Strategie & Management

Unternehmensentwicklung

Der Weg zu einem integrierten Innovationsmanagement

Ein systematisches Innovationsmanagement, das auf die acht zentralen Wirkungsfelder fokussiert, schafft die Grundlage für den unternehmerischen Erfolg im Zeitalter der anbrechenden «Industrie 4.0» beziehungsweise «Industrie 2025», in der physische und virtuelle Systeme miteinander verbunden werden.
PDF Kaufen

Das Wort «Innovation» hat eine lange Tradition im deutschen Sprachraum und wurde bereits 1915 erstmals im Rechtschreibduden erwähnt. Innovation ist der Impulsgeber der Wettbewerbsfähigkeit und des ertragsstarken Wachstums, denn ohne Wachstum verliert das Unternehmen an Wert und an Attraktivität im Markt. Wachstum kann bekanntlich über verschiedene Wege erreicht werden: Der erfolgreichste Weg ist derjenige über Innovation, zumal der Ansatz der Kostenführerschaft langfristig keine relevanten Vorteile schafft. Auch der Weg über die Spezialisierung und die Fokussierung ist mit Risiken bezüglich der Entwicklung der Marktnische verbunden.

Warum Innovationen scheitern

Innovative Unternehmen zeichnen sich durch eine hohe Ertragsstabilität und ein solides Wachstum aus. Sie sind voll auf die Kundschaft und ihre Anforderungen sowie deren Erwartungen fokussiert, eng im Innovationsprozess mit den Kunden verzahnt und beziehen diese bei Innovationen systematisch und sehr früh mit ein: Der Kunde wird gleichsam zum Co-Creator der Innovation, was die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich verbessert. Innovationen bergen neben hohen Chancen auch fundamentale Risiken, denn zahlreiche Innovationen floppen, werden abgebrochen oder vom Markt nicht an­genommen. Flops lassen sich auf vier wesentliche Ursachen zurückführen (siehe dazu die Abbildung 1).

Fehlende Markt- und Kundenorientierung

Dies ist die Hauptursache für gescheiterte Innovationsprojekte, denn der intensive Austausch mit dem Markt und den Kunden ist eine fundamentale Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg. Ohne (pro-)aktive Kundeninteraktion ist die Gefahr des Scheiterns sehr gross.

Schwächen in der Organisation und in den Prozessen

Die internen Strukturen, Rollen und Zuständigkeiten verhindern häufig die Realisierung von radikalen Innovationen. Interne Machtkämpfe blockieren den Innovationsprozess, Schnittstellen ver­ursachen unklare Kompetenzen sowie Verantwortlichkeiten, Innovationszeiten dauern zu lange und die tatsächlichen Kosten übersteigen die Zielkosten durch nicht abgestimmte Prozesse.

Fehlende Technologien

Innovationen sind häufig mit neuen Technologien verbunden, die im Unternehmen nicht vorhanden sind und dann entweder zugekauft beziehungsweise neu aufgebaut werden müssen. Die Steuerung des Technologieportfolios ist daher zwingende Voraussetzung für den Erfolg. Bereits frühzeitig ist zu erkennen, wo eine Un­ternehmung technologische Lücken aufweist und wie diese gezielt geschlossen werden können.

Fehlendes Wissen

Mangelhaftes Wissen über den gesamten Innovationsprozess, seine Struktur, die Meilensteine und Entscheidungskriterien führen immer wieder zum Scheitern von Innovationsprojekten. Ein strukturierter Prozess zur Innovationsentwicklung von der Ideengewinnung bis zur Vermarktung ist aber unbedingt relevant für den zukünftigen Erfolg.

Die Erfolgsdimensionen    

In einer Studie der Universität Mannheim (Küster, Sabine et al. 2015: Terminierung oder Fortführung von Innovationsprojekten) lassen sich vier erfolgskritische Dimensionen im Rahmen eines Innovationsprojektes bestimmen (Abbildung 2).

Strategische Dimension

Ist das Innovationsprojekt kongruent mit dem strategischen Fokus der Unternehmensleitung abgestimmt und alternativen Optionen überlegen?

Marktdimension

Welche Kundenanforderungen sind vorhanden und inwiefern sind die Marktbedingungen vorteilhaft?

Fähigkeitsdimension

Ist das Projekt technisch realisierbar und produzierbar?

Profitabilitätsdimension

Ist ein positiver Cashflow aus dem Innovationsprojekt zu erwarten?

Die Erfolgsdimensionen eines Innovationsprojekts werden mithilfe von jeweils drei Projektbewertungspunkten und Einflussfaktoren evaluiert (siehe dazu die Abbildung 3).

Erfolgreiche Innovationskulturen

Das Schaffen einer aktiv gelebten Innovationskultur ist von grosser Bedeutung für eine erfolgreiche Innovationsstrategie, denn diese ist der Boden, auf der Inno­vationen gedeihen: Stimmt der Boden nicht, wird die Pflanze nicht wachsen und verkümmern. Erfolgreiche Kulturen und Innovatoren zeichnen sich durch folgende Elemente aus:

Lernen und Lernfähigkeit

Unternehmen müssen systematisch und auf allen Ebenen lernen und dabei auch stark von Externen lernen, Benchmarks und Best Practice spielen eine bedeutende Rolle, um in die Rolle des Innovationsführers zu gelangen.

Ausrichten auf den Kundennutzen

Innovation muss immer kundenfokussiert entwickelt werden und im konsequenten Dialog mit den Kunden ent­stehen. Nur Innovationen, die für den Kunden einen Zusatznutzen haben, werden sich erfolgreich vermarkten.

Erkennen und Abbauen von Widerständen

Widerstände gegen Innovationen treten immer wieder auf und verhindern effiziente Innovationsprozesse, daher ist es wichtig, alle Betroffenen zu Beteiligten zu machen.

Vermeiden von internen und externen Schnittstellen

Schnittstellen behindern effiziente und effektive Innovationsprozesse, zugleich schaffen sie zeitintensive Medien- und Kommunikationsbrüche.

Effiziente Kommunikationskultur

Effiziente Kommunikation und eine offene Austauschkultur fördern das Innovationsdenken und Handeln, «Open Innovation» öffnet sich intern und extern und beseitigt so Kommunikationsbarrieren.

Acht Felder der Innovation

Feld 1: Produktinnovation    

Die Produktinnovation ist und bleibt das Kernstück der Innovation. Ohne innovative Produkte werden alle anderen Innovationsfelder nur wenig zu einem dau­erhaften Vorsprung beitragen können. Produktinnovation ist gleichsam Impulsgeber für alle anderen Themenfelder, denn sie schafft das Feld für Prozessinnovationen, organisatorische Veränderungen oder Neuerungen in Marketing und Vertrieb. Produktinnovation schafft Vorsprünge, die im Zeitalter von disruptiven Technologien zeitlich aber sehr begrenzt sind. Diese Vorsprünge wirken oftmals nur kurzfristig, denn Wettbewerber können Produkte relativ schnell kopieren oder verbessern.

Feld 2: Prozessinnovation    

Hinter allen Produkten stehen Prozesse: Entwicklungsprozesse, Herstellprozesse, Qualitätsprozesse etc. Diese Abläufe stehen genauso unter Innovationsdruck wie das zu vertreibende Produkt beziehungsweise die dazu genutzten Technologien. Innovative Prozesse in der Produktion, wie zum Beispiel Kanban-Systeme, Lean Management oder «One Piece Flow», leisten in Kombination mit der Wertstromanalyse die Grundlage für effizientere Prozessabläufe.

Feld 3: Serviceinnovation    

Beim Übergang zur «Industrie 4.0» beziehungsweise zur «Industrie 2025» (siehe www.industrie2015.ch) entstehen durch cyber-physische Systeme neue Verknüpfungen von Produkten und Serviceleistungen. Diese sind in folgende vier Phasen zu gestalten: Die Serviceinnovationen vor und beim Kauf eines Produktes sowie anschliessend bei und nach der Nutzung des Produktes. Insgesamt wird der Nutzen für den Kunden deutlich höher und es erfolgt eine starke Kundenbindung über die gesamte Nutzungsdauer.

Feld 4: Vertriebsinnovation    

«Industrie 4.0» verändert die Kauf- und Verkaufsprozesse radikal. Der Kunde nutzt heute intensiv das Multi Channel Management, verwendet alle möglichen Wege der Informationssuche und entscheidet sich erst später, wo er definitiv kauft («RoPo-Effekt»). Dadurch müssen Unternehmen sowohl im B2B- und B2C-Vertrieb alle möglichen Vertriebskanäle kennen und strategisch besetzen. Die Beschränkung auf den traditionellen Vertriebskanal reicht dabei nicht mehr aus. Bekannte Automarken wie BMW nutzen für die innovativen Modelle wie i3 auch das Internet und nicht allein den Vertriebsweg der Händler. Mit einer «Mobile Sales Force» will BMW den direkten Kontakt zum Endkunden aufbauen. Der innovative Disruptor Tesla zeichnet hier den traditionellen Automobilherstellern bereits den Weg vor, indem er Neukunden aktiv als eigene Sales-Multiplikatoren einbezieht.

Feld 5: Supply Chain-Innovation

Supply Chain Management (SCM) fokussiert sich auf die komplette Wertschöpfungskette und ist bemüht, alle Glieder dieser Kette in den Innovationsprozess einzubeziehen. Denn bei allen SCM-Partnern ist ein hohes Know-how vorhanden, das durchaus gefördert und weiterentwickelt werden kann. So stammt beispielsweise heute schon mehr als ein Drittel der Innovationen in der Automobilindustrie von den Lieferanten, denn diese verfügen über ein hoch spezialisiertes technologisches Wissen, das dem Hersteller fehlt. So versorgt der Schweizer Sensorhersteller Kistler führende deutsche Automobilhersteller wie Audi, BMW oder Porsche mit der passenden Sensorik für ihre Crashtest-Dummies.

Feld 6: Marketinginnovation    

Marketinginnovation fokussiert sich auf das Schaffen einer Marke und eines Markenimages. Gerade für digitale Produkte und digitale Geschäftsmodelle ist es zentral, eine neue Marke zu schaffen, um sich damit von den Produktmarken abzuheben. Dies gilt nicht nur für die Markenbekanntheit, sondern auch das Image der Marke und das Markenprofil. Die bekannten digitalen Marken haben sich erfolgreich über die vertriebenen Produktmarken positioniert (Amazon, Zalando).

Feld 7: Organisationsinnovation

Das Feld der Organisationsinnovationen ist im Zeichen von «Industrie 4.0» heute besonders relevant, da ein Unternehmen eine hohe Flexibilität und Wandlungs­fähigkeit aufzeigen muss. Konzerne wie Google oder Apple zeigen eine besondere Fähigkeit, sich immer wieder neu zu organisieren, um daraus eine hohe In­no­vationsfähigkeit zu schaffen, wie etwa das jüngste Beispiel von Googles «Alphabet» zeigt. Kleine marktfokussierte Einhei­ten, die sich flexibel auf neue Heraus­for­derungen einstellen können, werden schwerfällige Konzerne überholen und erfolgreich am Markt operieren. So definiert sich das amerikanische Unternehmen Gore mit seiner Marke Goretex in seiner Vision als «flexibel wie eine Amöbe» und schafft kleine Einheiten ohne hierarchische Ränge («no ranks no titles»), die sich schnell auf geänderte Marktbedürfnisse einstellen können und eine hohe Innovationskraft zeigen.

Feld 8: Geschäftsmodellinnovation    

Mit «Industrie 4.0» tut sich ein neues Innovationsfeld auf, das bisher noch nicht sehr stark im Auge des Betrachters stand. Geschäftsmodelle haben ebenso wie Produkte einen Lebenszyklus. Eine aktuelle Untersuchung von KPMG geht davon aus, dass bis 2020 dreissig Prozent aller eta­blierten Geschäftsmodelle verschwinden werden (KPMG, 2013: Survival of the Smartest. Welche Unternehmen überleben die digitale Revolution?). Die klassischen Geschäftsmodelle werden durch digitale Geschäftsmodelle ersetzt, die auf cyber-physischen Systemen basieren und eine starke Vernetzung mit den Kunden aufzeigen. Die Innovationsgeschwindigkeit wird sich rasant erhöhen und die
Co-Creation mit den Kunden überpro­­­-por­tional ansteigen. Die SAP Cloud-Lösung «Hana» wird keine Release-Wechsel mehr haben, sondern sich gemeinsam mit den Nutzern permanent innovieren. Die Unternehmen müssen bei «Industrie 4.0» über die Grenzen hinweg führen, Kunden und Lieferanten mit den eigenen Wertschöpfungsprozessen verzahnen sowie Netzwerke und Kooperationen konsequent steuern.

Felder von Geschäftsmodellen

Ein Geschäftsmodell besteht aus vier Feldern (Teilmodelle): An erster Stelle steht das Nutzenmodell, hier wird aufgezeigt, welche Nutzenkategorien für den Kunden erfüllt werden. Zweitens das Ertragsmodell, hier ist aufzuzeigen, für welche Nutzenkategorien der Kunde bereit ist zu zahlen. Drittens das Kostenmodell, wo zu ermitteln ist, wie sich die Kostenstruktur durch ein neues Geschäftsmodell verändern wird. Schliesslich das Wertschöpfungsmodell, das aufzeigt, wie sich die Wertschöpfungskette durch das neue Geschäftsmodell verändern (beziehungsweise verkürzen oder verlängern) wird (siehe dazu die Abbildung 5).

Fazit

Im Zuge von «Industrie 4.0» beziehungsweise «Industrie 2025» lösen sich die Grundlagen des bisherigen Wirtschaftens auf, und bestehende Wertschöpfungsketten werden radikal aufgebrochen. Bisherige Kernkompetenzen werden zunehmend ungeeignet, woraus ein geringerer Umsatz für einen Teil der bestehenden Produkte und Dienstleistungen resultiert. Begleitend zu massiven Veränderungen des gewohnten Branchenumfeldes funktionieren etablierte Wettbewerbs- und Differenzierungsstrategien nicht mehr, wobei das «Internet der Dinge» neue Lösungen ermöglichen wird.

Unternehmen brauchen den Mut, obsolete Produkte oder Services aufzugeben, ihr Portfolio radikal zu überarbeiten und komplett neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Der langfristige Erfolg stellt sich erst dann ein, wenn alle acht Felder der Innovation entwickelt sind und strategisch in die Geschäftsstrategie integriert werden. Es gilt, sich für die Verän­derungen durch die weiter fortschreitende Digitalisierung und disruptive Technologien zu wappnen und sich für die unternehmerische Zukunft zu rüsten: «Innovate or get disrupted!»