Strategie & Management

Mitarbeiterbindung

Die Kündigung der Leistungsträger verhindern

Qualifizierte und kompetente Mitarbeiter werden knapp. Darum ist es wichtig, diese Mitarbeiter zu binden und einer Kündigung vorzubeugen. Die meisten Unternehmen setzen dabei auf monetäre Anreize – aber diese verfangen bei den Leistungsträgern selten. Wichtiger ist es, Work-Life-Balance herzustellen, Stress zu reduzieren und Leistungen anzuerkennen.
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Es liegen gleich mehrere Gründe vor, warum die Unternehmen sich intensiv Gedanken darüber machen sollten, wie sie ihre leistungsstarken Mitarbeiter langfristig halten können. Eine Trennung ist allein schon deswegen teuer, weil ein
adäquater Nachfolger gesucht und eingearbeitet werden muss. Mit jedem Mitarbeiter verlassen Fach-Know-how und Erfahrungswissen die Firma – Erfahrungswissen, das sich ein neuer Mitarbeiter erst mühsam und aufwendig aneignen muss.


Die neue Macht der Mitarbeiter

Entscheidend jedoch sind der demografische Wandel und der Fachkräftemangel. Diese Entwicklungen führen zu einer Umkehr der Verhältnisse: «Früher» konnten sich die Unternehmen aus einer Vielzahl an Bewerbern die besten herauspicken – heute sind es häufig die Mitarbeiter, die sich ihren jeweiligen «Lieblingsarbeitgeber» heraussuchen können. Und weil die Leistungsträger auch in Sachen Digitalisierung meistens spitze sind, wecken sie auf Seiten der Start-ups und der Gross-Konzerne Begehrlichkeiten. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben dann das Nachsehen.


Hinzukommt: Für die Digital Natives und die Mitarbeiter, die der sogenannten Y-Generation zugerechnet werden können, spielt die «Bindungsintensität» zum Arbeitgeber nicht mehr die Rolle wie für frühere Generationen. Die jungen Menschen wechseln rascher und öfter die Firma, wenn die Realisierung der Work-Life-Balance woanders eher möglich ist. Nicht immer spielen finanziell-materielle Grün-de die Hauptrolle bei dem Wechsel.

Bindungs-Massnahmen

Der Loyalitätsfaktor sinkt also, die High Potentials sind eher bereit zu Jobwechsel und Jobhopping. Wenn ihnen etwas am alten Arbeitsplatz nicht gefällt, harren sie nicht lange aus, sondern verlassen das Unternehmen – sie können es sich erlauben. Darum: Welche Massnahmen können KMU ergreifen, um die Topmitarbeiter, die sie gewinnen konnten, langfristig zu halten? Wie können sie der früh- oder vorzeitigen Kündigung vorbeugen?

Massnahme 1: Sich zur Arbeitgeber-Marke entwickeln

«Employer Branding» lautet das Stichwort: KMU müssen sich zur Arbeitgeber-Marke entwickeln und den Attraktivitätsgrad für die Leistungsträger erhöhen. Reputationsmanagement und Imagepflege helfen, in den Augen der Mitarbeiter als begehrenswerte Arbeitgeber zu erscheinen, bei denen der Einzelne stolz ist, gerade für diesen Arbeitgeber arbeiten zu dürfen. Weil die High Potentials begehrt und umkämpft sind, sollten die Unternehmen nicht nur prüfen, was ein neuer Mitarbeiter für das Unternehmen tun kann. Sie sollten bereit sein, die Frage umgekehrt zu stellen: «Was können wir tun, damit unsere Firma attraktiv für den potenziellen Mitarbeiter ist?» Wer sich glaubwürdig als interessanter und werteorientierter Arbeitgeber präsentiert, zieht die Spitzenleute an wie ein Magnet und kann im War for Talents bestehen.

Massnahme 2: Mitarbeiterorientierten Führungsstil pflegen

Ein Führungsverhalten, das auf Seiten der Mitarbeiter den Loyalitätsfaktor erhöht, ist ein weites Feld. Gewiss gehört dazu, den Mitarbeitern zu vertrauen, ihnen etwas zuzutrauen und von ihnen auch etwas zu verlangen. Es gibt den Ausspruch: «Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten» – das ist richtig und sollte Grundlage eines Führungsverständnisses sein, bei dem das Fordern und das Fördern gleichermassen im Fokus stehen und Leistungen in einer Anerkennungs-Kultur auch gebührend hervorgehoben werden. Gerade die Leistungsträger mögen es, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Sie bevorzugen den offenen Kommunikationsstil und erwarten von ihren Führungskräften Ehrlichkeit und Transparenz in allen Bereichen sowie das Eingehen auf ihre individuellen Erwartungen und Bedürfnisse.

Massnahme 3: Auf die eigenen Stärken setzen

Es ist bestimmt nicht immer so, aber oft: In KMU menschelt es, Werte wie Empathie, Wertschätzung und ethisches Verhalten stehen im Mittelpunkt der Führungsarbeit der Führungskräfte. Das sind die Aspekte, mit denen die Firmen bei den High Potentials punkten können. Natürlich muss die Möglichkeit hinzukommen, als Mitarbeiter seine Kompetenzen, Fähigkeiten und Talente voll und ganz am Arbeitsplatz einsetzen und aktualisieren zu können. Entscheidend ist, dass Mensch und Arbeitsplatz zu 100 Prozent zueinander passen. Dies liegt in der Verantwortung und Pflicht von Unternehmen, Management und der jeweiligen unmittel­baren Führungskraft.

Massnahme 4: Weiterbildung und Entwicklungsprogramme bieten

Die kontinuierliche Weiterentwicklung und Weiterbildung sowie der stetige Kompetenzaufbau sind weitere Aspekte, die für Topleute von besonderer Relevanz sind. Leistungsträger sind «heiss» auf den ständigen Ausbau ihrer Fähigkeiten. Dem muss das Unternehmen Rechnung tragen, indem es Kompetenz-Ist und Kompetenz-Soll abgleicht und die Lücken mit punktgenauer Weiterbildung schliesst. Spitzenmitarbeiter wollen es so und erwarten es so. Ausserdem setzen sie voraus, dass das Unternehmen sie offensiv bei der Karriereplanung unterstützt, Retention- und Entwicklungsprogramme für sie auflegt und spezielle Karriereförderprogramme anbietet.

Massnahme 5: Work-Life-Balance ermöglichen

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie von Arbeits- und Privatleben gehören zu einer wertefokussierten Unternehmens- und Mitarbeiterführung dazu. Die Topmitarbeiter insbesondere aus der Y-Generation erwarten, dass ihnen der Arbeitgeber entgegenkommt und ihre Wünsche nach Werte- und Sinnorientierung berücksichtigt. Leistungsträger gehen überdies mit grosser Selbstverständlichkeit davon aus, dass den Arbeitgebern und Führungskräften die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter nicht nur deswegen am Herzen liegt, weil sie aufgrund der Verordnung zur «Gefährdungsbeurteilung» dazu gezwungen werden. Demnach muss jeder Arbeitsplatz daraufhin untersucht werden, ob psychische Belastungen wie Stress und Druck vermieden werden. Das Problem: KMU können ihren Mitarbeitern nicht so rasch eine Auszeit ermöglichen, etwa ein Sabbatical; sie sind seltener in der Lage, flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten. Umso wichtiger ist es, im partnerschaftlichen Dialog auszuloten, wie sich dennoch eine Work-Life-Balance herbeiführen lässt.

Massnahme 6: Selbstbestimmung erlauben

Selbst eine hohe Belastung wird im Klima partnerschaftlicher Führung zumeist weniger als Beeinträchtigung erlebt, sondern eher als notwendige Begleiterscheinung des gemeinsamen Vorhabens, die Unternehmensziele zu erreichen. Wer selbstbestimmt arbeiten kann und dabei Unterstützung erfährt, kommt mit hohen Belastungen oft besser zurecht. Um Tätigkeiten positiv zu bewerten, benötigen Menschen ein gewisses Ausmass an Autonomie. Dann können und dürfen sie sich als bedeutsam und wichtig erleben. Diese Autonomie sollte den Leistungsträgern zugestanden werden, auch um Abwanderungsgedanken entgegenzuwirken.

Massnahme 7: Mit Zielvereinbarungskultur Loyalität schaffen

Zudem sollten Führungskräfte eine klare Zielvereinbarungskultur etablieren. Leistungsstarke Mitarbeiter lehnen es ab, Anweisungen «von oben» erteilt zu bekommen. Sie möchten sich mit den Unternehmenszielen identifizieren und aktiv zur Zielerreichung beitragen. Dazu ist das Recht notwendig, diese Ziele zu hinterfragen und an der Zielformulierung mitzuwirken, zumindest aber an der Frage, wie die Ziele umgesetzt werden können. Durch das Recht zur Mitbestimmung nimmt die Führungskraft die Mitarbeiter in die Verantwortung – und das ist es, was sich ein High Potential wünscht.

Massnahme 8: Den Teamgeist entfachen

«Nur gemeinsam sind wir stark!» Das Wochenende im Freizeitpark, der Betriebsausflug und Meetings, in denen fachliche und persönliche Themen besprochen werden, lassen einen sinnstiftenden Gemeinschaftsgeist und eine emotionale Bindung zwischen Führungskräften und Leistungsträgern entstehen, sodass Kündigungsgedanken gar nicht erst aufkommen.

Die goldene Massnahme: Mitarbeiter emotional binden

Wer emotional kaum an seinen Arbeitgeber gebunden ist, neigt eher zu einem Arbeitgeberwechsel. Die Konsequenz daraus ist, dass die emotionale Bindung der Mitarbeiter sich zu einer Art Schutzimpfung gegen die ungewollte Fluktuation durch Kündigungen entwickelt. Wichtig ist dabei, dass die Führungskräfte bei ihrer Führungsarbeit persönlichkeitsorientiert vorgehen und dass sie die Mitarbeiter zum Beispiel den Stärken entsprechend einsetzen und jede Gelegenheit aktiv nutzen, um eine auch emotional geprägte Beziehung zu ihnen aufzubauen. Indem sie die Mitarbeiter – und zwar in ihrer Gesamtheit, also nicht nur die Leistungsträger – als individuelle Persönlichkeiten wahrnehmen und ihnen Toleranz und Respekt entgegenbringen, gelingt es, im Unternehmen und an den einzelnen Arbeitsplätzen eine Atmosphäre herzustellen, in der nicht der Kündigungswunsch gedeiht, sondern die Mitarbeiterloyalität.

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