Strategie & Management

Unternehmensführung

Die grössten ­New-Leadership-Mythen

Eigentlich sollte klar sein, was den Begriff des New Leadership angeht. Aber sowohl unter Führungskräften als auch in Unternehmen grassieren nach wie vor Mythen, Missverständnisse und falsche Vorstellungen darüber. Der Beitrag beleuchtet die weitverbreitetsten Mythen und zeigt, wie Führungskräfte diese Missverständnisse ausräumen können.
PDF Kaufen

Globalisierung, Digitalisierung und multiple Krisen in einer «BANI»-Welt: Dort, wo traditionelle Führung mit ihren eher starren Hierarchien angesichts des disrup­tiven Wandels in der Wirtschafts- und Arbeitswelt schnell an ihre Grenzen stösst, bietet New Leadership eine moderne, umfassende Führungs-Toolbox, die auch in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts funktioniert.

Die «triple bottom line»

Der Begriff «New Leadership» subsumiert moderne Führungsansätze, die Flexibilität, Agilität und technologische Entwicklung eines Unternehmens fördern, dabei nicht nur den Profit und den Kundennutzen im Fokus haben, sondern auch den «Purpose», also den gesellschaftlichen Sinn eines Unternehmens in den Vordergrund rücken. Neben dem «profit» geht es bei der sogenannten «triple bottom line» (oder auch dem Drei-Säulen-Modell) vor allem auch um die Gesellschaft und die Umwelt, also um das Fortbestehen des Planeten («planet»), und die Zufriedenheit, Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter («people»).

New Leadership bedeutet partizipative, kooperative und teamorientierte Führung, bei der Mitarbeiter mehr Verantwortung und Autonomie erhalten, um so Innovation und Kreativität zu fördern und eine offene Kommunikationskultur zu etablieren. Für New Leaders sind Mitarbeiter keine Untergebenen mehr, sondern eigenverantwortliche Gestalter auf Augenhöhe, die einen wertvollen Beitrag zu einem «grösseren Ganzen» leisten möchten und in ihrer Vielfalt einen wesentlichen Beitrag leisten, um Innova­tionen voranzutreiben und Lösungen für immer komplexer werdende Herausforderungen zu bieten.

Die Missverständnisse

Leider halten sich in den Köpfen der Menschen nach wie vor hartnäckige Miss­verständnisse und falsche Vorstellungen darüber, was New Leadership ist und was es kann. Die hartnäckigsten sind:

New Leadership setzt ausschliesslich auf das Neue und den Wandel

Häufig wird das Konzept des New Lea­dership mit New Work, unternehmens­­interner Transformation und Technolo­gisierung beziehungsweise Digitalisierung von Geschäftsprozessen in Verbindung gebracht. Das stimmt zwar, bedeutet aber nicht, dass New Leadership erprobte Abläufe oder erfolgreiche Geschäftsmodelle aus­ser Acht lässt. Im Gegenteil: Es geht vielmehr darum, Bewährtes und Funktio­nierendes beizubehalten und mit neuen Elementen gewinnbringend zu verknüpfen – sei es im operativen Management, auf Ebene der Organisation oder in der Teamentwicklung.

Tipp für die Praxis: Setzen Sie auf Evolution statt Revolution und zeigen Sie anhand konkreter Beispiele, wie bewährte Praktiken in Ihrem Unternehmen mit neuen Ideen und Technologien kombiniert werden können: Implementieren Sie Pilotprojekte und illustrieren Sie so den Mehrwert, indem Sie die Veränderungen über die Zeit hinweg tracken.

New Leadership hat man drauf – oder eben nicht

Häufig wird jungen Führungskräften mit «modernem Mindset» und sogenannten Natural Leaders zugeschrieben, New Leadership idealtypisch zu verkörpern. Das impliziert, dass man es entweder draufhat, ein New Leader zu sein – oder eben nicht. Dabei lassen wir allerdings ausser Acht, dass die Prinzipien von New Leadership – der Fokus auf Beziehungen, Er­gebnisse, Kollaboration und Innovation – auch erlernt und trainiert werden können, und zwar unabhängig von Alter, Erfahrung oder individuellem Führungstalent.

New Leadership ist eine Haltung mit einem besonderen Skill-Set, das man sich aneignen kann. Allerdings, und das ist jetzt die schlechte Nachricht: Sie kann nicht einfach verordnet werden, sondern setzt einen Bewusstseins- und Reflexionsprozess samt Auseinandersetzung mit den entsprechenden Führungsprinzipien und Werten voraus.

Tipp für die Praxis: Leadership hat sehr viel mit Empathie und weniger mit Alter oder Erfahrungsschatz zu tun: Individuelle Führung heisst das Zauberwort. So vielseitig wie die Begabungen Ihrer Mitarbeiter sind auch ihre Bedürfnisse. Versuchen sie das in Ihrer Führungsarbeit zu berücksichtigen. Was der eine braucht, ist bei der anderen möglicherweise kon­traproduktiv. Und: Die viel zitierte Cus­tomer Centricity gilt auch für Führungskräfte: Die Mitglieder Ihres Teams sind Ihre Kunden («Servant Leadership»), und so wollen sie auch behandelt werden.

New Leadership bedeutet ­weniger Führung

Wenn es in Richtung Selbstorganisation und Delegieren von Verantwortung und Entscheidungskompetenz «nach unten» geht, vermuten so manche, dass Führung obsolet wird und Chaos ausbricht. Dabei ist Führung sogar wichtiger denn je – nämlich, um den Rahmen, Richtung und Orientierung zu geben, die Prozesse zu begleiten und den Überblick zu bewahren. New Leadership bedeutet vielmehr effektivere Führung, mehr Verantwortung und Selbstbestimmtheit für die ­Mitarbeiter und ein motivierteres Team.

Tipp für die Praxis: Kommunizieren Sie klar, dass New Leadership die Be­deutung von Führung nicht verringert, sondern neu definiert. Bieten Sie Schulungen und Coachings an, um Führungskräfte dabei zu unterstützen, ihre Rolle als Rahmengeber und Orientierungspunkt effektiv auszufüllen, und arbeiten Sie anhand konkreter Beispiele heraus, wie diese Art der Führung zur Mitarbeiterentwicklung und -motivation beiträgt.

New Leadership beschränkt sich auf technologische Skills

Diese Annahme ist in der Tat ein Mythos. New Leadership ist ein ganzheitliches Führungskonzept, dessen Bestreben es ist, die Bedürfnisse der Menschen mit den Vorzügen moderner Technologien in Einklang zu bringen. Dabei dient die Technologie – ganz im Sinne des Digi­talen Humanismus oder auch der Cor­porate Digital Responsibility (CDR) – stets dem Menschen und dem Unternehmen – und nicht umgekehrt.

Tipp für die Praxis: Betonen Sie, dass New Leadership ein holistischer Ansatz ist, der sowohl menschliche als auch technologische Aspekte berücksichtigt, zum Beispiel mit den Bedürfnissen der Menschen im Unternehmen, der Unternehmenskultur und den strategischen Zielen des Unternehmens. Führen Sie Beispiele dafür an, wie Technologie erfolgreich eingesetzt wurde, um Prozesse zu ver­bessern und die Effizienz zu steigern, und ermutigen Sie Ihre Teammitglieder dazu, Feedback zum Einsatz von neuen Tech­nologien zu geben und zu überlegen, wie diese zur Unterstützung ihrer Arbeit eingesetzt werden können.

Bei New Leadership geht es ­darum, «weich» oder «nett» zu sein

Manche Menschen sind der Ansicht, dass diese Form von Leadership sich zu sehr auf Empathie, Zusammenarbeit und Integration konzentriert und sie dadurch schwach oder ineffektiv ist. Moderne Führungskräfte sind jedoch in der Lage, diese Qualitäten mit Ergebnisorientierung und der Bereitschaft, harte Entscheidungen zu treffen, in Einklang zu bringen. Studien zeigen, dass gerade ­empathische Führungskräfte viel eher in der Lage sind, Unternehmen auch durch schwierige Zeiten zu bringen, denn sie orientieren sich an den Menschen in und ausserhalb der Organisation. Und das hat viele Vorteile für das Team: mehr Resilienz, höhere Effizienz, niedrigere Burnout-Raten etc.

Tipp für die Praxis: Zeigen Sie, dass Sie in der Lage sind, schwierige Entscheidungen zu treffen, während Sie gleich­zeitig die Bedürfnisse und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter im Blick behalten. Ausserdem können Sie die Gründe für Ihre Entscheidungen darlegen und Teammitglieder gegebenenfalls in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen.

New Leadership passt nur für bestimmte Branchen

Oft wird New Leadership mit Bereichen wie der Tech-Branche oder Start-ups in Verbindung gebracht. In Wahrheit un­terstützt dieser Führungsansatz aber jede Branche und jedes Unternehmen dabei, sich für die Zukunft agiler, menschzen­trierter und dank neuer Technologien ­effizienter aufzustellen. Das betrifft den globalen Tech-Konzern ebenso wie den Handwerksbetrieb in der Region.

Tipp für die Praxis: Stellen Sie Best Practices und Erfolgsgeschichten aus verschiedenen Branchen vor, die zeigen, was New Leadership bringt und wie es funktioniert. Generell gilt aber: New Leadership ist dann besonders wirkungsvoll, wenn Sie und Ihr Team gemeinsam am Führungsverständnis arbeiten und gemeinsam festlegen, welcher Führungsstil am besten für die Organisation, das Team und die einzelnen Mitarbeiter passt. Führung ist wie zwei miteinander kommunizierende Gefässe, ein Geben und Nehmen, das jeden Tag neu verhandelt/ausgemacht/vereinbart werden sollte. So wie sich Organi­sationen und Menschen entwickeln, so muss auch das Führungsverständnis im ge­genseitigen Austausch weiter reifen.

Porträt