Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Die Zeitverschwendungs-Fallen

Auch wenn die Führung meint, dass man das Richtige in Sachen Wachstum tut, muss dies nicht immer stimmen. Aufmerksamkeit verdienen jene Dinge, die man tut, weil man sie immer schon getan hat. Hier verbergen sich oft Zeitverschwendungen.
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Im Unternehmen ist nicht das Geld die wichtigste Ressource, sondern die Zeit. Geld kann man sich verdienen, Zeit nicht. Einbussen im Umsatz kann man aufholen, verlorene Zeit bekommt man nicht zurück. Umsatz kann man mehren, der Tag hat nur 24 Stunden und keine Minute mehr. Das Bewusstsein über die knappe Ressource «Zeit» hilft dabei, den Verschwendungen auf die Spur zu kommen. Es geht dabei nicht in erster Linie um Verschwendung von finanziellen Ressourcen, sondern um die Verschwendung – oder sagen wir zumindest den nicht optimalen Einsatz – von Zeit. Will ein Unternehmen, will eine Unternehmensführung wirklich profitabel sowie gesund wachsen, ist hier die höchste Aufmerksamkeit geboten. Schauen wir auf drei Beispiele:

1. Zeitverschwendungs-Falle «Prozessoptimierung»

Das Optimieren von Prozessen, das Beschleunigen, Verschlanken, Verbessern geschäftlicher Abläufe gehört zum Tagesgeschäft vieler Unternehmen. Dagegen ist im Prinzip auch nichts zu sagen, wenn diese Prozessoptimierung richtig abläuft. Zu häufig wird hier aber massiv Zeit verschwendet. Dabei ist das Verschwendungspotenzial sogar multidimensional. Die erste Verschwendungsgefahr im Bereich der Prozessoptimierung beginnt ganz vorn. Prozessoptimierungen ergeben nämlich nur dann einen Sinn, wenn sie einer Strategie folgen. Erst wenn die Strategie glasklar formuliert ist – und hier darf man sich nicht auf Platzhalter der Kategorie «wir wollen profitabel wachsen» oder «wir wollen der Beste im Markt sein» reduzieren –, können die Fachexperten die Prozesse richtig ausrichten.

Der Fehler der täglich beobachtbar ist, liegt darin, dass die Prozesse aus Kostensicht «optimiert» werden, statt sie erst einmal auf ihren strategischen Beitrag zu untersuchen. Optimal werden Prozesse nämlich durch simple Optimierungsversuche nicht oder wenn, dann nur durch Zufall. Ist die Strategie klar, kann die Optimierung gezielt erfolgen, also auf Basis der richtigen Zielgrössen, und die müssen nicht notwendigerweise «Kostensenkung» oder «Kostenoptimierung» lauten. Noch besser: Durch eine klare Ausrichtung der Prozesse an der Strategie kann so mancher Prozess einfach entfallen. Die optimale Optimierung, sozusagen.

Damit verbunden und oben schon genannt ist die zweite Verschwendungsgefahr im Bereich der Prozessoptimierung: Die reine Fokussierung auf Kosten. Wachstum kann man sich aber nicht ersparen, im doppelten Sinne. Über Kostensenkung ist noch kein mir bekanntes Unternehmen gewachsen. Gewiss, die Kostenposition muss stimmen, insbesondere, wenn in der Vergangenheit zu üppig mit den Mitteln umgegangen wurde. Aber was am Markt beobachtbar ist, ist häufig der verzweifelte Versuch, das Betriebsergebnis ausschliesslich oder mehrheitlich über die Verbesserung der Kostenseite zu verbessern.

Fatal und eine Freude für den wachstumsorientierten Wettbewerb. Das dritte Verschwendungspotenzial bei der Optimierung ist das Aufnehmen von Prozessen von unten nach oben. Eine Direktorin eines börsennotierten Unternehmens sagte mir im Rahmen eines Beratungsprojektes einmal, sie hätte mehr als 400 Detailprozesse mit ihrer Mannschaft aufgenommen und sie fragte sich – und, viel schlimmer: mich –, wie sie diese «oben» wieder zusammenfügen solle. Meine Antwort: «Gar nicht, jedenfalls nicht mit uns.» Prozesse müssen von oben nach unten analysiert werden, beginnend mit einem Instrument wie der von uns entwickelten Prozesse-Landschaft über die Haupt- und Teilprozesse der verschiedenen Ebenen, bis hin zu den Arbeitsschritten, auch wenn es weh tut, weil es Arbeit bedeutet.

Das vierte sowie letzte Haupt-Verschwendungspotenzial im Bereich der Prozessoptimierung liegt in der zu starken Betonung einzelner Prozesse und Prozessschritte im Gegensatz zu der Betrachtung von Schnittstellen. Die Schnittstellen zwischen Prozessen (und Bereichen) sind es aber, an denen die Musik spielt. Hier werden buchstäblich Millionen vergraben. Man fokussiere sich also zunächst auf die Schnittstellen, nicht auf die Arbeitsschritte.

2. Zeitverschwendungs-Falle «Wettbewerbsbeobachtung»

Es wird in den Unternehmen, die wir kennen, regelhaft viel Zeit ver(sch)wendet auf die Beobachtung des Wettbewerbs. Es wird analysiert, welche Kunden er besucht, welche Werbeaktionen der Wettbewerb fährt, welche Produkte er listet, welche besonderen Angebote geschnürt werden, es werden Produktmuster gekauft – je nach Branche ist die Vielfalt der Möglichkeiten, den Wettbewerb zu beobachten, geradezu unbegrenzt. Das Problem stellt sich darin, dass es nicht genügt, dem Wettbewerb nachzueifern, will man wirklich gesund und profitabel wachsen. Wachstumsintelligenz bedeutet auch, dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus zu sein, und dies nicht, indem man etwas besser macht, was der Wettbewerb tut, sondern indem man die Bedarfe der Kunden besser antizipiert (Achtung: Nicht nur erfüllt!), als es der Wettbewerb zu tun imstande ist.

Unsere Klienten, mit denen wir gezielte Wachstumsprojekte aufsetzen, beschäftigen sich mit dem Wettbewerb häufig nur noch am Rande, wir setzen die kostbare Ressource «Zeit» lieber ein, um uns mit den Kunden unserer Klienten zu beschäftigen und dieses Zeitinvestment wird regelhaft belohnt. Auch wenn man über Wettbewerbsbeobachtung lange sprechen und sich lange damit beschäftigen kann, gehört das bestehende Verfahren auf den Prüfstand.

3. Zeitverschwendungs-Falle «Operatives Geschäft»

In meinen Vorträgen hebe ich häufig hervor, dass das operative Geschäft der natürliche Feind der Strategie ist, und ich ernte regelhaft verstehendes Lachen und ebensolches Kopfnicken. Dies liegt daran, dass das operative Geschäft im übertragenen Sinne «lauter» ist als die Strategie. Läuft im operativen Geschäft etwas schief, merken es viele Beteiligte, und dies meist sofort. Nicht selten muss dann auch der Chef «ran». Läuft strategisch etwas in die falsche Richtung, merkt man es nicht sofort, im Gegenteil. Man merkt es spät, manchmal sogar zu spät, und eine eindeutige Zuordnung von Ursache zu Wirkung fällt auch meist schwer.

Das professionelle Abwickeln, das permanente Ver­bessern, das zu Kundenzufriedenheit, idealerweise zu Kundenbegeisterung führende operative Geschäft mit einer hohen Aufmerksamkeit zu versehen, ist natürlich in Ordnung und sehr wichtig für ein gesundes profitables Wachstum. Aber: Zu häufig wird die Ausnahme zur Regel, die Unternehmensführung ist hart am Wind des operativen Geschäftes, weil es zugegebenermassen auch Erfüllung bringt, wenn sich sofortige Erfolge einstellen. Dabei wird vergessen, dass Mitarbeiter sich nicht gemäss ihres Potenzials entfalten und zum Wohle des Unternehmens entwickeln können, und dass sich die Strategie nicht weiterentwickeln kann, weil diejenigen, welche die Aufgabe haben, die Strategie weiterzuentwickeln, sich gerade in den Tiefen des operativen Geschäfts befinden.

Das aber ist vergleichbar mit einer Sportmannschaft, bei der das Trainerteam permanent selbst auf dem Feld steht, und das nicht nur im Training, sondern auch im Wettbewerb. Wie soll das gehen? Es werden dem geneigten Leser noch mehr Zeitverschwendungs-Fallen einfallen, davon bin ich überzeugt. Wichtig ist, dass aus der Erkenntnis ein Handeln erfolgt. Es ist besser, etwas konsequent zu stoppen, als mit schlechtem Gewissen einen «Weiter so»-Kurs zu fahren. Wachstum kommt von Weglassen.

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