Strategie & Management

Markenresilienz

Die Marke als Managementinstrument

Die Grösse eines Unternehmens sorgt in stürmischen Zeiten nicht zwingend für mehr Widerstandskraft. So ist die robusteste Marke der Schweiz ein KMU, nämlich Victorinox, während sich verschiedene Grossunternehmen als fragil erweisen. Dies zeigt eine neue Studie zum Thema Markenresilienz.
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Verrückt, wie mächtig Marken sein können. Technologische «Meta Brands» wie Apple oder Google sind Hunderte von Milliarden Franken wert und bescheren ihren Besitzern fast schon unermessliche Gewinne. Doch wo stehen die Überflieger von heute in fünf oder zehn Jahren? Marken sind nicht nur so mächtig wie noch nie. Es ist zugleich auch so anspruchsvoll wie nie zuvor, sie erfolgreich gegen die vielfältigen, oft unvorhersehbaren Einflussfaktoren zu verteidigen und auf Erfolgskurs zu halten. Politische Entscheide führen zu weitreichenden, teils massiven wirtschaftlichen Folgeeffekten. Ein aktuelles Beispiel ist der starke Franken. Die damit einhergehende Margenerosion macht vielen Schweizer Unternehmen zu schaffen.

Erfolgsbeispiel Victorinox

Welche Handlungsspielräume – jenseits von Kostensenkungen – haben CEO und Unternehmer in diesen schwierigen Zeiten? Woher kommt die Widerstandskraft der Unternehmen, die ihnen hilft, ihr Unternehmen umzubauen, Preise durch­zusetzen und die Mitarbeiter an Bord zu halten? Die Antwort: aus der Marke, das heisst ihren Werten und der klaren differenzierenden Positionierung. Die Marke, verstanden als Managementsystem für Wertschätzung von Unternehmensleistungen aus Kundensicht sowie eine echte Wertschöpfung und nicht bloss eine kosmetische Ober­fläche, machen Schweizer Unternehmen robust.

Bestes Beispiel dafür ist Victorinox. Der Erfinder des hochwertigen Taschenmessers liegt im «Brand Trust Resilienz Index» auf Platz eins. Dabei hat das Fami­lienunternehmen aus Ibach im Kanton Schwyz einen tief greifenden Wandel hinter sich und erwies sich in den letzten Jahren als wahres Stehaufmännchen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 brachen bei Victorinox die Umsätze ein. Der Grund: Alle Taschenmesser wurden umgehend aus dem Handgepäck verbannt, womit plötzlich die Duty Free Shops rund um den Globus als wichtiger Vertriebskanal für das Swiss Army Knife verschwanden.

Doch das Management in Schwyz behielt die Nerven, diversifizierte das Produktangebot der Marke Victorinox erheblich und ist heute eine weltweit begehrte Mar-ke für Uhren, Bekleidung und Reisegepäck. Mit hoher Unverzichtbarkeit, einem markanten Preispremium, Innovation und treuen Markenfans ist Victorinox die aktuell widerstandsfähigste Marke der Schweiz, gefolgt von Lindt, Ricola, Swatch und der Migros.

Schutzschild gegen Preiserosion

Das Beispiel Victorinox zeigt: Mithilfe ihrer Marke, ihren Werten und klar erlebbarer Differenzierung sind Unternehmen durchaus in der Lage, sich in einem herausfordernden Umfeld neue Handlungsoptionen zu eröffnen und gleichzeitig widerstandsfähiger zu werden. Apple, die wertvollste Marke der Welt, ist früher in ähnlichem Stil gestärkt aus ihren Krisen hervorgegangen. Womit sich bilanzieren lässt: Marken erhöhen die Preisdurchsetzungsfähigkeit, die Kundentreue und Weiterempfehlungsbereitschaft. Dadurch wirken sie so wie ein Schutzschild gegen die vielfältigen äusseren Einflüsse.

Die Studien-Erkenntnisse

Gross ist nicht automatisch widerstandsfähig

Die Grösse eines Unternehmens sorgt in herausfordernden Zeiten nicht zwingend für mehr Widerstandskraft. So ist die resilienteste Marke der Schweiz ein KMU, nämlich Victorinox, während sich verschiedene Grossunternehmen als fragil erweisen. Der Vorsprung von Victorinox zum branchenübergreifenden Durchschnitt fällt überaus deutlich aus.

Das Gemeinwohl zählt

Genossenschaftliche Gene machen stark. Mobiliar, Raiffeisen und Migros haben punkto Resilienz genauso die Nase vorn wie Unternehmen à la Victorinox, Ricola oder Quöllfrisch. Genossenschaften und Familienbetriebe schaffen es branchenübergreifend, sich von der internationalen Konzernwelt zu differenzieren und ihre Kunden und Käufer persönlicher und authentischer anzusprechen. Leistung fürs Gemeinwohl wird honoriert.

Schokolade schlägt Banken

Die Schweizer Schokoladen-, Kult- sowie die Uhren-Marken führen das Branchenranking an. Sie vermitteln ihren Kunden und Käufern einen klaren Mehrwert und ermöglichen eine eindeutige, profiliertere Wahrnehmung sowie eine viel stärkere emotionale Ansprache. Dies im Gegensatz zu Banken und Versicherungen, die im Branchenranking als Schlusslicht rangieren.

Echte Leistung beeindruckt mehr als Re-Branding

Swisscom führt weit vor den Konkurrenten, weil sie aus Kundensicht eine kulturelle Bedeutung, eben «Swissness» besitzt. Sie besetzt relevante Kriterien wie Qualität, Status, Service und Reputation dominant. Fazit: Leistung schlägt Re-Branding.

Hohes Potenzial: Bekannt, aber nicht begehrt

Die Schweizer Marken punkten vor allem in der Bekanntheit. Ein hohes Optimierungspotenzial besitzen diese Marken bei den Resilienz-Indikatoren: Sie erzielen ein hohes Preis-Premium, sind unverzichtbar und aus der Sicht der Kundschaft «gut» für die Schweiz. Das ist eine Chance für jene Markenmanager, die mit ihrer Marke mehr Wert schaffen wollen als gute Werbung.

Der Schweizer shoppt im Euroland

Die geringe Bereitschaft, einen gewissen Mehrpreis zu bezahlen und die niedrige Unverzichtbarkeit der Schweizer Marken sind die Treiber, warum rund 56 Prozent der Kunden und Käufer in der Schweiz ihr Kaufverhalten als Folge zum starken Franken verändert haben.

Migros einsam an der Spitze – Aldi überraschend etabliert

Migros, das grösste Detailhandelsunternehmen der Schweiz, ist im Detailhandel weit vorne – wie immer. Aldi ist bereits auf Augenhöhe mit Coop und Denner. Dabei erzielt der Spitzenreiter eine starke emotionale Ansprache und integriert eigene Markenwelten an den Kontaktpunkten. Migros führt durch die Assoziation mit den kaufentscheidenden Kriterien wie Qualität, Service und Reputation die Branche deutlich an und konnte so den Angriff von Aldi abwehren.

Fazit

Welche Ingredienzen sind notwendig für eine hohe Resilienz? Entscheidend sind echte Schweizer Werte wie Genossenschaft, Familie, Authentizität, Nähe zum Menschen, Exzellenz in der Leistung, aber auch Innovation und die Idee der «eigensinnigen» Widerstandskraft gegenüber Gefahren von aussen. Entscheider und Markenmanager sollten sich überlegen, wie es ihrer Marke gelingen kann, unverzichtbar im Leben der Kunden und «gut» für die Schweiz zu sein – dies ist der beste Weg zum Preis-Premium und zu höherer Resilienz. Neue Namen oder hohle Imagekampagnen werden hingegen nur als Kosmetik wahrgenommen und treiben die Kunden ins Euroland.

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