Strategie & Management

Nachhaltige Unternehmensführung

Die Rolle des Verwaltungsrats

Bei der strategischen Ausrichtung auf den Megatrend Nachhaltigkeit kommt dem KMU-Verwaltungsrat eine grosse Bedeutung zu. Der Aufbau von Know-how zum Thema und das Wissen um geeignete Massnahmen sind dabei essenziell, um die für das eigene Kern­geschäft wegweisenden Entscheidungen zu treffen.
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«The business of the business is business.» – Das war einmal. Heute hat sich dieser Ansatz überlebt. Die Bedeutung einer verantwortungsvollen Geschäftstätigkeit wächst, immer mehr Kunden beziehen nachhaltige Aspekte in ihre Kaufentscheidung ein. Auch Mitarbeitende messen diesem Aspekt bei der Wahl des Arbeitgebers vermehrt eine grössere Bedeutung zu. Viele Verwaltungsräte erkennen diese Entwicklung. Doch der Wandel hin zum nachhaltigen Betrieb braucht Zeit, Know-how und ein mutiges Vorangehen. 


Nachhaltigkeit definieren 

Eine nachhaltige Unternehmensführung ist das Bekenntnis von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, ökologische und soziale Gesichtspunkte freiwillig über die bestehenden Verpflichtungen hinaus in ihre wirtschaftliche Tätigkeit und die Beziehung zu den Stakeholdern zu in­tegrieren. Wird ein Betrieb nachhaltig geführt, so sind alle Abläufe darauf ausgerichtet, dass weder Mensch noch Natur aufgrund des ökonomischen Bestrebens Schaden nehmen. 

Das Modell der Triple Bottom Line beschreibt diesen Dreiklang unternehme­rischer Verantwortung und geht auf den Briten John Elkington zurück. Das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung geht davon aus, dass eine intakte Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft nur durch das gleichberechtigte Umsetzen von umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen erreicht werden kann. 


Dimensionen der Nachhaltigkeit

Um wirklich nachhaltig zu handeln, ist eine Balance zwischen allen drei Dimensionen herzustellen: 

Ökologische Nachhaltigkeit
Hier geht es um den weitsichtigen und rücksichtsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Umwelt und Natur stehen im Mittelpunkt. Natürliche Lebensgrund­lagen wie die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren, Wasser und Rohstoffe sollen nur so weit beansprucht werden, wie sie sich regenerieren. 

Soziale Nachhaltigkeit
Hierbei sind Individualität, Rechte und Werte des Menschen von grosser Bedeutung. Es geht um gleiches Recht für alle in Bezug auf Arbeit, Gesundheit und soziale Standards. Auch Generationengerechtigkeit, eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung sowie Armut und Hunger in der Welt sind Themen.

Wirtschaftliche Nachhaltigkeit
Eine Wirtschaftsweise gilt dann als nachhaltig, wenn sie dauerhaft betrieben werden kann. Ein hoher Beschäftigungsgrad und Preisstabilität gelten als Schlüsselfaktoren für wirtschaftliche Nach­haltigkeit.

Relevanz prüfen

Ob klimabedingte Naturkatastrophen, wachsende Einkommensungleichheit oder Cyberkriminalität – der Handlungsbedarf in Bezug auf diese Herausforderungen wird heute zunehmend anerkannt. International aufgestellte Betriebe sind mit ihren globalen Lieferketten traditionell eher gefordert, nachhaltige Aspekte in ihrer Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen. Doch auch regional tätige KMU haben nachhaltiges Geschäftspotenzial, gerade weil sie nicht im breiten Massenmarkt agieren und ihre Zielgruppe viel konkreter ansprechen. Gelingt es diesen Betrieben, für sie relevante Engagementfelder zu definieren, so können auch sie eine nachhaltige Handlungsfähigkeit mit Zukunftsperspektive entwickeln.

Wir kennen verschiedene KMU unterschiedlicher Branchen, die ihre Produktionsprozesse in Bezug auf die Nachhaltigkeit stark verbessert haben, sowohl bei ökologischen Themen (zum Beispiel Energiereduktion, Nutzung von entstandenen Nebenprodukten, Umgang mit gefährlichen Gütern) als auch bei gesellschaftlichen Aspekten (zum Beispiel Lehrlingsausbildung, Sinnhaftigkeit der Arbeit verbessern, insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren Mitarbeitenden, Unterstützung von regionalen Engagements). 


Potenziale erkennen

Trotz der steigenden Sensibilisierung für den globalen Handlungsbedarf ist Nachhaltigkeit oft nicht das dominierende Thema in den VR-Agenden. Die positiven Effekte nachhaltiger Geschäftstätigkeit werden häufig auf die Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitenden sowie die allgemeine Verbesserung von Reputation und Wettbewerbsposition eines Betriebes beschränkt (vgl. VR-Umfrage Knight Gianella 2020). Dabei ist die Ansicht, dass sich Nachhaltigkeitsbestrebungen auch finanziell lohnen sollten, verbreitet. Die Sorge ist gross, zu viel und falsch in Nachhaltigkeitstrends zu investieren. 

Hier kann es helfen, sich die für das eigene Geschäft relevanten Themen an­zusehen und für sich abzuwägen: Welche Trends könnten auftreten? Welche Chancen und Risiken könnten sich daraus für den eigenen Betrieb ergeben? Wie sieht es heute damit aus, wie könnte in zehn Jahren darüber gedacht werden? Wie könnte ich schon heute oder in ein paar Jahren darauf reagieren beziehungsweise den Trend für den eigenen Betrieb als Handlungsoption nutzen? (Siehe Abbildung 2)

Wird nachhaltig gewirtschaftet, profitieren KMU vom sorgfältigeren Umgang mit Ressourcen und von geringeren Emissionen. Es werden Kosten gespart und das Image verbessert: Management und Mitarbeitende können auf das Geleistete stolz sein und sich für weitreichendere Massnahmen motivieren. Darunter könnte zum Beispiel der Erwerb eines glaubwürdigen Labels fallen (s. labelinfo.ch).

Jedes Siegel, Zertifikat oder Umweltzeichen wird gedanklich mit einer bestimmten Initiative verknüpft und ermöglicht es oft, das nachhaltige Engagement nach aussen hin sichtbar zu machen. Zudem können sich KMU fragen, welche Massnahmen sie getroffen und welche Ergebnisse sie bereits in Bezug auf die Nach­haltigkeit erzielt haben. Viele KMU haben in den vergangenen Jahrzehnten viele nachhaltige Massnahmen ergriffen, machen dies jedoch oft nicht publik. 

Einen sofortigen Return on Investment (ROI) nachhaltiger Unternehmensführung gibt es in den meisten Fällen nicht. Doch in einem Markt, der sich immer mehr von der Umwelt- und Gesellschaftsverträglichkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung beeinflussen lässt, kann mit der richtigen Strategie langfristig die Positionierung eines Betriebes verbessert werden.


Operativ umsetzen

Setzt sich ein KMU mit dem nachhaltigen Geschäftsgedanken auseinander, so hilft dabei die Beantwortung ganz praktischer Fragen: 

  • Wieso sollten wir uns für mehr Nachhaltigkeit engagieren? 
  • Aus welchem Grund könnte Nach­haltigkeit interessant sein (Image, Kosten, Mitarbeitermotivation, Umsatz, Kundenanforderungen, politische Motive, ethische Gründe, eigene Haltung usw.)?
  • Sehen wir Nachhaltigkeitstrends eher als Chance oder als Bedrohung?
  • Was hat Nachhaltigkeit für einen Stellenwert im Betrieb?
  • Wie wird im Betrieb aktuell produziert (Schadstoffgehalt, Rohstoffarten, Lieferketten, Energieverbrauch, Recycling, Abfalltrennung sowie Lohn- und Beschäftigungsbedingungen)?

Es empfiehlt sich, Erwartungshaltung­en zu klären und die Ausgangslage zu sichten. Viele Massnahmen zu nachhal­tiger Unternehmensführung werden oft schon unbewusst umgesetzt. Abbildung 3 verschafft einen Überblick über die 
operativen Möglichkeiten zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmensalltag.

Strategisch beleuchten

Möchte ein Betrieb auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit weiter in Richtung Kerngeschäft gehen und Chancen aktiv wahrnehmen, so sollte das eigene Geschäftsmodell angeschaut und kritisch hinterfragt werden. Dann bietet es sich an, folgende Fragen zu stellen: 

  • Wie sieht das Geschäftsmodell aktuell aus? Gibt es zum Beispiel negative Auswirkungen auf den ökologischen, so­zialen oder ökonomischen Aspekt von Nachhaltigkeit?
  • Zertifikate/Siegel: Welche gibt es für meine Branche und welche sind sinnvoll für die eigene Firma?
  • Könnten in der Zukunft regulatorische Veränderungen aufgrund von Nach­haltigkeitstrends auftreten? Was könnten diese für unser Geschäftsmodell bedeuten?
  • Wie wird in zehn Jahren aus der Sicht der Nachhaltigkeit über unser Geschäftsmodell gedacht?
  • Wie könnten Innovationen für das eigene Geschäftsmodell aussehen, die nachhaltige Aspekte miteinbeziehen?

Die Branche, das Produkt und die Wertschöpfungskette stehen dann im Fokus. Damit die Nachhaltigkeitsstrategie mit einem angemessenen finanziellen und zeitlichen Aufwand etabliert werden kann, bietet es sich an, die potenziellen Massnahmen auf strategischer und operativer Ebene in eine Matrix einzufügen (siehe Abbildung 4). Grundsätzlich lässt sich nachhaltiges Handeln immer dann authentisch und mit Gewicht vertreten, wenn es mit der Strategie, der Mission und dem Gesamtgeschäft verbunden ist. Das nachhaltige Handeln kann so nicht nur vielversprechend und sinnvoll auf den eigenen Betrieb angewendet werden, es wird über die Festlegung von Zielen und Kennzahlen auch intern messbar und für Aussenstehende sichtbar.

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