Strategie & Management

Energie- und Umweltmanagement V

Energetische Ressourcen als strategische Herausforderung

Der Weg in Richtung Energieeffizienz muss für Unternehmen damit beginnen, dass sie für sich im effizienten Umgang mit Energie einen Mehrwert erkennen können. Dieser Beitrag beschreibt einige Kernthemen des sich stark entwickelnden Energiebereichs, um eine Basis für die Chancen- und Risikobetrachtung zu legen.
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Ein Drittel des schweizerischen Energiekonsums geht zulasten der Industrie und des Dienstleistungssektors. Unternehmen in diesen Bereichen spielen demzufolge eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, ob die Schweiz ihre gesteckten Ziele für die Reduktion des Energieverbrauchs und des CO₂-Ausstosses erreicht. Diese Feststellung sollte deshalb zu radikalen Veränderungen in der Wirtschaft führen, die aber nur möglich sind, wenn das Thema Energie auf die Ebene strategischer Entscheide der Unternehmen gehoben wird. Dazu gehört eine Berücksichtigung der genannten Aspekte in der Praxis wie auch bei Entscheidungen der Unternehmen und es braucht eine übergeordnete Sicht der Dinge bei den Entscheidungsträgern.


Energie als Mehrwert

Zum heutigen Zeitpunkt muss man allerdings feststellen, dass solche Überlegungen keineswegs Allgemeingut sind, wenn auch die Zahl derjenigen, welche zur Tat schreiten, zunimmt, weil sie wissen, dass sie sich damit fit machen für ändernde Rahmenbedingungen. Damit solche Über­legungen überhaupt gemacht werden, muss ein grundlegend neues Verständnis von Energie, gleich welcher Art, reifen. Die Schwierigkeit dabei liegt in der Natur der Energie selber, denn sie ist nicht sichtbar, man riecht sie nicht und man misst sie in manchmal schwer verständlichen Einheiten, die wir aus unserem täglichen Leben nicht kennen. Dazu kommt, dass wir gewohnt sind, auf einen Schalter drücken zu können, damit wir Licht haben oder eine Maschine läuft. Dass Energie eines Tages weniger reichlich vorhanden, teurer oder sogar unsicher verfügbar sein könnte, ist in unseren Denkschemata nicht verankert.

Im Weiteren darf eine Tatsache nicht unterschätzt werden: Die Bedürfnisse der Gesellschaft und diejenigen der Unternehmen sind zum Teil gegensätzlicher Art. Die Gesellschaft erwartet einen rationellen Umgang mit den Ressourcen, damit diese langfristig zur Verfügung stehen; die Unternehmen sind dagegen gezwungenermassen auf Wachstum und (kurzfristigen) Gewinn ausgerichtet. Der Weg in Richtung Energieeffizienz muss deshalb für das Unternehmen damit beginnen, dass es für sich im effizienten Umgang mit Energie einen Mehrwert erkennen kann.


Die Kernthemen

Konkret besteht die Arbeit für das Unternehmen zuallererst darin, die Chancen und Risiken herauszuarbeiten, welche die Energie in seinen Aktivitäten und Geschäften darstellt. Diese zukunftsgerichtete Analyse bedingt die Erarbeitung von möglichen Entwicklungsszenarien und stützt sich auf einige Kernthemen des sich stark entwickelnden Energiebereichs.

Energiepreise

Das erste dieser Themen betrifft den Preis der Energie. Dieser geht, sowohl was die Produktions- als auch die Verteilkosten betrifft, langfristig tendenziell nach oben. Und auch wenn niemand genau voraussagen kann, wo er in zwei, fünf oder gar zehn Jahren liegen wird, so wird diese unausweichliche Tendenz natürlich zu höheren Kosten für Strom, Wärmeproduktion und für den Transport von Gütern und Personen, wie auch zu steigenden Kosten für die Versorgung mit Rohstoffen und für Lieferungen und Dienstleistungen von Dritten führen.

Versorgungssicherheit

Die Versorgungssicherheit ist ein anderes wichtiges Thema, denn die Schweiz ist in dieser Beziehung stark von anderen Ländern abhängig, besonders auch von solchen in geopolitisch und wirtschaftlich instabilen Regionen. Es geht dabei nicht um eine Gefährdung in ferner Zukunft; wie man durch die verschiedenen, gravierenden Ereignisse in den letzten zwei Jahrzehnten leicht erkennen kann. Und selbst wenn sich die Fachleute nicht einig sind, wie lange die fossilen Energieträger noch verfügbar sind, Tatsache ist, dass die Vorräte im Laufe unseres Jahrhunderts abnehmen und einen kritischen Bestand erreichen werden.

Die Internationale Energieagentur (IEA) hat bestätigt, dass das «Erdölfördermaximum» («oil peak») im Jahre 2006 erreicht worden ist, und dass die Erdölförderung nicht mehr gesteigert werden könne. Diese kann vielleicht noch während einiger Jahrzehnte stabil bleiben, doch nimmt gleichzeitig die weltweite Nachfrage immer noch zu. Wenn also die Energie für den Geschäftsgang von grosser
Bedeutung ist, sollte man sich rechtzeitig die Frage stellen, ob möglicherweise Probleme bei der Versorgung entstehen werden. Dies umso mehr, als sich in unserer globalisierten Welt die Wertschöpfungsketten zunehmend über Kontinente hinweg erstrecken und sowohl Qualität als auch Quantität der Versorgungsnetze in den verschiedenen Regionen der Erde sehr ungleich sind.

Gesetzliche Auflagen und Anreize

Dazukommen strengere gesetzliche Auflagen sowie Anreize wie etwa die CO₂-Abgabe, die sich von 2013 auf 2014 fast verdoppelt hat. Energieeinsparungen können sich somit doppelt lohnen: durch weniger Kosten für den Ankauf und durch die Abgabe, die an die «Musterschüler» rückerstattet wird. Je nach Tätigkeitsgebiet erfordern weitere kürzlich erlassene oder in Zukunft absehbare gesetzliche Einschränkungen Veränderungen in der Konzeption von Gütern, die sich auf den Energieverbrauch auswirken (zum Beispiel Apparate, Maschinen und Fahrzeuge).

Markterwartungen

In diese Überlegungen müssen natürlich auch die Erwartungen des Marktes miteinbezogen werden. Handelt es sich zum Beispiel um einen Markt, der sensibel ist für ökologische Argumente oder es werden könnte? Gibt es Möglichkeiten, sich dank Vorteilen in diesem Bereich zu profilieren, wie das oft beim «Business to Consumer» oder beim öffentlichen Beschaffungsmarkt der Fall ist? Wo situiert sich das Unternehmen in Bezug auf den Stand der Technik und wo stehen die Konkurrenten?

Eigene Energiebedürfnisse

Dieses Umfeld, mit dem sich ein Unternehmen in ständigem Austausch befindet, muss in Bezug zu seinen eigenen Energiebedürfnissen der kommenden Jahre gesetzt werden, wie sie sich aus der gewählten Unternehmensstrategie ergeben. Die künftige Entwicklung des Umsatzes oder der Produktion, der internen Abläufe sowie der Infrastruktur haben mehr oder weniger starke Auswirkungen auf den Energieverbrauch, auf die damit verbundenen Kosten und somit auf die Fähigkeit des Unternehmens, die Versorgungssicherheit entlang der ganzen Wert­schöpfungskette zu garantieren.

Eine weitere grundsätzliche Frage muss man sich in jedem Fall stellen: Auch wenn es stimmt, dass die künftige Entwicklung im Bereich Energie sehr unsicher ist und, dass bedeutende Investitionen für Verbesserungen mit einem neuen finanziellen oder operativen Risiko verbunden sein können – welche Gefahr besteht, wenn man nichts tut und sich auf passives Abwarten beschränkt?

Interne, energierelevante Posten

Sind das Umfeld und dessen Auswirkungen auf das Unternehmen einmal abgeschätzt, so geht es anschliessend darum, die wichtigsten energierelevanten Posten bei den internen Abläufen aufzulisten. Angefangen bei der Produktion und der Umwandlung von Energie (z. B. Wärme aus Gas, Druckluftnetz, Transformatoren von Strom) bis hin zur Endnutzung; etwa für die Heizung der Räumlichkeiten oder die Erwärmung industrieller Prozesse, für die Kühlung, für das Funktionieren der Maschinen und der technischen Einrichtungen des Gebäudes, für die mit Informatik ausgestatteten Arbeitsplätze und für die Fahrzeuge.

Um ein Maximum an Wirkung zu erzielen, werden alle diese Posten nach verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet: Zunächst natürlich nach ihrem direkten Energieverbrauch, respektive nach ihrem Anteil am gesamten Energieverbrauch. Dann nach den Kosten (Elektrizität kostet pro kWh immer noch mehr als die fossilen Energieträger), nach ihrer Energieeffizienz und nach dem vorhandenen Verbesserungspotenzial und den daraus entstehenden Vorteilen wie zum Beispiel Gewinn an Flexibilität und Produktivität sowie an Image. Diese systematische Arbeit im Betrieb führt zu einem Überblick über die prioritären Massnahmen und ermöglicht eine Konzentration auf das Wesentliche, um so ein Maximum an Wirkung zu erzielen.

Bei diesem Vorgehen kann man mehr oder weniger standardisierte Methoden anwenden. Die Antworten, die man erhält, und die Schlussfolgerungen aus dieser externen und internen Evaluation variieren aber von Branche zu Branche und sogar von Unternehmen zu Unternehmen innerhalb einer Branche sehr stark.

Massnahmen definieren

Es kommt deshalb der Moment, wo man die vorteilhaftesten Verbesserungsmassnahmen bestimmen und auswählen muss, sowohl aus der Sicht der Erhaltung der Ressourcen als auch aus der Sicht des Betriebes. Dabei ist es sinnvoll, sich nicht ausschliesslich auf die technischen Aspekte zu konzentrieren, sondern in einer viel breiteren Sicht zahlreiche Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, die sich hinter eher organisatorischen Fragen verstecken können.

So etwa die Anpassung von Betriebszeiten, von Arbeitsmethoden oder Arbeitsabläufen, und nicht zuletzt gehören dazu auch Verhaltensänderungen der Menschen. Speziell bei Letzterem zeigt die Erfahrung in der Praxis, dass gut durchdachte und langfristig durchgeführte Sensibilisierungsaktionen zu Einsparungen in der Grössenordnung von 10 bis 15 Prozent (oft sogar mehr) geführt haben.
Aber Achtung: Oft lassen auch bei grosser Motivation die Bemühungen um Energieeffizienz nach, wenn es um den Return on Investment oder die Rentabilität geht. Eine markante Steigerung ist bei den meisten Verbesserungsvorhaben im Bereich Energie nicht erreichbar; jedenfalls solange die Energiepreise noch nicht stark ansteigen. Sind wir bereit, dieser Art von Vorhaben eine Ausnahmestellung zuzubilligen und Rentabilitätskriterien anzuwenden, die einen weiteren Zeithorizont haben als bei anderen Projekten? Gerade in diesem Punkt können sich besonders engagierte Unternehmen profilieren.

Einen wichtigen Effekt, den alle diese Überlegungen und die daraus entstehenden Ideen haben können (sofern sie denn umgesetzt werden), sollte man nicht vernachlässigen, auch wenn er nicht zur anfänglichen Begründung beigetragen hat: Oft führen diese Ideen zu Innovation und Motivation innerhalb der Unternehmen.

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