ist viel zielführender, regelhaft darüber zu sprechen, wann das Unternehmen nach Ansicht der Unternehmensführung erfolgreich ist und wie dies den Mitarbeitern helfen kann, ihren eigenen Erfolg zu erzielen.

Zum Abschluss noch die versprochene Kehrseite des Erfolgs: Erfolg spornt an, aber er kann auch träge machen. Dies erkennen wir insbesondere bei den oben beschriebenen Unternehmen, die sich in einer Phase der Stagnation befinden und sich der Erfordernis einer Reaktivierung gegenübersehen. Unternehmen in dieser Phase waren oft schon erfolgreich, sind es jetzt nicht mehr und es beginnen interne Verteidigungskämpfe. Dies ist zwingend zu unterbinden, und am besten wird eine präventive Massnahme ergriffen: das kontinuierliche, gesunde, profitable Wachstum als Mass­gabe. Dann wird man gar nicht erst träge und müde.

Porträt